MÜNSTER! Magazin

Foto: Deborah Haarmeier 

Dezember 2021 N°108


Viel Stoff für Träume

„Es ist einfach so passiert“, sagt Frieda Lepold, die sich von der heimischen Nähmaschine aus in eine Zauberwelt historischer und dann auch in die Gegenwart hineinverwandelter Gewänder genäht hat. Die junge Gievenbeckerin ersinnt und fertigt im wahrsten Sinne des Wortes traumhafte Kleider – diese muten mystisch und verzaubert an, sind aber akribisch vorbereitet und Stich für Stich detailgenau gefertigt. Handwerk und Historie treffen Phantasie und Kreativität. Mit Erfolg.

Text Britta heithoff


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Foto: Frieda Lepold

Ein Händchen fürs Kreative hatte Frieda Lepold, 24, schon immer. Während ihrer Schulzeit probierte sie sich vor allem in der Malerei aus, sie zeichnete, gestaltete mit Farben, absolvierte ein Praktikum bei der Nienberger Künstlerin Andrea Ottenjann. Nach dem Abitur am Freiherr-vom-Stein-Gymnasium fiel die Wahl schwer: Design, Fotografie ... in welche Richtung sollte sie nun weitergehen?

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Friedas Cousine Ida gehört zu den Stamm-Models der Kollektionsfotografien, fast immer ist die Natur die bevorzugte Kulisse. Auch typisch: die unbändigen Mengen von Stoff, die in jedes Gewand fließen. Foto: Friede Lepold

Über ein Praktikum bei der Berliner Fotografin Ulrike Burrmann gelangte Frieda zur Rekii-Fotografie, zu inszenierten Motiven mit aufwendigen Kostümen und märchenhafter Visagistik. „Oh!“, dachte Frieda da wohl, und etwas wurde in ihr geweckt. Etwas, worüber sie heute sehr dankbar sein darf. Denn über die Frage, welche Art von Kleidern bei Rekii-Fotoshoots eingesetzt werden können, kam auch ein konkreter Impuls zu ihr: „Näh doch mal was!“ Ein bisschen nähen konnte Frieda, handwerklich und künstlerisch begabt, aufgewachsen in einer Großfamilie mit vielen inspirierenden Talenten, mit Tischlern und Zimmerleuten, ständig werkelnden Großeltern, Tanten und Onkels. Also fing sie an.

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Foto: Deborah Haarmeier

Recht schnell stand sie – für das Umfeld inszenierter Fotografie dieser Art mit ihren leuchtend roten Haaren besonders passend – auch selbst vor der Kamera. Natur, Kostüm, Bildgewalt, alles fügte sich zusammen. Wer die Disney-Prinzessin Merida kennt, der hat sofort die Bilder im Kopf, die für eines ihrer ersten Werkstücke, damals noch mit ihrer Oma Hannelore umgesetzt, eine Rolle spielten. Während dieser Entwicklung nahm Frieda, in ihrem Antrieb unterstützt von Eltern, die als Polizist und Osteopathin in ganz anderen Berufsfeldern unterwegs sind, an der Schule für Modemacher am Handwerkskammerbildungszentrum (HBZ) das Studium im Bereich Produktmanagement und Modedesign auf und lernte so von der Pike auf, was ihr der Zufall schon vor die Füße gespielt hatte. Maßschneiderei und auch deren wirtschaftlichen Hintergründe, die Zahlen, Daten, Fakten, Handgriffe: Das alles spielte Friedas Leidenschaft unterstützend in die Karten.

Kostümgeschichte packte sie besonders. Historisch korrekt zu arbeiten, Details zu beachten, Quellen zu ehren: Eine Nische tat sich auf. Eine Nische, die so abwegig dann doch nicht war, denn Frieda fand sich schon bald mit Freunden zusammen und realisierte eine weichenstellende Fotoreise: Ab in die schottischen Highlands, dorthin, wo Gewänder schon aus Wettergründen mit vielen Schichten gegen Regen und Kälte aus passenden Stoffen gefertigt sein sollten. Hier passte dann plötzlich alles zusammen: Landschaft, Mystik, Perfektion, Stimmung, Materialien, Silhouetten. Zauberhaft! Und stark!

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Wie aus einer anderen Zeit und Welt: Mit Freunden reiste Frieda Lepold eigens nach Schottland, um ihre Gewänder in der Originalkulisse fotografisch zu inszenieren. Foto: Deborah Haarmeier

Ein weiterer Meilenstein war sicherlich das studienbegleitende Praktikum bei Linda Friesen in Maastricht, einer Designerin und Maßschneiderin, unter anderem für Brautmoden. Denn bei ihr kamen zusätzlich zu Friedas inzwischen gesammelter Expertise ganz neue Stoffqualitäten dazu: glanzvolle Seide und modernere Materialien, die neue Aspekte für Friedas Handwerk und Kunst lieferten. So kam es auch zum Thema ihrer Abschlussarbeit am HBZ: Die Kollektion bestand aus historischen Elementen, gepaart mit zeitgemäßen Stoffen. Ein voller Erfolg und auch für Frieda ein wegweisender Twist. Ihre Bachelorarbeit gab ein Übriges dazu, denn hier ging es um das Potential von Social-Media-Strategien für Mode-Start-ups. Apropos: Friedas Instagramaccout @friedalepold hat beinahe 10.000 Follower, Respekt! Das Wissen um Öffentlichkeitsarbeit öffnete so auch für Frieda weitere Perspektiven, übrigens auch für ihren Nebenjob bei Frau Többen, einem Fair Fashion Store an der Hammer Straße, wo sie nicht nur im Verkauf, sondern auch im Marketing unterstützt.

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Alles fließt. Wer solche Mengen wertvoller Stoffe verarbeitet, ist achtsam und hat „Bilder im Kopf“ – die wie hier in der passenden Kulisse zu einem großen Ganzen werden. Foto: Deborah Haarmeier
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Ein alte Schreibtischplatte wurde zum Zuschneidetisch, das ehemalige Kinderzimmer zum Privatatelier: hinter den Kulissen der Maßschneiderei (oben). An Szenerien aus Kostümfilmen erinnern manche Aufnahmen – wie diese (unten) von Ida im Garten von Schloss Nordkirchen. Foto: Deborah Haarmeier

Unikate von besonderem Format hat sie nun schon für ganz unterschiedliche Projekte und Menschen gestaltet. „Maßschneiderei ist übrigens auch insofern vorteilhaft, als dass wir damit besondere Partien betonen und weniger gemochte kaschieren können“, weiß die junge Frau, die ihre Stoffe meist in einem Wuppertaler Großhandel (den sie „mein Paradies auf Erden“ nennt) bezieht. Zudem ist Frieda ein wahres Improvisationstalent. Hätten Sie gedacht, dass Kabelbinder perfekte Korsagenstäbchen sein können? Tja, von Tricks dieser Art hat Frieda so manche auf Lager. Und wenn sie die Details mal nicht selbst beibringen kann, dann kommen geschickte Hände wie die der Patentante dazu: Diese etwa strickte die zum Originaloutfit benötigte, über Kreuz getragene mittelalterliche Stola (zu sehen auf Seite 91), natürlich exakt auf Maß – passend zu Patentochter Friedas Perfektionsanspruch.

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Von historischen Vorlagen inspiriert: Hier sehen wir die Fotografin Deborah Haarmeier, die sonst hinter der Kamera vieler Aufnahmen von Friedas Kreationen anzutreffen ist. Foto: Frieda Lepold
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Frieda Lepold schaut der Zukunft ihrer Maßschneiderei entschlossen und zuversichtlich entgegen: „Bisher ist ja auch immer alles einfach so passiert!“ Foto: Deborah Haarmeier

Untergewänder, Bustiers, Korsagen, Obergewänder & Weiberspeck (so heißt das wirklich ganz regulär, es handelt sich um ein ringförmiges wulstartiges auf der Hüfte getragenes Outfit-Stück aus dem späten 16. Jahrhundert!) – wie geht das nun alles zusammen mit Friedas Maßschneiderei und mit Kreationen, die sie heute für Hochzeiten, Ehejubiläen, Filmund Fotoprojekte und andere Anlässe ersinnt und fertigt? Nun, das Wissen um die Dinge lässt ständig neue Perspektiven zu. Frieda, die ihre Werkstücke auch im Sinne bewusster Langlebigkeit und Individualität den Persönlichkeiten ihrer Kunden auf den Leib schneidert, ist sich sicher: „Die Dinge fügen sich meist!“ Wir wünschen weiter viel Freude und Erfolg dabei!