MÜNSTER! Magazin

N°123


„Frühling lässt sein blaues Band …“  

LITERARISCHE LEEZEN-TOUR
Lust auf Frühling? Holen Sie Ihr Fahrrad aus dem Keller und schwingen Sie sich auf den Sattel! Auf geht’s zu literarischen Frühlings-Fundstücken an schönen Orten der Stadt. Wir versprechen Ihnen: Diese MÜNSTER!-Magazin-Radtour ist ein Gedicht!
 
 

Text Ulrich Gerbing


Auf geht’s: Wir starten unsere Radtour mitten in Münster, auf dem Domplatz, und das – um die Sache absolut perfekt zu machen – am besten an einem Mittwoch- oder Samstagvormittag. Dann können wir nämlich bei einem Bummel über den Markt unseren Picknick-Korb mit frischen frühlingshaften Produkten füllen – mit Obst und einem Fläschchen Rhabarbersaft, mit zwei, drei Hollandse Nieuwe (Matjes, wer sie mag) oder anderen Leckereien für unterwegs. Ach ja: Auch ein paar knackige Birnen müssen wir mitnehmen, die brauchen wir nämlich später noch. Ein kleines buntes Frühlings-Sträußchen stecken wir an den Lenker unserer Leeze – und das gefällt dem Lyriker Eduard Mörike so gut, dass er uns zu unserem Start sein Lied singt: 

Frühling lässt sein blaues Band / Wieder flattern durch die Lüfte; / Süße, wohlbekannte Düfte / Streifen ahnungsvoll das Land. / Veilchen träumen schon, / Wollen balde kommen. / – Horch, von fern ein leiser Harfenton! / Frühling, ja du bist’s! / Dich hab ich vernommen.

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Ulrich Gerbing hat viele Ideen zur Fortbewegung im urbanen Raum. Vor einiger Zeit haben wir sein Buch „BusGang“ vorgestellt, jetzt nimmt er uns mit auf eine literarische Radtour. Foto: Jost Gerbing 

Goethe, Heine, Brecht und Co.

blüten auf der Promenade, und an der Ecke Aegidiistraße/Kanonengraben bewundern wir den Blütenschriftzug auf der Wiese. Wir lassen uns dazu verzaubern vom Dichter Ludwig Uhland: … // Die Welt wird schöner mit jedem Tag, / Man weiß nicht, was noch werden mag, / Das Blühen will nicht enden. / Es blüht das fernste, tiefste Tal: / Nun, armes Herz, vergiss die Qual! / Nun muss sich alles, alles wenden.

Nach dieser sinnlich-lyrischen Einstimmung erwartet uns in Münsters guter Stube (und in ihrer 
Altstadt-Nachbarschaft) eine geballte Ladung Literatur-Heroen. 
Am Westportal der Lambertikirche steht in einer Reihe von Kirchenmännern aus Stein der nachdenklich dreinblickende Johann Wolfgang Goethe (er stellt den Evangelist Lukas dar). Goethe war 1792 einige Tage zu Besuch in Münster bei der Fürstin Amalia von Gallitzin und ihrer „Familia Sacra“. Seine Ankunft in der Stadt verlief nicht ganz ohne Komplikationen, die Hotels waren ausgebucht; Goethe, not amused, berichtet davon: (Ich) gelangte erst tief in der Nacht zur Stadt. (…) Ich fuhr (…) an einen Gasthof, wo mir aber Zimmer und Bette durchaus versagt wurde. (…) Unter diesen Umständen bedachte ich mich nicht lange und brachte die Stunden auf einem Stuhle und in der Wirtsstube hin. Und warum kann man seine Statue an der Lambertikirche stehen sehen? Als Ende des 19. Jahrhunderts der neue Turm (übrigens eine Kopie des Turms des Freiburger Münsters) gebaut wurde, hieß der Pfarrer von Lamberti Hermann-Josef Kappen; dieser war nicht nur konservativ, sondern auch ein Fan der deutschen Klassiker. Und der Oberklassiker, quasi ebenbürtig mit diversen Heiligen und Seligen, war eben Goethe. Und selbstverständlich hat uns Goethe auch was zum Frühling zu sagen (wer kennt es nicht …): Vom Eise befreit sind Strom und Bäche / Durch des Frühlings holden, belebenden Blick; / Im Tale grünet Hoffnungs-Glück; / Der alte Winter, in seiner Schwäche, / Zog sich in raue Berge zurück. / … / Zufrieden jauchzet Groß und Klein: / Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein.

Auch der Dichter und Schriftsteller Heinrich Heine verbindet etwas mit Münster: In seinem Deutschland, ein Wintermärchen spielen die Täufer­körbe am Turm von St. Lamberti eine nicht ganz unwichtige Rolle. Sie könnten doch, schlägt Heine vor, als neue Herberge der Heiligen drei Könige dienen, wenn dereinst möglicherweise der Kölner Dom in Folge revolutionärer Wandlungen nicht mehr als Dom, sondern als Pferdestall genutzt würde …  – Weniger konfliktgeladen sind Heines Gedanken zum neuen Frühling: … / Leise zieht durch mein Gemüt / Liebliches Geläute. / Klinge, kleines Frühlingslied, / Kling hinaus ins Weite. / Kling hinaus, bis an das Haus, / wo die Blumen sprießen, / Wenn du eine Rose schaust, / Sag, ich lass sie grüßen.

Vor dem Theater stehend blicken wir noch einmal zurück zur Apostelkirche. Die hieß, als 1886 der Schriftsteller Theodor Fontane und die ganze Familie hier zum Gottesdienst anlässlich der Trauung von Fontanes zweitem Sohn weilten, noch Garnisonskirche, und sie war das erste Gotteshaus in Münster, das – auf Veranlassung der neuen preußischen Landesherren – protestantisch  geworden war. Mehr als mit Münster und dem münsterschen Katholizismus konnte Fontane mit dem Thema Frühling anfangen. Nun ist er endlich kommen doch / In grünem Knospenschuh; / „Er kam, er kam ja immer noch“ / die Bäume nicken sich’s zu. / Sie konnten ihn all erwarten kaum / Nun treiben sie Schuss auf Schuss; / Im Garten der alte Apfelbaum, / Er sträubt sich, aber er muss. /…

Wenn wir von der Neubrückenstraße aus am Theater die Stufen hochgehen, können wir Reste des alten, im Zweiten Weltkrieg zerstörten Theaterbaus (Romberger Hof) sehen. Marianne Zoff, Bertolt Brechts erste Ehefrau und Mutter ihrer gemeinsamen Tochter Hanna, hatte in den 1920er Jahren ein Engagement als Sängerin am Stadttheater Münster. Brecht hat sie zweimal hier besucht. Glücklich war der berühmte Brecht mit Münster und mit dem Zoff, den ihm seine Ehefrau bereitete, nicht. Gar nicht gut konnte er es nämlich haben, dass „seine“ Marianne mehr und mehr dem münsterschen Theaterkollegen Theo Lingen zugetan war (den sie später, nach ihrer Scheidung von Bertolt, heiratete). Vielschreiber Brecht hat sich natürlich auch zum Frühling geäußert, und das – nochmal: „natürlich“ – in revolutionärer Attitüde: Am ersten Mai / Gehn Vater und Mutter in einer Reih / Kämpfen für ein bessres Leben / Fron und Armut darf’s nicht geben: / Da sind wir auch dabei. / Grün sind die Zweige / Die Fahne ist rot. / Nur der Feige / Duldet Not. / …

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Ab ins Grüne

Wir genießen die Fahrt durch den großen Park im Norden der Stadt; hier können wir auch an manch lauschiger Stelle unser Picknick-Equipment auspacken. Oder wir setzen uns, wenig später, an der Wienburg in den schönen Biergarten. Auf jeden Fall aber erledigen wir hier eine kleine Suchaufgabe: Links und rechts von einem eher unscheinbaren Wiesenweg – neben dem Tennisplatz-Gelände – stehen die kläglichen Reste der ehemals hier vorhandenen barocken Pracht des Adelssitzes des fürstbischöflichen Pfennigkammermeisters Paul Josef von Wintgen. Von einem unbekannten Bildhauer (oder vielleicht doch von Johann Wilhelm Gröninger?) stammen die Statuen – die vier Jahreszeiten und die vier Temperamente –, die um 1740 geschaffen wurden und die seinerzeit dem von Johann Conrad Schlaun entworfenen barocken Garten sein be­sonderes Flair verliehen hatten. Wir suchen die Figur des Frühlings (Printemps): ein Mädchen mit Blüten im wallend herabfließenden Haar – und wenn wir unser Mobiltelefon mit Musik-App zur Hand haben, hören wir auf YouTube dazu die Comedian Harmonists im Frühling 1930 singen … / Veronika der Lenz ist da, / Die Mädchen singen tralala. / Die ganze Welt ist wie verhext / …

Ja, besagter Lenz ist da, das wusste uns auch Schriftsteller Erich Kästner in der ihm eigenen unnachahmlichen Art mitzuteilen: … / Man sollte wieder mal spazieren gehn. / Das Blau und Rot und Grün war ganz verblichen. / Der Lenz ist da! Die Welt wird frisch gestrichen! / Die Menschen lächeln, bis sie sich verstehn. / ... 

Das – „uns verstehn“ nämlich – wollen auch wir und radeln nun höchst komfortabel auf dem neu hergerichteten Seitenweg am Dortmund-Ems-Kanal bis in die Rieselfelder. Hier wurden bis in die 1970er Jahre die Abwässer der Stadt kontrolliert dem sandigen Boden als Dünger zugeführt, dann wurde diese eher archaische Methode der Entsorgung durch den Bau der zentralen Kläranlage auf eine modernere Stufe gestellt – und so ist das große Areal der Rieselfelder heute ein Paradies für Vögel und ein Naturschutzgebiet von europäischem Rang. Wir stehen bald inmitten prächtig blühender alter Birnbäume und halten kurz inne. Bäume blühen überall, / Die Blumen blühen wieder, / Und wieder singt die Nachtigall / Nun ihre alten Lieder. / … c– das sagt uns der Dichter August Heinrich Hoffmann von Fallersleben zur prächtigen Frühlingsszene. Wir holen eine Birne aus unserem Picknickkorb und können nun auch schmecken, was wir hier so herrlich blühend heranwachsen sehen. Und vielleicht nehmen wir uns fest vor, im Herbst noch einmal hierher zu kommen. Dann können wir die leckeren Rieselfeld-Birnen von diesen Bäumen kosten (und dabei lesen wir uns dann Fontanes Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland vor …).

Wenig später steigen wir auf den Aussichtsturm, und beim Blick von oben auf den Teich mit seinem gefiederten Getümmel und Frühlingslärmen verspüren wir vielleicht die pure Lust am Dasein …  – apropos Dasein: Das ist das Stichwort, das uns zu PPA – das ist: Peter Paul Althaus – führt, dem 1892 in Münster geborenen und ab 1921 in München-Schwabing lebenden und arbeitenden Wortkünstler. Für ihn ist das mit dem Dasein so eine Sache: Dr. Enzian, als Existenzialist, beweist / den Begriff des Daseins, dass er nie verreist. / Wenn er reise, sagt er, würd’ er fort sein / und sein Dasein wäre dann ein Dortsein. – Manch einer in Münster meint übrigens, dass PPA in seiner Geburtsstadt ruhig etwas bekannter sein dürfte … (Immerhin gibt es in Kinderhaus – seitlich in einem Wohngebiet – eine nach ihm benannte Straße.) Vermutlich würde PPA damit einverstanden gewesen sein, wenn man ihn als durchaus seelenverwandt mit weitaus bekannteren Meistern des (scheinbar) absurden Wortes bezeichnet, wie zum Beispiel der Dichter Christian Morgenstern. Der sagt uns etwa, wie sich das Galgenkind die Monatsnamen merkt (wir versuchen, uns auf die Frühlingsmonate zu konzentrieren): Jaguar / Zebra / Nerz / Mandrill / Maikäfer / Pony / Muli / Auerochs / Wespenbär / Locktauber / Robbenbär / Zehenbär. – Oder Schriftsteller Joachim Ringelnatz, der nach dem genaueren Beobachten eines lustigen Piepmatzes gleich abhebt, sozusagen: Wenn ich zwei Vöglein wär, / Und auch vier Flügel hätt, / Flög die eine Hälfte zu dir, / Und die andere, die ging auch zu Bett, / Aber hier zu Haus bei mir. / … – Oder Kaberettist und Komiker Heinz Erhardt, der an Ostern seine Gefühle sortiert: Wer ahnte, dass zum Weihnachtsfest / Cornelia mich sitzenlässt? / Das war noch nichts: zu Ostern jetzt / Hat sie mich abermals versetzt / Nun freu ich mich auf Pfingsten - / Nicht im geringsten! – Noch’n Gedicht? Nein, das muss reichen.

Wir verlassen den Turm und fahren zur Gaststätte „Heidekrug“. Hier gibt es einen sehr schönen Biergarten, und auch der Aufenthalt in dem über hundert Jahre alten Gebäude des Gasthofs macht Eindruck. Am denkmalgeschützten Tresen von 1910 vorbeigehend, können wir die kleine Hermann-Löns-Gedächtnis-Ecke im linken Gastzimmer erreichen. Der junge Hermann Löns, Schüler und später Student in Münster, war ein besonderer Besucher dieser Gegend, die vor der Nutzung als Rieselfelder ein Heide­gebiet gewesen war. Als Student der Naturwissenschaften betrieb Löns leidenschaftlich gern Studien am lebenden Objekt. Sein besonderes Interesse galt den Weichtieren, und die konnte er in Hülle und Fülle in der Coerheide finden. Dabei hat er hier tatsächlich eine bis dahin unbekannte Schneckenart entdeckt, und weil er ein großer Fan von Annette von Droste-Hülshoff war, gab er ihr (der Schnecke) den wissenschaftlichen Namen Planorbis Albus drostei. In der Erinnerungsecke kann man übrigens auch einen Hinweis darauf finden, dass der Heide-Dichter bereits in jungen Jahren seinen Gelüsten in durchaus derber Art und Weise nachging: Einem Strafregisterauszug von 1889 entnehmen wir, dass das Schöffengericht Münster den stud. med. Hermann Löns wegen Ruhestörung, Beleidigung und Widerstand gegen die Staatsgewalt zu fünf Tagen Gefängnis, ersatzweise 45 Mark Geldstrafe, verurteilt hat. Den Frühling spürte der junge Löns am liebsten bei der Pleister Mühle am Strand der Werse: Der blaue und der weiße Flieder / umflutet meine Lauchenbucht. / Goldregen pendelt auf mich nieder, / Der blütenschweren Zweige Wucht. / Vor mir der Fluss mit Kahn und Mühle, / … – (Die Meinungen zu Löns’ Vita und seinen lyrischen Versuchen gehen durchaus auseinander …)

"es ist doch ein lieber heimlicher ort..."

durch Wiesen und Felder und später durch ein Wäldchen – erfreuen wir uns noch einmal mit Johann Wolfgang Goethe an der frühlingshaft erwachten Natur: Wie herrlich leuchtet / Mir die Natur! / Wie glänzt die Sonne! / Wie lacht die Flur! // Es dringen Blüten / Aus jedem Zweig / Und tausend Stimmen / Aus dem Gesträuch // Und Freud und Wonne / Aus jeder Brust. / O Erd, o Sonne! / O Glück, o Lust! // … – Im Gut Kinderhaus – unter anderem Arbeitsstelle für etwa 40 Menschen mit Behinderungen – gibt es ein Café (mit leckerem Kuchen!) und einen Hofladen.

Nun nehmen wir eine etwas längere Strecke unter die Pedale, bis wir am Haus Rüschhaus angekommen sind, dem vom Barockbaumeister Johann Conrad Schlaun Mitte des 18. Jahrhunderts entworfenen (und von ihm genutzten) Landhaus-Anwesen. Etwa 80 Jahre später erwirbt die Adelsfamilie von Droste-Hülshoff das Rüschhaus und ab 1826 lebt hier Annette. Es ist doch ein lieblicher, heimlicher Ort, das Rüschhaus! – das schrieb sie einmal an eine Freundin. In ihrem Schneckenhäuschen – ihrem Wohn- und Arbeitszimmer im Rüschhaus – entstand ein Teil ihres dichterischen Werks (z. B. Die Judenbuche) Wir erfreuen uns – am besten verweilend im blühenden Garten des Rüschhauses – zuerst an einem ihrer hübschen Gedichtchen, die sie schon als Kind aufs Papier brachte. Ein Blümchen ist so wunderschön, / Gelobt von allen, die es sehn, / Es ist das Blümchen, welches spricht: / Vergissmeinnicht. / Dies Blümchen hab ich oft gepflückt, / Die Farbe hat mich stets entzückt, / Weil jedes Mal sie zu mir spricht: / Vergissmeinnicht. Und in späteren Jahren singt Annette von Droste-Hülshoff so vom Frühling: Die Rebe blüht, ihr linder Hauch / Durchzieht das tauige Revier, / Und nah und ferne wiegt die Luft /  Vielfarb’ger Blumen bunte Zier. // Wie’s um mich gaukelt, wie es summt / Von Vogel, Bien’ und Schmetterling, / Wie seine seidnen Wimpel regt / Der Zweig, so jüngst voll Reifen hing. // … – Es ließe sich noch einiges mehr von „der Droste“ rezitieren, das wunderbar zu unserer Frühlingstour passen würde, doch wir fahren jetzt weiter.

Höre der Nachtigall Worte: „Der Lenz kam so schön!“ / Sieh, wie im Garten Gedränge der Lenz lässt entstehn! / … – so sang es etwa um 1500 (natürlich in seiner Sprache) der orientalische Dichter Meshi aus Pristina. Das bunt-blühende Gedränge im Garten – wo wäre es besser zu bestaunen und zu genießen als im Botanischen Garten … Vielleicht promenieren wir ein wenig durch die bunte Pracht von Kamelien, Narzissen und Schlüsselblumen und setzen uns auf eine Bank am Gartenteich. Dann spannen wir mit Hilfe des bekannten Heimatdichters Augustin Wibbelt den Frühlings-Bogen aus dem fernen Orient ins bodenständig-nahe Münsterland. (Wir können ein bisschen Mönsterlänner Platt und wissen deshalb, dass das Pöggsken ein kleiner Frosch ist und der Gausemann eine Gans.) Pöggsken sitt in’n Sunnenschien / o watt is dat Pöggsken fien / met de gröne Bücks, / Pöggsken denkt an nix. // Kümp de witte Gausemann / hätt so raude Stiwweln an, / mäck en graut Gesnater. // Hu wat fix / springt dat Pöggsken met de Bücks, / met de schöne gröne Bücks, / met de Bücks in’t Water.

Weiter geht’s für uns zur Schulstraße. Sollten wir an den frühen Frühlingstagen während Sakura der japanischen Kirschblüte, unterwegs sein, können wir hier einen überwältigend-beeindruckenden Farbrausch in Rosa erleben. .../ Sakura, Sakura, / der Frühlingshimmel / Soweit das Auge reicht. So heißt es dazu in einem japanischen Volkslied. (Sollte Sakura schon vorbei sein, gönnen wir uns vielleicht eine kleine Pause bei Mutter Birken. Diese Gaststätte kannte übrigens auch Hermann Löns sehr gut; auf seinem Weg in die Coerheide regulierte er hier gerne seinen Alkoholpegel …)

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"Liebe stadt im Lindenkranze..."

Unter dem zartgrünen Lindendach der Promenade fahren wir bis zur Kreuzschanze. Dort treffen wir Annette von Droste-Hülshoff wieder, und von ihr lassen wir uns gerne an diesem schönen Ort noch einmal vom Frühling berichten. Es war an einem Morgen, / Die Vöglein sangen süß, / Und übern Rasen wallte / Der schönste Blumenvließ. / Das Börnlein mir zur Seite / Sprang leise, leise fort, / Mit halbgeschlossnem Auge / Saß ich und lauschte dort. // ... – Längst haben wir auch das Brunnen-Ensemble der amerikanischen Künstlerin Nicole Eisenman entdeckt, das dank einer beharr­lichen Bürgerinitiative hier wieder aufgebaut wurde; während der Skulpturprojekte 2017 gehörte es zu den beliebtesten der zahlreichen Ausstellungsobjekte und -aktionen im öffentlichen Raum. Wir lassen den Brunnen auf uns wirken, vielleicht entdecken wir ja den Regenbogen, der – natürlich nur, wenn die Sonne scheint – im Schleier der feinen Wasserstrahlen zu sehen ist, die aus einer Bierdose oder aus einer sonst uner­warteten Quelle kommen. (Mehr zum Brunnen auf deinbrunnen4ms.de). Wir schauen noch einmal zur Annette-Büste: Können wir da nicht, mit ein bisschen Imagination, an ihrem Gesichtsausdruck erkennen, wie diese starke Frau aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts durchaus interessiert-wohlwollend auf Nicole Eisenmans Arbeit aus dem 21. Jahrhundert blickt und sich vielleicht innerlich freut, dass an diesem Ort der Promenade solch ein weiter Zeitbogen gespannt ist?
Wir bleiben auf der Promenade und machen unseren nächsten Halt an der Synagoge. Wir stehen an der – der Promenade zugewandten – Rückseite des jüdischen Gotteshauses. Dieses moderne Gebäude wurde 1961 eingeweiht; es steht genau dort, wo schon der Vorgängerbau von 1880 stand, der in der Pogromnacht 1938 von einem nationalsozialistischen Mob mutwillig zerstört worden war. Diesen Akt der Barbarei hatte der 1935 verstorbene Eli Marcus nicht mehr miterleben müssen. Er gehörte zu der rund 700 Mitglieder um­fassenden Jüdischen Gemeinde in Münster, und war, wie alle seine Glaubensbrüder und -schwestern, in der münsterschen Stadtgesellschaft bestens integriert. Er ragte sogar ein Stück heraus, war er doch nicht nur als Kaufmann (Schuhgeschäft Marcus) ein an­gesehener Bürger Münsters, sondern bekannt und äußerst beliebt als Schriftsteller und münsterscher Mundart­dichter. Er trat in (von ihm geschriebenen) Theaterstücken auf, die in Professor Hermann Landois’  Zoologischer Abendgesellschaft das Publikum begeisterten. Ein in die Stadtgesellschaft integrierter Bürger jüdischen Glaubens also; doch es schützte ihn nicht vor Ausgrenzung und Verfolgung ab 1933. Eli Marcus liebte sein Münsterland, und das nicht nur im Sommer, im Herbst und im Winter: … / O Münsterland, mein Heimatland, / … / O Münsterland im Frühlingskleide, / Mein Stolz und meine Augenweide. / ...
Unsere literarische Frühlingsfahrt geht nun zu Ende, wir sind wieder auf dem Domplatz. Einen kleinen lyrischen Schlusspunkt setzen wir mit dem – nebenan in Lüdinghausen lebenden – Frantz Wittkamp (siehe MÜNSTER!  #98), der so viele schöne Gedichte für Kinder geschrieben hat, zum Beispiel dieses: Vielleicht // Vielleicht hast du morgen ein Königreich, / vielleicht, und vielleicht auch nicht. / Und wenn du es nicht hast, weine nicht gleich, / du hast ja dieses Gedicht.

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Unser Tourenvorschlag
Literarische Leezen-Tour

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Start und Ziel
Domplatz Münster

Tourlänge
etwa 36 Kilometer


Wir starten am Domplatz (S) und fahren nach rechts über den Prinzipalmarkt, nach links über Klemens- und Loerstraße, dann nach links über die Windthorststraße, bis wir, nach rechts abbiegend, auf die Promenade (1) kommen, die wir bis Am Kanonengraben fahren. Nun biegen wir nach rechts in die Aegidiistraße ein und fahren nach rechts über Rothenburg und Prinzipalmarkt bis zur Lamberti­kirche. (2) Nach Drubbel und Roggenmarkt geht’s rechts ab in die Neubrückenstraße, vorbei an der Apostelkirche (3) bis zum Theater. (4) Wir fahren weiter über die Neubrückenstraße, folgen ihr nach links auf die Kanalstraße. Nach wenigen Metern biegen wir nach links ab auf die Promenade.

Wieder nach wenigen Metern fahren wir nach rechts zum Coerdeplatz, folgen dann der Wermeling- und der Langemarckstraße (dabei queren wir den Cheruskerring) bis in den Wienburgpark und dort immer in nördliche Richtung; die Sperren an der Busspur passieren wir schiebend, fahren durch das kleine Wäldchen und dann nach rechts bis zur Wienburg. (5) Weiter geht es in östliche Richtung; wir queren die Kanalstraße geradeaus, fahren vor bis zur Landwirtschaftskammer und dort nach rechts auf den Rad- und Fußweg, dem wir bis zum Ende folgen; eine Spitzkehre nach links bringt uns zur Bahn-Unterquerung; nun fahren wir nach rechts (Rad-Wegweisung → Mauritzviertel) in die Straße Im Hagenfeld, nehmen die übernächste Straße nach links (Vivaldistraße), fahren nochmals kurz nach links (Hoher Heckenweg), den wir nach rechts überqueren in den Markweg (Rad-Wegweisung → Mariendorf). Bald sind wir, nach einem Schlenker nach links und einem nach rechts (und der Rad-Wegweisung → Gelmer folgend) an der Schleuse. Für die nächsten 4,5 Kilometer nutzen wir den Kanalseitenweg. In Höhe des Ölhafens Gelmer fahren wir nach links durch das kleine Wäldchen, wieder nach links (Coerheide) und bei der Ruhebank (Rad-Wegweisung → Rieselfelder) nach rechts. Bei der folgenden T-Kreuzung geht es für uns nach rechts, wir folgen der Linksbiegung des Weges und stehen dann schon unter den blühenden Rieselfelder-Birnbäumen. (6) Wir folgen dem Weg weiter geradeaus und sind nach 300 Metern am Aussichtsturm. (7) Nun fahren wir vor bis Coermühle und dort nach links bis zur Gaststätte „Heidekrug“. (8) 

Den Heidekrug verlassen wir über Coermühle in südwestliche Richtung, queren die Bahntrasse geradeaus (weiter: Coermühle), queren später die Sprakeler Straße geradeaus in die Straße Am Knapp, queren dann geradeaus Am Max-Klemens-Kanal (weiter: Am Knapp), fahren 300 Meter an der Obstplantage vorbei, queren nach links die Bahnlinie und folgen dem Waldweg bis zum Gut Kinderhaus. (9) Wir verlassen das Gelände am rückwärtigen Ausgang und biegen gleich nach links ab in den Wald, fahren dann nach rechts Nordmark, nach links Heidegrund, nach rechts Brünigheide, nach rechts Alte Schanze, nach links Brünighagen (leicht bergauf), nach rechts Gasselstiege und nach links Vorbergweg. Nach der Linksbiegung folgen wir dem rechts abgehenden Pättken zur Steinfurter Straße, fahren dort nach rechts und überqueren die Autobahn. In Höhe des Friedhofs nutzen wir den auf der anderen Straßenseite befindlichen Durchgang zum Alexander-Hammer-Weg, fahren auf diesem und dann weiter Flamenstraße, Mörikestraße, nach links Hermann-Hesse-Straße, nach links Am Rüschhaus (B 54 unterqueren) und nochmals nach links bis zum Rüschhaus. (10) Wir folgen dem unbefestigten Weg entlang der Gräfte, bewältigen die kleine Brücke über die Autobahn, fahren nach links Am Gievenbach, dann nach rechts Horstmarer Landweg bis zum Ende, nach rechts Orléans-Ring, nach links Einsteinstraße, nach rechts Hittorfstraße und dort in Höhe des Hauses Nr. 51 nach links bis Am Schlossgarten. Im Rechtsknick der Wohnstraße fahren wir geradeaus ins Grüne und überqueren wenig später nach rechts die Schlossgarten-Gräfte. Durch den Schlossgarten erreichen wir den Botanischen Garten. (11) Rechts am Schloss vorbei geht’s zum Schlossplatz, wir wenden uns nach links auf die Promenade, queren an der Ampel das Neutor, fahren sofort nach links und dann nach rechts in Lazarettstraße und nach links in Schulstraße (12) und dort bis zum Gasthof Mutter Birken. 

Von Mutter Birken fahren wir zurück bis zur Lazarettstraße, folgen dieser kurz nach links und kommen dann im rechten Bogen hoch zur Promenade; hier halten wir uns links bis zur Kreuzschanze. (13) Weiter geht es auf der Promenade, wir queren Am Kreuztor, Neubrückentor und Salzstraße und sind schließlich auf Höhe der Synagoge. (14) Wir genießen weiter die Fahrt über die Promenade, queren die Windthorststraße und biegen dann nach rechts in die Ludgeristraße ein. Über Königstraße und (nach rechts) Rothenburg erreichen wir den Prinzipalmarkt und – mit unserem allerletzten Abbiegevorgang (nach links) – schließlich unser Ziel, den Domplatz. (S) 

Radeln ist einfach schön!