MÜNSTER! Magazin

Typisch Wolbeck – ist unter anderem die Hofstraße , die den Ort charakteristisch repräsentiert. Foto: Cornelia Höchstetter  

N°123


Wolbeck – zwischen Wald und Bach

Münster ist wie ein Puzzle. Viele Teile ergeben das ganze Bild. In unserer MÜNSTER!-Serie stellen wir unsere Stadtteile vor. Diesmal sind wir im Stadtbezirk Süd-Ost: iWolbeck. Dort finden wir den karnevalistischen Ruf „HIPP HIPP, MECK MECK“ und vieles mehr.

Text Cornelia Höchstetter


WO IST WOLBECK?

Im Südosten – es ist der Übergang zum Münsterland. Im Westen fließt die Werse, durch den Ort selbst die Angel und der Piepenbach. Die Bevölkerung Wolbecks (mit Angelmodde und Gremmendorf) wächst so schnell wie in keinem anderen Stadt­bezirk. Derzeit leben in Wolbeck 10.300 Einwohner. 

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Heute wie Gestern: Das Schwarzweiß-Bild zeigt den Kinderumzug von 1959. Foto: ZiBoMo Wolbeck e.V.

Historisches 

Von 1185 stammt eine Urkunde „über Einkünfte aus zwei Höfen bei der ,Walbeke‘. Hier errichtete Bischof Ludolf von Holte im 13. Jahrhundert auf einem künstlichen Burg­hügel eine Niederungsburg. Der Ortsname „Walbeke“ oder „Wolbeck“ kommt von „Wald“ und „Bach“  – „ob das die Angel oder der Piepenbach war, ist strittig“, sagt Alfons Gernholt, stellvertretender Vorsitzender des Heimatvereins. Im Jahre 1310 wurde Wolbeck als „Civitas“, also Stadt benannt. Später setzte sich der Begriff „Weichbild/Wigbold“ durch, der sich bis heute umgangssprachlich für den historischen Ortskern hält. Das Bürgerforum hat deshalb den „Wigbold-Rundgang“ (Länge 2,1  Kilometer) ausgeschildert. Ende des 14. Jahrhunderts wird Henricus de Merevelde Burgmann des Fürstbischofs. Ein Nachfahre, Dirk von Merveldt schon als Erbdroste, erbaut 1545 und 1557 den Drostenhof (siehe „Schönstes Haus“). 1893 weihte Dr. Wilhelm Lackmann die „Wasserheilanstalt“ ein. Wolbeck war 65 Jahre lang ein Kurort, mit Kurpark, Kurhaus, Flussbad, Springbrunnen, Tennis- und Kricketplätzen und Wandelhallen. In den 1960ern wurde Wolbeck gar zum Kneipp-Ort. Doch der Plan von einem Kurzentrum mit 1.000 Patientenbetten platzte. Mitte der 1970er war Schluss, weil Gäste und Investoren ausblieben. 1975 wurde Wolbeck nach Münster eingemeindet.

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Foto: ZiBoMo Wolbeck e.V. 

Was ist Typisch Wolbeck?

Mit zynischem Blick empfinden viele Wol­becker die Baustellen als typisch – die schmalen Bürgersteige und engen Straßen. Positiv dagegen: Wolbeck hat viele kleine Fachgeschäfte, meist inhabergeführt: Wein, Wolle, Bücher, Apotheken, Schmuck, Hundezubehör, Dekoläden, Spielwaren Peppinghaus (die Kunden kommen aus ganz Münster!) und mehr. „Selbst in den Hinterhöfen entdeckt man regelmäßig etwas Neues!“, findet Heike Schapmann, Vorsitzende des Gewerbevereins Wolbeck.

Wie lebt es sich da?

Ländlich, im Ortskern dicht aneinander, persönlich, eigenständig. In Wolbeck blüht das Vereinsleben: im ZiBoMo Wolbeck e.V. ein Karnevalsverein für den Wolbecker Ziegenbocksmontag (siehe „Was wird gefeiert“), Schützenverein TV Wolbeck, Heimatverein, Bruderschaft, Reitverein St. Hubertus Wolbeck von 1924 (dort engagieren sich u.a. die Familien Snoek und Vornholt, große Namen aus der internationalen Pferdeszene) und viele mehr. Außerdem trifft sich die Jugend im Kulturzentrum am Bahnhof.

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Das Ziegenbocksdenkmal wurde 1959 aufgestellt – und thront heute zwischen Markt und Kreisel. Foto: Cornelia Höchstetter

Wer Arbeitet dort?

Familienunternehmen, kleine Betriebe und der Mittelstand prägen den Stadtteil. Ein größeres Gewerbezentrum  liegt an der Münsterstraße und um die Windmühle (von der noch der Rumpf erhalten ist). Dort findet man IT-Firmen, den Ableger von Bertelsmann, Arvato, Physiotherapeuten und andere Gesundheitsberufe, Druckereien, ein großes Fahrradgeschäft, Bauunternehmer, Autowerkstätten, Handwerksunternehmen, das Bildungszentrum Gartenbau und Landwirtschaft für die berufliche Weiterbildung und vieles mehr.

Was WIrd Gefeiert?

Allen voran der Ziegenbocksmontag (ZiBoMo): Eine Woche vor Rosenmontag ist Wolbecks Volksfeiertag, und Münsters berühmtester (ok – neben dem Rosenmontagszug in der Stadt) Karnevalszug marschiert durch den Ort. „Das Besondere am ZiBoMo ist, dass wirkliche alle Altersgruppen mit Frohsinn einbezogen sind – vom Kindergartenkind bis zu den Seniorenheimbewohnern“, erklärt Präsident des ZiBoMo-Vereins (der ein eigenes Museum hat!), Torsten Laumann. Allein der Kinderkarneval wird mit 600 Kindern gefeiert. Weiter gibt es ein Schützenfest, die Fußballwoche und die „Lichternacht“: Der Gewerbeverein lädt am Wochenende vor dem ersten Adventswochenende ein: mit Feierlichkeiten, Rahmenprogramm und geöffneten Geschäften bis 22 Uhr.

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Das Farbbild ist von 2023. Links das Wappen vor dem Museum in der Neustraße. Foto: ZiBoMo Wolbeck e.V. 

Who is WHo?

Wichtiger Wolbecker war der Zahnarzt Dr. Hermann Peters (1898–1964), genannt PeWo (Peters Wolbeck), als Gründer des ZiBoMo. Wolbecks Grafen leben im oder um den Drostenhof (siehe „Schönstes Haus“), aktuell Franz-Pius Graf von Merveldt und seine Frau sowie der Sohn Benedikt Graf von Merveldt. Heike Schapmann zählt Annegret Richter zu den Who Is Who: „Sie ist die gute Seele von Wolbeck, sie hilft, wo sie kann und ist sehr engagiert im Kirchendienst.“ Bezirksbürgermeister für Münster-Südost, Peter Bensmann, schließt alle Vereine und Gruppen in das Who is Who in Wolbeck ein.

Ab ins Grüne

Wolbecks Hauptattraktion ist der Wolbecker Tiergarten (288  Hektar, siehe MÜNSTER! Magazin Januar 2021). Im 13. Jahrhundert bestand Wolbecks Umgebung zu 75 Prozent aus Wäldern, es war das Jagd­gebiet für die Fürsten: geflochtene Holzzäune und Wallanlagen (heute noch zu erkennen!) wurden errichtet. Der Wald war eingefriedet, und das Wild kam nicht mehr weg. Daher der Name „Tiergarten“. Heute ist der Wolbecker Tiergarten von hochgewachsenen Laubbäumen und den alten Eichen geprägt. Teile des Waldes sind vom NABU als „Wildnisgebiet“ und „Naturwald­zelle“ ausgeschildert.

Das schönste Haus?

Es mangelt nicht an schönen Gebäuden! Allen voran der Drostenhof, das Wolbecker Schloss mit Torhaus, Wirtschaftsflügel, Herrenhaus mit Treppenturm mitten im Ort. Es gilt als das bedeutendste Renaissancegebäude Westfalens. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren zeitweise Heimatvertriebene untergebracht. Von 1975 bis 2012 war das Westpreußische Landesmuseum beheimatet. Inzwischen ist es privat genutzt und der Park seit 2021 abgeschlossen – wofür manche Wolbecker wegen des geschehenen Vandalismus’ Verständnis haben – andere nicht, denn der Park wurde über 50 Jahre von den Wolbeckern genutzt.
Wunderschön ist auch das Fürstbischöfliche Jagdhaus im Wald, prächtig das Gut Fronhof Richtung Alverskirchen (dort wurden Grubenpferde gezüchtet) oder an der Hiltruper Straße 85 das Haus Dahl (erwähnt im 12. Jahrhundert, erbaut 1621). Bezaubernd ist die Villa Volt an der Angel: Die Wolbecker Tanja und Gordon Brandenfels haben den Trafoturm restauriert und in ein Gartenhaus verwandelt.

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Am Übergang von der Münsterstraße zum „Am Steintor“ blickt man auf den Drostenhof und die enge Straße. Rechts: die Villa Volt. Fotos: Cornelia Höchstetter

Bestes Vorzeigeprojekt?

Der ZiBoMo/Ziegenbocksmontag – der Name geht darauf zurück, weil um 1900 über 230 Ziegen auf Höfen und in Haushalten gelebt haben – die Ziege als die Kuh des kleinen Mannes, für Milch und Käse und um dank des Körperduftes Ungeziefer und Ratten fernzuhalten. Auch der ZiBoMo-Gründer und Zahnarzt Dr. Hermann Peters hielt Ziegen. Deshalb belebte er als Vorsitzender des Heimatvereins im Jahr 1952 den beinahe eingeschlafenen Ziegenbockmontag. Bis dahin sind an dem Feiertag Männergruppen mit einem Ziegenbock betrunken durch den Ort gezogen. 1954 wurde die Karnevalsgesellschaft ZiBoMo gegründet, der erste Umzug fand 1957 statt. Wolbecks Karnevalsprinz heißt passenderweise „Hippenmajor“ (bedeutet so etwas wie „Ziegenmajor“).

Essen und Trinken

Radtourenfahrer kennen in Wolbeck die Eisdiele Misurina am Markt. Echt westfälisch und richtig lecker isst man in der Kiepe oder bei Sültemeiyer. Es gibt einige Cafés, zwei Italiener, Döner-Buden, die Hinkelmann Fleischerei ist bekannt für ihre Töttchen.

Größtes Problem?

Der Verkehr, die enge Ortsdurchfahrt, die fehlende Anbindung des Ortes über die Eschstraße zur Umgehungsstraße. Deshalb wird es im Juni und Juli laut Bürgermeister Peter Bensmann zu einem „Real Labor“ kommen. Wegen der drei Baustellen mitten im Wigbold wird eine Seite der Straße komplett gesperrt. „Das Verhalten der umgeleiteten Autofahrer soll zeigen, ob künftig die Anbindung über die Eschstraße an die Umgehungsstraße entsprechend nötig sei, um den Verkehr aus dem Wigbold zu nehmen“, kommentiert Peter Bensmann.   

Warum sollten sie Wolbeck unbedingt besuchen?

Die einen sagen, wegen des Waldes, die anderen heben die alte Bebauung hervor. Heike Schapmann vom Gewerbeverein bringt es auf den Punkt: „Wenn Sie persönliche Beratung in Fachgeschäften mögen, ein wertschätzendes Miteinander – dann kommen Sie mal nach Wolbeck!“

Zukunftspläne

Zwischen Wolbeck und Telgte wächst die Justizvollzugsanstalt Münsters (JVA) die fünf Meter hohen Mauern stehen bereits. Ende 2023 soll mit dem Bau der 14 Gebäude auf dem Gefängnisareal begonnen werden, der Betrieb startet voraussichtlich Mitte 2026. Neue Wohnbebauung soll es in Wolbeck-Nord mit Einfamilienhäusern geben und auf acht Hektar zwischen der Straße „Berdel“  und dem Piepenbach im Osten von Wolbeck. Hier ist Mix von Mehr- und Einfamilienhäusern mit Kita und Grünflächen geplant.
Auf der geplanten Münsterland-S-Bahnstrecke der Westfälischen Landes-Eisenbahn GmbH (WLE) zwischen Münster und Sendenhorst wird Wolbeck eine von fünf Haltestellen in Münster sein, sogar einer der größeren Bahnhöfe  mit zwei Schienen werden. Die Verbindung zum Hauptbahnhof soll acht Minuten dauern. Unumstritten ist das Projekt nicht, zudem sich der Zeitplan immer wieder nach hinten verschiebt. Voraussichtlich ist der Baubeginn 2024, Inbetriebnahme in der zweiten Jahreshälfte 2026.

muenster.org/wolbeckentdecken
heimatverein-wolbeck.de
buergerforum-wolbeck.de
gewerbeverein-wolbeck.de
bahnhof-wolbeck.de
zibomo.de

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Der Piepenbach darf sich sein neues Bachbett suchen und ungelenkt vor sich hin mäandern. Foto: Cornelia Höchstetter 

Karfreitag im Tiergarten

Am Karfreitag, 7. April, führt Udo Wellerdieck vom NABU inzwischen schon traditionell durch den Wolbecker Tiergarten und erzählt von Waldbewohnern und der Kulturgeschichte. Treffpunkt ist 10 Uhr auf dem Parkplatz Alverskirchener Straße, Bushaltestelle „Im Bilskamp“, Kosten: 9 Euro. 

Infos: Telefon 0151/51563638 oder udo.wellerdieck@gmx.de