MÜNSTER! Magazin

Mit der MÜNSTER!-Radtour von Stapelskotten nach Warendorf. Foto: Cornelia Höchstetter

N°134


Im Zickzack nach Warendorf

Der Plan war in die Karte eingezeichnet, die Knotenpunkte notiert –  und dann kam so einiges anders. Unsere zweite große Frühjahrsradtour führt uns zu herzlichen Münsterländern, kleinen Häusern, großen Kirchen und ungewöhnlichen Museen bis zur ersehnten Tasse Kaffee am Warendorfer Marktplatz.   

Text cornelia höchstetter


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Brennerei Gerbermann. Fotos: Cornelia Höchstetter

KESSEL, KRÄUTER UND KORN

Die ersten Kilometer liegen hinter uns, Münster auch, der Blick schweift übers Land. Links und rechts des Radweges sind Felder. In einigen Wochen wird sich hier das Getreide im Wind wiegen. Nach der Ernte landet es dort, wo wir hinsteuern: in der Kornbrennerei Gerbermann in der Bauerschaft Püning vor Alvers­kirchen. Seit 2018 betreibt Familie Gerbermann einen Hofladen. „Das Brennen ist Familientradition. Seit 1870, heute macht die fünfte Generation Korn und Liköre“, sagt Anne Gerbermann, die im Hofladen steht. Früher haben Gerbermanns die Gaststätten in Münster beliefert. In die gläserne Brennerei darf man reingucken, die kupfernen Kessel bewundern, André Gerbermann bietet regelmäßig Führungen an und erklärt dabei, wie aus dem Korn von den eigenen Feldern ein gutes Destillat wird, was mit der Maische passiert und wie das mit dem Alkohol und dem Destillieren ist. Klingt kompliziert, ist aber im Endergebnis lecker. Im Hofladen gibt’s Minifläschchen, da darf man eins auch mal tagsüber öffnen und testen. Der Berdel Spezial zum Beispiel ist ein Kräuterlikör. Die beiden Gerbermänner sind sehr herzlich, erklären das Sortiment, erzählen vom Urgetreide namens „Emmer“, das sie anbauen. „Die Brände von Dinkel und Emmer sowie der Whisky sind 100 Prozent vom Hof“, ist Anne Gerbermann stolz, „und viele Rezepte sind alte Familiengeheimnisse“. Die Hofstelle gibt’s schon seit dem 14. Jahrhundert. Wer hierher einen Abstecher plant, sollte die Öffnungszeiten beachten.

Brennerei Gerbermann 
Püning 11, 48351 Everswinkel 
gerbermann.com

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Foto: Cornelia Höchstetter

MITMACH-MUSEUM

Up’n Hoff: So heißt das Mitmach-Museum in Everswinkel, das der Heimatverein betreibt. Das Motto: „Bäuerliche Geschichte zum Anfassen und Mitmachen“. Ist leider nur an Aktionstagen geöffnet. Wir haben uns die Nasen an den Fenstern plattgedrückt und einen hübschen alten Lanz-Traktor entdeckt. Am Sonntag, 14. April, ist es soweit: Dann ist der Aktionstag zur Saisoneröffnung von 14 bis 18 Uhr. Mitmachen können an diesem Tag die Besucher beim Kartoffeln pflanzen auf dem Feld in Wester.  

Up’n Hoff – Everswinkels Mitmach Museum
Wester 31, 48351 Everswinkel
bshv-everswinkel.de/museum/index.html

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Links: Gasthof Strietholt. Rechts: Brinkmann Geburtshaus. Fotos: Cornelia Höchstetter

WESTFÄLISCHES NEU INTERPRETIERT

Steffen Strietholt zog von Münster nach Everswinkel, verliebte sich eines Tages in den alten Gasthof Arning. Als er erfuhr, dass der neu verpachtet wird, machten sich der gelernte Koch und seine Frau Annika Haarmann mit der Gaststätte Strietholt selbständig. Was auf der Karte steht, stammt von lokalen Produzenten. „Ich will mich in der Küche verwirklichen“, sagt der Koch.  

Gasthof Strietholt
Vitusstraße 10, 48351 Everswinkel
gasthof-strietholt.de

Öffnungszeiten: Donnerstag bis Montag, 17–23 Uhr, 4. bis 8. April geschlossen
Voraussichtlich ab Mai an Wochenenden ab Mittag geöffnet. 

BRINKMANNS BISCHOFSHÄUSCHEN 

In diesem kleinen Häuschen erblickte Johann Bernhard Brinkmann 1813 das Licht der Welt – falls ein Lichtstrahl in das kleine Häuschen gefunden hat. Sein Vater wollte, dass er nach der Volksschule ein Drechsler wird. Der Junge hatte eigene Ideen: Er schaffte es, das Gymnasium Paulinum in Münster zu besuchen und dann stieg er die Karriereleiter hoch mit Theologiestudium und Priesterweihe 1839, 1857 wurde er zum Generalvikar des Bistums Münster benannt, Bischof von Münster war er von 1870–1889. Es war die Zeit des Kulturkampfes, der preußische Staat und die katholische Kirche stritten um die Kontrolle über Bildung, Kultur und kirchliche Angelegenheiten. Wieder stand Johann Bernhard Brinkmann zu seinen Vorstellungen, vertrat mutig die Interessen der katholischen Kirche. Er wurde verfolgt, saß im Warendorfer Gefängnis und lebte dann Jahre im Exil in den Niederlanden. So kam er zum Beinamen „Der Bekennerbischof“.

Brinkmann Geburtshaus 
Kirchplatz 4, 48351 Everswinkel

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Mit dem Rad durch das Golddorf Hoetmar, im Hintergrund die Pfarrkirche St. Lambertus. Foto: Cornelia Höchstetter

HOETMAR UND DIE LANDWIRTSCHAFT

Hoetmar ist Golddorf, gewann den Bundestitel 1975 und 2016. Mächtig wirkt die Pfarrkirche St. Lambertus, an der wir vorbei rollen. Im Hinterkopf notiert wird die Infotour Landwirtschaft. Die Stationen erzählen unterwegs über Lohnunternehmen, Sonderkulturen, sichere Lebensmittel und über die Erlebniswelt Boden. Wir werden nochmal vorbei kommen, und die 20 Standorte rund um das Golddorf abradeln – das wird eine neue MÜNSTER!-Tour!  

hoetmar.de

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Im Hintergrund: Die Freckenhorster Stiftskirche St. Bonifatius. Foto: Cornelia Höchstetter

DER „DOM“ VON FRECKENHORST

Hier hängt eines der größten Glockengeläute in ganz NRW – die Geschichte über die Freckenhorster Stiftskirche haben wir in Heft #93 (Juli/August 2020) gebracht. So stand es damals im MÜNSTER! Magazin: „Die sächsischen Adeligen Everword und seine Frau Geva gründeten 851 ein Stift in Freckenhorst. Sie stellten ihr Vermögen zur Verfügung, damit eine Kirche und ein Kloster gebaut werden konnten. Am 5. Juni 1129 wurde die Klosterkirche St. Bonifatius neu geweiht. Die Kirche ist typisch für die romanische Kirchenbaukunst: eine Burg Gottes mit regelrechtem Bergfried, meterdicken Wänden, gedrungenen Türmen, kleinen gerundeten Fenstern und Rundbögen. Bonifatius ist der Patron der Freckenhorster Kirche, weil St. Bonifatius, der im achten Jahrhundert als Missionar wirkte, die Großmutter des Everword der Überlieferung nach persönlich getauft habe. Sein Wanderstab, den er dem Täufling geschenkt haben soll, wird, mit Silber ummantelt, noch heute in der Stiftskammer aufbewahrt.“

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Links: Bürgerhaus des Klassizismus. Rechts: Gadem. Fotos: Cornelia Höchstetter

KLASSIZISTISCHES BÜRGERHAUS IN WARENDORF

Warendorf hat noch ganz schön viele alte Häuser, die eine Denkmalplakette tragen. Krumme kleine Häuschen, mal mit Backstein, mal weiße Fassaden, mal Fachwerk. Mancher Giebel beugt sich über die Gasse. War das die Idee für das dezentrale Stadtmuseum? Jedenfalls sind die Museumsstandorte verteilt. Etwa in der Kloster­-straße 7: Das Klassizistische Bürgerhaus wurde 1812/1815 gebaut, trägt heute eine lachsfarbene Fassade. Drinnen kleben an den Wänden von Gartensaal und Esszimmer handgedruckte Bildtapeten aus der Pariser Tapetenmanufaktur. Draußen wird’s spät nachmittags trubelig, weil in der Nachbarschaft Warendorfs Kino Scala öffnet.

Bürgerhaus des Klassizismus 
Klosterstraße 7, 48231 Warendorf 
Öffnungszeiten: sonntags und feiertags 15–17 Uhr

DAS KLEINE-LEUTE-HAUS

Gadems gibt es in Münster in der Marievengasse oder in der Lütken Gasse – und auch in Warendorf. Ein Gadem ist ein „Haus der kleinen Leute“. Das Warendorfer Gadem findet man in einer schmalen Straße namens Zuckertimpen. In der Nummer 4, auch Teil des dezentralen Stadtmuseums, lebten laut den Altstadtfreunden zum Beispiel ein Linnentuchmacher mit seiner Familie, später Schäfer, Taglöhner, ein Baumseidenmacher und ein Lokomotivputzer. Das Museum zeigt die Wohnsituation von Familien in den 1920er Jahren. 

Gadem 
Zuckertimpen 4, 48231 Warendorf  
Öffnungszeiten: sonntags und feiertags 15–17 Uhr

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Touren-Ziel erreicht: Der Warendorfer Marktplatz. Fotos: Cornelia Höchstetter

DIE MÜNSTER!-RADTOUR NACH WARENDORF
Von Ort zu Ort westwärts nach Warendorf

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Bei Wolbeck – auf dem Weg nach Warendorf. Foto: Cornelia Höchstetter