MÜNSTER! Magazin

Foto: Cornelia Höchstetter

Dezember 2020 N°97


Spaziergang durch ein Stück Münsterland

Das Venner Moor ist längst nicht mehr so gruselig wie zu Zeiten der Annette von Droste-Hülshoff. Ein Spaziergang durch ein Stück Münsterland, das über 6000 Jahre alt ist und beinahe wegen Torfstich und Kanalbau völlig verschwunden wäre.

Text Cornelia Höchstetter


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Foto: Cornelia Höchstetter

Drei Monate Landregen am Stück“, das wäre Kerstin Wittjens Weihnachtswunsch – mit dem sie sich wenig Freunde machen würde. Außer – mit dem Venner Moor und dessen Fans. Warum, erzählt die Biologin vom Naturschutzzentrum Kreis Coesfeld auf einem Spaziergang.

AM LIEBSTEN GLEICHMÄSSIG NASS 

Der große Teich ist nicht einmal der Höhepunkt der Tour. „Typisch für ein Moor ist nicht das offene Wasser, sondern die gleichmäßige Durchnässung des Gebietes“, erklärt Kerstin Wittjen. „Allerdings erkennt man die Dürre am Wasserstand: Vor etwa vier Jahren sah man maximal fünf Baumstümpfe, heute sind es erschreckend viele.“ Als vor etwa 6000 Jahren eine Regenzeit herrschte, füllten sich die Senken in diesem Teil des Münsterlandes mit Wasser, eine Stauschicht aus Lehm dichtete das Moor nach unten ab. Birken- und Kieferwälder sind langsam im im Morast versunken. So bildete sich das Hochmoor am Venner Moor. Kerstin Wittjen bückt sich und zupft eine Handvoll Grünes aus der Moor- Regenerationsfläche. „Das ist das Torfmoos, aus dem das Moor zu 70 Prozent besteht und das das Wasser speichert. Es fühlt sich an wie ein Schwamm.“ Nach unten sterben die filigranen Pflanzen ab und wachsen oben weiter. „Etwa einen Millimeter wächst ein Moor in einem Jahr“, erklärt Kerstin Wittjen. Ein Hochmoor konserviert. Weltweit sind drei Prozent der Oberflächen von Mooren bedeckt, die doppelt so viel CO2 binden wie alle Wälder zusammen. „Nur wenn das Moor austrocknet oder zerstört wird, setzt sich das CO2 wieder frei“, sagt Kerstin Wittjen.

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ENTWÄSSERT UND ABGESTOCHEN

Das ursprünglich fast 300 Hektar große Hochmoor nahe Münster hatte einst eine etwa drei Meter mächtige Torfablagerung. Das ist Vergangenheit. Ab dem Mittelalter bis in die 1970er Jahre wurde das Moor mit Gräben entwässert und der Torf per Hand mit dem Spaten abgebaut und zu Brennstoff getrocknet. Der Bau des Dortmund-Ems- Kanals um 1895 zerschnitt das Moor zudem. Aus der baumlosen Fläche entwickelte sich ein Wald. In den späten 1970er Jahren gab es die ersten Bemühungen, das Moor wieder zu vernässen. Seit 1990 steht das Venner Moor unter Naturschutz, Kerstin Wittjen kümmert sich seit 2002. Das Moor ist Lebensraum für Moorlibellen, Kreuzottern und auf den offenen Wasserflächen leben Krickenten. Das Waldklimafonds-Projekt von 2016 bis 2018 gab einen großen Schub – Bäume wurden gefällt, alte Gräben zerstört und blockiert sowie Spuntwände aus Holz am Rande der Moorflächen gebaut, um das Wasser und die Niederschläge im Moorgebiet zu halten. Dort, wo Wollgräser wachsen, wächst die Hoffnung für das Moor.

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Binsen und Baumstümpfe ragen aus zartem Eis. Foto: Cornelia Höchstetter

„O schaurig ist’s über’s Moor zu gehn, Wenn es wimmelt vom Heiderauche, Sich wie Phantome die Dünste drehn Und die Ranke häkelt am Strauche. Unter jedem Tritte ein Quellchen springt …“ VON ANNETTE VON DROSTE-HÜLSHOFF (1797–1841) aus dem Gedicht DER KNABE IM MOOR

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Die Holzbohlenwege sind für Kerstin Wittjen ein Skulptur-Projekt. Foto: Cornelia Höchstetter

UND WAS IST MIT DER MOORLEICHE? 

Kürzlich stand in der Tageszeitung: Feuerwehr rettete Mann aus dem Venner Moor. Kann man im Venner Moor unerbittlich versinken? Kerstin Wittjen schüttelt den Kopf: „Der Spaziergänger, der hier wohl ‚austreten‘ wollte, hat wahrscheinlich eines der wenigen wirklich moorigen Stücke erwischt. Stecken bleibt man dann, aber versunken wäre er nicht.“