MÜNSTER! Magazin

Golden Girls in Vereinskleidung 2023 zwischen den goldenen Sandsteinfassaden am Prinzipalmarkt. Foto: Claudia Menke

N°143


Karneval der Kalinen

Mit den Kalinen de Luxe hat Münster das erste Damenkorps im Karneval. 2021 gründete Sabina Schwarzwald einen Karnevalsverein für Frauen und ergänzt die Männerdomäne unter den Narrenkappen um einen Gegenpol mit Glitzer und guter Laune. 

Text cornelia höchstetter


MÜNSTER!: Seit wann sind Sie überzeugte Karnevalistin, Frau Schwarzwald? 

Sabina Schwarzwald:  Eigentlich schon immer. Ich bin von Natur aus eine Frohnatur, meine Eltern sind aus Berlin, entsprechend kommunikativ bin ich aufgewachsen. Mein Mann Gisbert ist Kölner und war dort natürlich im Karnevalsverein. Wir haben uns auf einer Altweiberparty kennengelernt und waren immer mit unserem Sohn beim Straßenkarneval. Beim Kinderkarneval genau wie in verschiedenen münsterschen Karnevalsvereinen war ich gerne aktiv. Weil wir oft in Köln auf den Mädchensitzungen waren, haben wir im Jahr 2020 selbst eine Mädchensitzung organisiert, in Albachten mit der Fastnachtskumpanei Die Wiedertäufer am Buddenturm. Es war die erste Mädchensitzung in Münsters Westen überhaupt, über 160 Frauen waren dabei, das Haus der Begegnung war ausverkauft.  

M!: Und dann kam Ihnen die Idee, eine eigene Karnevalsgesellschaft für Frauen ins Leben zu rufen? 

Wir hatten gute Kontakte zum Kölner Karnevalsverein Agrippinas Töchter und die haben mich in der Idee bestärkt – denn der Karneval ist ja tatsächlich eher eine Männerdomäne. Es ist einfach schwierig, eigene Ideen und Projekte durchzusetzen, und bis heute gibt es außer uns keinen karnevalistischen Verein in Münster, der in Frauenhand ist. Also habe ich mir einen Vorstand zusammengesucht – das erste Treffen hatte wir noch während der Corona-Pandemie und mussten uns im April 2021 per Videokonferenz besprechen. Wir haben am 22. September 2021 die Kalinen de Luxe e.V. gegründet. Nachdem die Westfälischen Nachrichten über uns berichteten, meldeten sich die ersten Anruferinnen. Inzwischen sind wir 149 Frauen (Sabina Schwarzwald, Birgit Reuter, Katrin Nelle und Gudula Steinbrede. sind aktuell im Vorstand) – aus verschiedensten Berufen und vom Alter her zwischen 28 und 79 Jahre alt. Wir sind ein richtiger Freizeitverein. Wir leben nicht nur für die vier Monate Karnevalszeit, wir treffen uns einmal pro Monat – wir gehen ins Theater oder zum Tanzen, haben mal einen Tag auf Norderney oder in Enschede verbracht, machen Radtouren, unterstützen als Streckenposten beim Münster-Marathon und feiern eine Weihnachtsparty im Zwei-Löwen-Club. Wir sind echte Freundinnen. Das Gute an den Kalinen ist, dass hier auch Frauen alleine kommen und mitmachen.  

„Inzwischen sind wir 149 Frauen – aus verschiedensten Berufen und vom Alter her zwischen 28 und 79 Jahre alt.“ Sabina Schwarzwald

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M!: Wie feiern Sie Karneval??  

Die Kalinen de Luxe e.V. feiern jedes Jahr im November eine große Motto-Tanzparty im Veranstaltungssaal Clubschiene. Im vergangenen Jahr war das unter dem Motto Thema ‚Schwarz-Weiß‘. 350 Feiernde waren dabei, total ausverkauft. Allerdings kommen weniger Karnevalisten – eine Party hat bei Münsters Karnevalsmännern noch einen schweren Stand. In diesem Jahr fahren wir noch mit 50 Kalinen nach Köln zur Matrosenparty der StattGarde Colonia Ahoi, mit dem Dreigestirn! 

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2023: Völlig losgelöst, aber sicher nicht abgehoben. Die Kalinen mieteten sich als Space Girls zum ersten Mal für den Rosenmontagszug einen Karnevalswagen. Foto: Claudia Menke

„Karneval ist Spaß haben, gute Laune haben, Freundschaft feiern – das alles ohne elitäre Strukturen.“ 
Sabina Schwarzwald

M!: Was machen Sie Rosenmontag? 

Für mich ist am Rosenmontag erst einmal ein großes Glücksgefühl, dass ich da als Präsidentin einer Karnevalgesellschaft dabei sein darf. In diesem Jahr sind wir mit 50 Kalinen auf zwei Rosenmontagswagen und mit 20 Fußgängerinnen auf Münsters Rosenmontagszug dabei – das Motto halten wir noch geheim. Was meinen Sie, wenn 70 Frauen feiern, wie das in unserer Gruppe abgeht! Unser Wurfgut ist fairgehandelte Bio-Schokolade.  Es ist ein großartiges Gefühl, wenn man am Rathaus vorbei fährt und der Präsident des Bürgerausschuss Münsterscher Karneval stellt uns vom Balkon aus vor – das geht runter wie Butter! Und nach dem Zug feiern wir im Rathauskeller weiter …

M!: Ihr Logo ist ein roter Pumps – warum? 

Das haben wir gleich am Anfang beschlossen: Der Vorstand trägt einen roten Pumps als Anstecker an der Baskenmütze. Das passt zu den Kalinen de Luxe. Auch auf unserer Standarte ist der Schuh zu sehen.

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Mindestens so wichtig, wie selber Spaß haben, ist den Kalinen, anderen Freude zu bereiten: den kranken Kindern und Erwachsenen im Familienhaus zum Beispiel. Foto: Claudia Menke
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Foto: Claudia Menke
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Foto: Claudia Menke

„Wir wollen Zeit schenken.“ Sabina Schwarzwald 

M!: Neben Karneval ist den Kalinen ein soziales Engagement wichtig. Was genau tun Sie? 

Wir wollen Zeit schenken: Einmal im Monat gehen einige Kalinen in das Familienhaus am Universitätsklinikum Münster (UKM). Im Juli 2021 trafen wir zum ersten Mal die Familien der krebskranken Kinder dort und die haben sich alle so gefreut! Wir haben zum Beispiel schonmal zusammen gekocht und kamen mit einem Auto an, das randvoll mit Lebensmittel war – dafür haben wir uns um Fördergelder vom Land bemüht. Wir haben Kissen gestopft für die Kinder, haben Plätzchen gebacken, haben Karneval gefeiert und Hütchen gebastelt, waren im Zoo und vieles mehr. Jede Kaline spielt hier ihre Talente aus. In diesem Familienhaus erfährt man so viel Wärme! Unser zweites Sozialprojekt ist der Verein Lichtblick e.V., ein Verein für psychisch und demenziell erkrankte Menschen und deren Angehörige in Münster.    

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Auf dem Kinderkarneval, noch vor der Kalinen-Zeit. Foto: Claudia Menke
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2024 bei den Fidelen Bierkutschern, Treffen mit Skateboard-Pioneer Titus Dittmann und Carsten Kramer vom BVB. Foto: Claudia Menke
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Atelierbesuch bei Designerin Sigi Spiegelburg. Fotos: Claudia Menke

M!: Wovon träumen die Kalinen? 

Die Karnevalsprinzessin für Münster zu stellen! Wir haben schon mit den münsterschen Karnevalsgesellschaften gesprochen, die nächsten drei Jahre sind schon mit Prinzen verplant. Danach werden wir uns bewerben, wir haben schon eine Idee und stehen parat. Das wäre ein Zeichen für alle Frauen – an der Universität, in der Politik und in der Wirtschaft stehen Frauen in erster Reihe – ausgerechnet im Karneval scheint das am langsamsten in Gang zu kommen …  

Danke für das fröhliche Gespräch und darauf ein dreifaches Helau!  

TERMINE

Samstag, 1. Februar  
Besuch der Damensitzung „Böse Geister“ im Jovel   
Samstag, 8. Februar 
Besuch der „Zickensitzung“ der KG ZiBoMo in Wolbeck 
Montag, 24. Februar  
Besuch Karnevalsumzug der KG ZiBoMo  
Donnerstag, 27. Februar  
Gemeinsames Feiern an Altweiberfastnacht 
Samstag, 1. März  
Party mit der „StattGarde Colonia Ahoj“ in Köln im Dorint Hotel 
Sonntag, 2. März 
Schlüsselübergabe am Rathaus  Münster/Prinzipalmarkt 
Rosenmontag, 3. März 
Rosenmontagsumzug in Münster 
Aschermittwoch, 5. März 
Sessionsabschluss und Fischessen 

wer wird die nächste „Kaline de luxe“?  

Im 1. Damenkorps der Stadt Münster, bei den Kalinen de Luxe e.V., kann jede Frau Mitglied werden – 30 Euro kostet der Jahresbeitrag. Vor dem endgültigen Vereinseintritt darf geschnuppert werden, Veranstaltungen gibt es einmal im Monat und viel mehr gemeinsame Unternehmungen jetzt im Karneval – die Karnevalstermine sind natürlich die Veranstaltungen der jeweiligen Karnevalsgesellschaften und offen für jede(n).  

kalinendeluxe.de

Ist Karneval ein Männer-Ding?

Der Karneval ist historisch männerdominiert, was tief in seinen Ursprüngen verwurzelt ist. Im Februar 2024 veröffentlichte die Kultur-Redakteurin Silke Wünsch von der Deutschen Welle einen Beitrag: „Kölner Karneval: Immer noch Männersache?“. Sie schreibt, dass die Neuausrichtung des Kölner Karnevals im Jahr 1823 durch das „Festordnende Comité“ den Grundstein dafür legte: Alle Figuren, wie der Prinz Karneval oder die Jungfrau, wurden von Männern verkörpert. Selbst die Tanzmariechen waren ursprünglich Männer in Frauenkleidern. Das beendeten die Nationalsozialisten, Silke Wünsch schreibt: „Grell geschminkte Männer in Frauenkleidern – das war viel zu nah dran an der Homosexualität – und die wurde unter dem Naziregime verfolgt und bestraft. So kam es, dass die Karnevalsvereine angewiesen wurden, im ‚Kampf gegen das Transvestitentum‘ nur noch Frauen als Tanzmariechen einzusetzen.“ Abgesehen von den Tanzmariechen waren Frauen bis in die 1970er Jahre aus wichtigen Teilen des Karnevals ausgeschlossen. Argumente waren die angebliche mangelnde Trinkfestigkeit oder fehlende Kostüme in Frauengrößen. Erst 1978 durften Frauengruppen dann im Rosenmontagszug mitgehen. Dennoch sind heute selbst in der Karnevalsmusik Frauen unterrepräsentiert.  

Die Kalinen de Luxe machen Münster bunter, genau wie etwa die Amelsbürener statt eines Prinzen die Lady Karneval an ihrer Spitze haben. Einen wirklichen Fortschritt schafften die Karnevalisten aus Metelen: Die KG Stadtwacht proklamierte mit Prinz Anne, Bauer Rike und Jungfrau Heike das erste rein weibliche Dreigestirn im Münsterland, sagt zumindest die Metelener Karnevalsgesellschaft. 

Das erste weibliche Dreigestirn im Münsterland 

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Foto: KG Stadtwacht/Klaus Prange

„Wir stürzen zusammen das Patriarchat“, ruft das erste weibliche Dreigestirn im Münsterland. Die Karnevalsgesellschaft Stadtwacht-Metelen e.V. präsentiert in dieser Session „Prinz“ Anne Meiring, „Bauer“ Rike Ruminski und „Jungfrau“ Heike Focke. Der Friduwi-Frauen-Schützenverein unterstützt die KG und ihren Präsident Ingo Tenkhoff. Am Donnerstag, 27. Februar, steigt die Altweiberparty im comoon am Seifenplatz (friduwi-frauen.de). Der Karnevalsumzug beginnt in Metelen am Samstag, 1. März, ab 14.30 Uhr.