MÜNSTER! Magazin

Foto: Michael Lemmerhirt

Januar 2021 N°98


"Unser Laden für Gimbte"

Ein Dorf macht sich selbständig: In Gimbte eröffnen 150 Gesellschafter und drei GeschäftsführerInnen einen Supermarkt – und (demnächst) ein Café. Endlich können die Gimbter vor Ort einkaufen.

Text Cornelia Höchstetter


Gisela Liesenkötter stellt Marmeladenglas, Brottüte und Tiefkühlpizza auf die Theke. Verkäuferin Susanne Fisch kassiert und Jutta Bellers freut sich derweil über den eigenen schnellen Einkauf und den „historischen Kassenzettel aus dem Dorfladen Gimbte mit der Nummer 2!“. Auf 150 Quadratmeter suchen drei weitere Gimbter Bürger nach Diesem und Jenem und füllen ihre Einkaufskörbe. Alles auf Abstand – und doch ist gut was los im neuen Gimbter Supermarkt.

NAHVERSORGUNG? FEHLANZEIGE!

Das nennt man wohl Dorfleben. Beinahe wäre es zum Opfer von Mega-Einkaufszentren und Internet-Shopping geworden. In Gimbte haben die Bürger nochmal die Kurve gekriegt. Seit dem 8. Dezember 2020 laden mehrere Regalreihen, eine lange Kühltheke, eine Wurst- und Fleischecke, Bäckereiwaren und frisches Obst und Gemüse zum Einkauf vor Ort ein. Endlich. Gisela Liesenkötter lebt seit 20 Jahren im Beinahe-Tausend-Seelen-Ort kurz vor Greven. Jutta Bellers seit zwölf Jahren. Jedesmal, wenn der Wocheneinkauf anstand, oder wenn Milch, Kaffee, Brot, Mehl oder Eier fehlten, setzten sich die Frauen bisher ins Auto und fuhren wahlweise Richtung Greven oder manchmal auch nach Münster zum Einkaufen. Ihr Heimatort Gimbte, ein schmucker Ort mit Fachwerk- und Klinkerhäusern, ist im Münsterland bekannt für seine Gaststätten – drei Wirtshäuser sind regelmäßig das Ziel der Einheimischen und Ausflügler. Gimbte ist beliebt – Mitte August finden sich jährlich Besucher zum Kunsthandwerkermarkt ein. Rennradfahrer, Radtouristen und Ausflügler machen gerne Stopp in dem Ort, der idyllisch zwischen Rieselfeldern, Emsauen und Bockholter Bergen liegt. Klingt perfekt. Und ausgerechnet in einem solchen Dorf gab es jahrzehntelang weder Bäckerei noch Supermarkt.

MÜNSTER! Magazin
Ehrenamt: Jutta Bellers und andere Gesellschafter helfen auch mal im Verkauf aus. Foto: Michael Lemmerhirt

150 MIT-LADENINHABER 

Dieser Zustand ist nun Geschichte. Jetzt hat Gimbte seinen Dorfladen – und das Café ist zumindest schon eingerichtet. Corona zwingt vorerst die Dorfladen-Macher, sich auf die Versorgung von Lebensmitteln und sonstigen Waren zu konzentrieren. „So können wir uns langsam in das Thema einfinden“, eins nach dem anderen – findet Gisela Liesenkötter ganz sinnvoll. Neben Johannes Wilp und Jutta Bellers sitzt sie auf den dunklen Stühlen im hellen Raum des Cafés und erzählt uns vom MÜNSTER!- Magazin, wie Gimbte zum Dorfladen kam. „Die Nachfrage nach Einkaufsmöglichkeiten im Dorf kam immer mal wieder zur Sprache“, erinnert sie sich. Aber ernsthaft nachgedacht und nachgerechnet hat das Trio erst, als Fördergelder von der Europäischen Union, dem Land NRW und dem Landkreis Unterstützung versprachen. Am 28. August 2019 lud eine Arbeitsgemeinschaft alle Dorfbewohner und potentielle Lieferanten mit deren Waren zum Aktionstag in eine Scheune ein. „Wir haben Fragebögen verteilt, weil wir wissen wollten, was sich die Gimbter von einem Dorfladen wünschen“, erzählt Jutta Bellers. Außerdem konnten Interessierte eine Absichtserklärung unterschrieben, dass sie einen Gesellschaftsanteil am Dorfladen erwerben möchten. „Denn nur mit gutem Zuspruch können wir keinen Supermarkt auf Dauer realisieren“, erklärt Gisela Liesenkötter. Ab 250 Euro konnten die Gimbter Gesellschafter des Ladens werden. Immer mehr machten mit. „jetzt haben wir 150 stille Gesellschafter von insgesamt 360 Gimbter Haushalten – das ist schon was!“, freut sich Johannes Wilp. Damit wurde nicht nur die Finanzierung einfacher, sondern auch die Akzeptanz für den Einkauf vor Ort. Wenn man selbst Teil des Dorfladens ist, kauft man nicht mehr so gerne in der Nachbarstadt ein, oder? Die stillen Gesellschafter haben alle ein Auskunfts- und indirektes Stimmrecht und stehen durch einen gewählten Beirat mit der Geschäftsführung in Kontakt.

MÜNSTER! Magazin
So soll es bald aussehen: Im künftigen Café am alten Kamin sitzen (von links nach rechts) Jutta Bellers,Gisela Liesenkötter und Johannes Wilp, die Geschäftsführer des Dorfladens. Foto: Michael Lemmerhirt
MÜNSTER! Magazin
Frische Ecke: Neben den Exoten wie Ananas und Banane gibt es auch Kartoffeln vom Gimbter Acker. Unten rechts: Metzgerei- und Käsetheke. Foto: Michael Lemmerhirt

„Jeder hat auf seine Art zu unserem Dorfladen beigetragen.“ JUTTA BELLERS

MÜNSTER! Magazin
Alles da: Vom Spüli über Korn zum Müsli. Foto: Michael Lemmerhirt
MÜNSTER! Magazin
Foto: Michael Lemmerhirt

SCHWARZE ZAHLEN SIND DAS ZIEL

„In unserem Laden geht es nicht um maximalen Profit – wohl aber um schwarze Zahlen und ein angemessenes Gehalt für die Festangestellten. Das ist das Ziel“, erklärt Jutta Bellers. Zu den positiven Effekten des Dorfladens gehört nicht nur die Nahversorgung, sondern auch die Schaffung von drei festen Arbeitsplätzen für die Angestellten. Dazu helfen viele Gesellschafter auch ehrenamtlich. Es gibt sogar eine Wirtschaftlichkeitsrechnung: Jeder Gimbter Bürger müsste pro Woche für 8,20 Euro im Dorfladen einkaufen. In den Regalen findet sich das typische Supermarkt- Sortiment, klug zusammengestellt mit Markenwaren und mit Gut-und-Günstig- Produkten. Eine Getränke-Ecke gibt es ebenso. Doch der eigentliche Clou – Thema Dorfleben – sind die regionalen und lokalen Köstlichkeiten: Kartoffeln von Ludger Rottmann von der Gimbter Heide. „Gestern waren die schon ausverkauft und Rottmann brachte schnell neue“, erzählt Johannes Wilp. Kuchen liefert auch die Gimbterin Birgit Lievenbrück, die sich mit ihrem Marktstand Küchenschätze auf dem Münsteraner Wochenmarkt am Dom steht. Brot, Brötchen und Kuchen liefert die Bäckerei Kiepenkerl, von der Bäckerei gab es gute Tipps zum Lieferumfang. Dazu tragen deren Brote die passenden Namen „Dorfbursche“ oder „Dorfkruste“. Die Eier legen die Hühner von Fennenkötters in Nienberge. Prak-tischer Nebeneffekt: Viele Euros aus dem Einkauf vor Ort bleiben in der Region. Und die Transportwege der Waren aus der Umgebung sind klimafreundlich kurz. Überhaupt kam von allen Ecken und Enden Hilfe. Jan-Bernd Kappelhoff, der die Gaststätte Deutscher Herd kaufte und durch den Gimbter Architekten Franz-Josef Austrup kernsanieren ließ, ist der Vermieter für den Dorfladen. Ein Jurist aus dem Dorf half bei rechtlichen Fragen, andere Experten kümmerten sich um das Marketing. „Jeder hat auf seine Art zu unserem Dorfladen beigetragen“, freuen sich die drei aus der Geschäftsführung.

MÜNSTER! Magazin
Wie zuhause: Im Holzschrank stehen Marmeladen, auf dem Sekretär liegen Infos zum Dorfladen, der in Gimbtes Mitte zu finden ist (rechts). Foto: Michael Lemmerhirt
MÜNSTER! Magazin
Foto: Michael Lemmerhirt

ÖFFNUNGSZEITEN IN DER TESTPHASE

Der Dorfladen hat vorerst noch die unvermeidliche Mittagspause der Geschäfte auf dem Lande. Weil aber zum Ladenschluss um 13 Uhr der Schulbus im Ort ankommt und die Jugend großes Interesse am Einkauf zuhause hat, überlegen die Geschäftsführer, das noch zu ändern. Später, nach Corona, im Sommer, wenn das Café