MÜNSTER! Magazin

Foto: Peter Leßmann

N°137


Im sicheren Hafen angekommen

Es ist zwölf Jahre her, dass die Stadt Münster dem Ruderverein Münster von 1882 e.V. vorgeschlagen hat, mit Sack und Pack in den alten Hill-Speicher am Hafen zu ziehen. Jetzt ist es geschafft: Nun legt der Verein vom Stadthafen ab. 

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Im August 1882 gründeten ein paar junge und sportliche Wasserliebhaber aus Münster einen Regattaverein, den sie im darauffolgenden Jahr in Ruderverein Münster von 1882 (RVM) umbenannten. In den Anfangsjahren hielten die sportbegeisterten Münsteraner ihre Regatten noch auf der Werse ab, einem Zufluss der Ems. In der Eröffnung des Dortmund-Ems-Kanals im Jahr 1899 sah der RVM eine große Chance für das sportliche Leben. „Jetzt endlich war die Möglichkeit geschaffen, ein sportgerechtes Rudern und Training in völlig einwandfreier Form durchzuführen“, heißt es in der Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum des RVM. Immer mehr Ruderfans schlossen sich dem Verein an, der Bootsbestand nahm zu. In den Jahren 1923 und 1924 ist in der Bennostraße 7 am linken Ufer des Kanals ein neues Bootshaus für den RVM errichtet worden: das Bennohaus, wie es heute heißt. 50 Jahre und einen Weltkrieg später entstand direkt neben dem historischen Altbau ein weiteres Bootshaus, das den gewachsenen Bedürfnissen des Vereinslebens gerecht werden sollte.

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Heute zählt der RVM zu den ältesten, größten und erfolgreichsten Rudervereinen in der Region. Immer wieder bringen die Vereinsmitglieder, die Rudern als Leistungssport betreiben, Meistertitel und Medaillen mit nach Hause: Im Mai etwa haben die jüngsten Mitglieder bei der Waltroper Jungen- und Mädchenregatta im Slalom und auf der 1.000-m-Strecke geglänzt. Und bei der Weltcup Regatta auf dem Rotsee in Luzern hat Para-Ruderin Manuela Diening (über die wir im letzten  Märzheft berichtet haben), während der Recherche zu dieser Geschichte sogar Gold geholt. Der Ruderverein bekennt sich als Landesleistungsstützpunkt NRW ganz klar zum Hochleistungssport. Einer von zwei Schwerpunkten liegt auf der Nachwuchsförderung, das heißt der professionellen Betreuung und Begleitung der Athleten und Athletinnen bis zum 23. Lebensjahr. Genauso wichtig ist dem Ruderverein das Freizeitprogramm für diejenigen, die aus Spaß an der Freude rudern. Vorstandssprecher Dirk Bensmann hebt hervor, dass der Rudersport auch noch im hohen Alter möglich sei. Als Kraft- und Ausdauersport trainiert die gleichmäßige Ruderbewegung den gesamten Körper, hält fit und findet zudem – anders als auf dem Rudergerät im Fitnessstudio – draußen auf dem Wasser und an der frischen Luft statt. Bensmann erzählt, dass er selbst kürzlich mit zwölf anderen Vereinsmitgliedern im Nationalpark Weeribben-Wieden in den Niederlanden unterwegs war. „Wir packen unsere Boote, wir packen unsere Klamotten, fahren irgendwo hin, wo es schön ist, und rudern vier Tage auf fremden Gewässern. Das nennen wir ‚Wanderfahrten‘.“ Die Truppe war bunt gemischt, die jüngste Ruderin 36, der älteste 84. „Das Schöne ist: durchs Rudern gibt es eine Gemeinsamkeit. Und dann spielt das Alter auch keine Rolle mehr“, betont Bensmann. 

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Für die beiden ältesten Vereinsmitglieder Heribert Arndt (80) und Christoph Ramme (84) heißt es jeden Samstag ab 9 Uhr: Rauf aufs Wasser! Foto: Peter Leßmann
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Foto: Peter Leßmann

Tschüss Bennohaus und Hallo Hill-Speicher 

„Es ist auf den Kopf genau 100 Jahre her, dass wir an die Bennostraße gegangen sind. Das ist jetzt Zufall oder Verzögerungstaktik – keine Ahnung“, witzelt Bensmann. Das Boots- und Vereinshaus an der Bennostraße sei aus allen Nähten geplatzt, die gesamte Infrastruktur sei merkbar in die Jahre gekommen. Dem Verein stand das Wasser also bis zum Hals – natürlich nur im übertragenen Sinne. Da kam es dem Verein ganz gelegen, dass die Aktualisierung des Masterplans Stadthäfen durch das Stadtplanungsamt Münster mehr Urbanität und kulturelle Teilhabe am Hafen vorsah. 2012 kam die Stadt Münster dann nach einigen gemeinsamen Vorgesprächen mit der Idee um die Ecke, dass der Ruderverein einen Teil des alten Hill-Speichers im Stadthafen I als Vereinsheim und Bootshalle nutzen könnte. Der Umbau des Speichers versprach ein modernisiertes, barrierefreies Vereinsheim und Platz für alle 93 Boote. Auch der Standort am Hafen würde einige Vorteile mit sich bringen. Da ins Hafenbecken keine Frachtschiffe mehr einfahren, können Anfänger, Anfängerinnen und die Ruderinnen und Ruderer der Schulen im Rahmen des Sportunterrichts unter professioneller Aufsicht sicher ab- und anlegen sowie erste Stunden auf dem Wasser verbringen. 

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Dirk Bensmann, Vorstand RVM Foto: RVM

„Beim Rudern lernt man was für’s Leben.“
Dirk Bensmann, Vorstand RVM
 

Fertig zum Ablegen 

Für den Umzug und die Feinarbeiten waren Bensmann und Architekt Axel Schwinde hauptverantwortlich. „Und da muss man auch mal ein fettes Danke sagen“, wie Vorstandsmitglied Jessica Jasper zum Ausdruck bringt. Im Sommer letzten Jahres haben die Vereinsmitglieder begonnen, die Innenräume des Bootshauses ganz aus eigener Kraft einzurichten. „Der RVM lebt durch viele ehrenamtliche Hände und basiert auf diesem Engagement“, wie Jasper betont. Verschiedene Bauteams haben unter Anleitung freitags und samstags die Bootslager aufgebaut, Sportböden verlegt, die Ruderergometer ausgepackt und Trainingsräume gestaltet. Für einige Mitglieder seien das durchaus handwerkliche Herausforderungen gewesen. „Beim Rudern lernt man eben was fürs Leben“, fügt Bensmann hinzu. Jetzt ist die neue Heimat des Rudervereins in ihren Grundzügen fertig. Für die Rollstuhlrampe am Eingang fehlen zum Recherchezeitpunkt noch Baumaterialien, vereinzelt muss in den Bootshallen noch Ordnung geschaffen werden. Aber es wird! 

Bei einer internen Eröffnungs­feier Anfang April hat der Verein die Boote zum neuen Standort gerudert. Jasper erzählt freudestrahlend, dass die Überfahrt vom Bennohaus zum Hafen ein ganz besonderer Moment für alle An­wesenden war: „Das war mit der kürzeste Ruderweg, den wir je hatten, aber der wichtigste für uns.“ Anschließend gab es eine feierliche Rede von Bensmann und eine Bootstaufe, bei der Tim Woedtke, langjähriges Vereinsmitglied, ein gelbes Rennboot auf seinen eigenen Namen taufen durfte. Am Freitag, 28. Juni, wenn die Ruder-Meisterschaften vorbei sind, die Sommerferien bevorstehen und dieses Heft erscheint, findet dann die offizielle Eröffnungs­feier des RVM am Hill-Speicher statt.

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Im modernen Ergometerraum können Trainingseinheiten auch mal bei schlechtem Wetter und im Winter stattfinden. Foto: Peter Leßmann

Medaillen haben zwei Seiten 

Seit Mitte März legen die Ruderinnen und Ruderer nun schon am Hafen ab und an. Den jüngeren Mitgliedern gefällt ganz besonders der Schwimmsteg, der mit dem Wasserstand gleitet und an dem sogar zwei Achter, also Ruderboote für acht Personen, zeitgleich ablegen können. Der feste, kleine Steg am alten Bootshaus stand tatsächlich ab und an unter Wasser. Die Vereinsmitglieder schätzen auch den verglasten Clubraum und die modernen Trainingsräume mit Blick aufs Hafenbecken. Auch die 17-jährigen Zwillinge Sebas­tian und Daniel Hopf, die tagtäglich für die Ruder-Weltmeisterschaften in Kanada trainieren, sind besonders angetan vom modernen Bootshaus und dem vielen Platz. Für die beiden Breitensportler Christoph Ramme (84) und Heribert Arndt (80) ist der neue Standort am Hafen vor allem eins: sicher. Die beiden legen übrigens im Jahr zwischen 800 und 1000 km auf dem Wasser zurück! Auch Freizeitruderer Klaus Reinders merkt sofort an, dass alle Mitglieder jetzt unter ruhigeren Bedingungen einsetzen können. Für ihn ist das neue Zuhause des Vereins schöner, offener und sicherer. „Man hat hier einfach dieses Hafen-Feeling“, findet er. 

Wie so oft im Leben birgt der neue Standort aber auch Nachteile – zumindest noch. Auf der Kaipromenade zwischen Hauskante und Hafenbecken verlaufen alte Schienen, hier liegen überall Steine. Alle, die mit dem Boot Richtung Wasser oder zurück zur Halle unterwegs sind, darunter auch Para-Ruderin Diening mit ihrem Rollstuhl, sind so einigen Stolperfallen ausgesetzt. Der Verein hat versucht, die Gefahrenzonen abzudecken, aber dieses Provisorium stellt keine langfristige Lösung dar. „Wir müssen jetzt mit der Stadt Münster intensiv reden und die Verkehrssicherung möglichst schnell deutlich besser ausführen“, erklärt Bensmann. Außerdem ist noch unklar, wie diese Uferseite nach Fertigstellung aller Baustellen nebenan von Hafenbesucherinnen und -besuchern genutzt werden wird. Der Verein ist guter Dinge und freut sich schon jetzt auf den Austausch und das zukünftige Miteinander mit dem soziokulturellen Quartierszentrum B-Side, das im selben Haus beheimatet ist (wir werden berichten). 

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Jessica Jasper, Vorstand RVM Foto: RVM

„Der RVM lebt durch viele ehrenamtliche Hände.“  
Jessica Jasper, Vorstand RVM

Einmal im Verein, immer im Verein 

Kinder und Jugendliche, die beim RVM mit dem Rudersport beginnen, bleiben meist ein Leben lang dabei. Sie verbringen hier einen Großteil ihrer Freizeit, der Verein sei wie ein zweites Zuhause für sie. „Man bekommt das Vereinsleben und Werte fürs Leben gratis mit dazu“, hebt Jasper hervor. Der jährliche Mitgliedsbeitrag für die Jugend beträgt zurzeit 120 Euro, bei finanziellen Engpässen hilft der Verein gerne aus. Bis auf die Sportkleidung wird den jungen Athletinnen und Athleten alles gestellt, inklusive der Teilnahme an Regatten in ganz Deutschland und – nach erfolg­reicher Qualifikation – an Weltmeisterschaften. Für die Olympischen Sommerspiele 2024 in Paris haben sich gleich zwei Mitglieder qualifiziert: für die Paralympics Manuela Diening, und für die Olympischen Spiele Sönke Kruse. Die Daumen sind gedrückt! 

Der RVM hat in den letzten Jahren einen deutlichen Zuwachs von Erwachsenen verzeichnen können, die den Rudersport an der frischen Luft in der Natur erlernen möchten. Diese zahlen übrigens einen jährlichen Beitrag in Höhe von derzeit 250 Euro. Durch den Standortwechsel erhofft sich der Verein auch in Zukunft eine höhere Frequenz von Anfängern und Anfängerinnen, ganz gleich welchen Alters. 

Nachwuchsförderung, Spaß an der Sache und das Miteinander – das alles wird im RVM groß geschrieben. Auf dass der Ruderverein immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel hat! 

BITTE DAUMEN DRÜCKEN!

Während der Olympischen  Sommerspiele und der Paralympics in Paris sind gleich zwei RVM- Athleten im Einsatz: Bitte zwischen Sonntag, 28. Juli und Freitag, 2. August die Daumen drücken für Sönke Kruse (Zweier ohne Steuermann) und am  Wochenende vom 31. August bis 1. September für Manuela Diening (im Einer). Toi toi toi!