MÜNSTER! Magazin

Foto: Jill Abanico

N°114


Droste Festival: vom Dorf- und Stadtleben
 

Literarisches, Videoinstallationen, Wanderungen „in echt“ und in der Phantasie, Politisches, Klanginstallationen, Frauengeschichten, Jazzmusik, von Smart Cities über digitale Landwirtschaft bis zum fiktiven Briefwechsel zwischen Annette von Droste-Hülshoff und Jane Austen – was für ein kunterbuntes Programm liefert das Droste Festival 2022 mit dem Motto „Stadt/Land im Fluss“! Als Medienpartner gibt das MÜNSTER! Magazin hier eine kleine Vorschau.

Text CORNELIAHÖCHSTETTER


Droste-Hülshoff, das Dichten und das Dorf – zum 225. Geburtstag der Annette von Droste-Hülshoff widmet sich das Droste Festival von Burg Hülshoff – Center for Literature (CfL) dem Motto „Stadt/Land im Fluss“ – was heute gut zu Münster und dem Münsterland passt, zu den Beziehungen und Kontrasten, den unterschiedlichen Lebensweisen und der gemeinsamen Heimat. Deshalb kommen von Donnerstag, 16., bis Sonntag, 19. Juni, alle an der Stadtgrenze von Münster zusammen, wenn auf Haus Rüschhaus und rundherum das Droste Festival stattfindet. Schließlich schrieb hier Annette von Droste-Hülshoff über die Zurückgezogenheit des Landlebens. Und vermisste die Geselligkeit der Stadt. Deshalb nähert sich das Festival dem Thema „Stadt/Land im Fluss“ in Lesungen, Filmscreenings, Konzerten, Installationen und Walks. 

Das Konzept des Droste Festivals hat Jörg Albrecht entwickelt. Für die Konzeption und Kuration des diesjährigen Festivals sind Anneke Lubkowitz und Dominik Renneke sowie der filmclub Münster zuständig.

MÜNSTER! Magazin
Die Kulisse als Vorbild: Sowie Johann Conrad Schlaun Haus Rüschhaus als Synthese aus westfälischem Bauern­hof und Landsitz im französischen Stil baute, so wird beim Festival die Synthese von Stadt und Land thematisiert. Foto: Sabrina Richman

Das Festivalprogramm klingt in den Ohren und geht in die Beine (zum Beispiel beim Wandern). Die Veranstaltungsorte sind so vielfältig wie die Veranstaltungsformate: Das Programm findet statt auf Haus Rüschhaus, draußen auf Bühnen, in der Tenne und im Garten, am Infostand, auf der Obstbaumwiese, im Vordergebäude, in der Küche und in der Natur zwischen der Stadt und dem Münsterland statt. Bei literarischen Wanderungen, einer Picknick-Performance, Lesungen, Konzerten – immer wird Literatur neu entdeckt und erlebt. Autoren und Autorinnen, Künstler und Künstlerinnen, Regionalentwickler und Regionalentwicklerinnen, Städteplaner und Städteplanerinnen, regionale Vereine und Initiativen befassen sich mit dem Verhältnis von Stadt und Land und der Frage, wo und wie wir heute und in der Zukunft leben wollen.

Stadt und Land – Hand in Hand?

Stadt und Land werden oft als Gegensatzpaar gesehen. Aber ist das überhaupt so? Wie stellt sich das Verhältnis „Stadt – Land“ im alltäglichen Leben dar, vor allem aus der ländlichen Perspektive? Das Droste Festival möchte in einem vielfältigen Programm und mit besonderen Veranstaltungen Klischees auf den Kopf stellen und mit dem Publikum ins Gespräch kommen.

Kostprobe aus dem Programm gefällig?

Zur Eröffnung spricht die Publizistin Uta Ruge in den Keynote Lectures über Fragen von Zugehörigkeit und Sichtbarkeit in ländlichen Räumen – in Norddeutschland und überall auf der Welt. Sie ist die Autorin des Bestsellers „Bauern, Land. Die Geschichte meines Dorfes im Weltzusammenhang“ (Verlag Antje Kunstmann). Kadir Özdemir, Christoph Peters und Yulia Marfutova lesen Dorfgeschichten im Wandel der Zeiten. Der britische Autor Iain Sinclair und die Autorin und Übersetzerin Esther Kinsky bringen Erzählungen vom Londoner Stadtrand auf den Spuren des Dichters und Landarbeiters John Clare mit. Das Künstlerinnenkollektiv flexen (Özlem Özgül Dündar, Mia Göhring und Lea Sauer) und House of Blænk inszenieren am Haus Rüschhaus einen Performance-Walk, der die Grenzen und Verbindungen zwischen Land und Stadt auslotet. In Kooperation mit dem BurgJazz Festival Lüdinghausen kann das Publikum bei einer literarisch-musikalischen Wanderung von Burg Hülshoff nach Burg Vischering ein exklusives Konzert der weltbekannten Jazzgruppe Yumi Ito & Szymon Mika erleben. Beim Picknick auf der Wiese lauschen die Zuhörer einem fiktiven Briefwechsel zwischen Annette von Droste-Hülshoff und Jane Austen. Die Gruppe LIGNA erfindet in einem Audiowalk den Waldspaziergang neu.

MÜNSTER! Magazin
Links: Die Schweizer Sängerin und Songwriterin Yumi Ito tritt am Samstag mit Gitarrist Szymon Mika auf. Foto: Katarzyna Kukiełka Rechts: Sie machen Programm am Sonntag: „Walk (Not) the Line“, ein Interaktiv­performativer Walk Özlem Özgül Dündar, Mia Göhring und Lea Sauer. Foto: Janis Nittritz

Die Droste Lectures, die sich immer einem Aspekt des Werkes von Annette von Droste-Hülshoff widmen, werden in diesem Jahr von der in Münster lebenden Musikwissenschaftlerin Mirijam Streibl als Klanginstallation gestaltet. Die Dead Ladies Show widmet sich drei großartigen und vergessenen Frauen der (Literatur-)Geschichte. Und in der Veranstaltung „Big in Münsterland“ legt der in Stadtlohn aufgewachsene Musiker Maurice Summen Sounds aus dem Münsterland auf.
Immer geht es um Stadt und Land – aber was genau ist Stadt und was Land? Wie stellt man sich einen „ländlichen Raum“ vor? Wer will weg aus der Großstadt und warum? Und leben nicht längst schon viele in Vor- und Zwischenstädten, in Mischformen, für die man eine neue Sprache finden müsste? Trans-Urbia? Urbane Räume? Welche Rolle spielen dabei die virtuellen Welten des Internets? All diese Fragen werden vier Tage lang gefeiert. Darüber hinaus gibt es Diskussionsrunden, einen Hörspiel-Workshop für alle Altersklassen und die Möglichkeit zum Picknicken im Garten des Haus Rüschhaus.

DAS PROGRAMM AM DONNERSTAG,
16. JUNI, FRONLEICHNAM – 
EIN AUSSCHNITT

17 Uhr im Haus Rüschhaus Garten

Eröffnung und Keynotes mit Uta Ruge und Jessica J. Lee 
Sprachen: Deutsch, Englisch
In den Eröffnungsreden geht es um Zugehörigkeit und Sichtbarkeit in ländlichen Räumen und globale Stadt-Land- Verflechtungen. Die Journalistin Uta Ruge beschäftigt sich mit der Geschichte der Bäuerinnen und Bauern. Die kana- dische Autorin Jessica J. Lee ist postkolonialen Zusammen- hängen in ländlichen Räumen auf der Spur.

19.30 Uhr in der Haus Rüschhaus Tenne

Neubau – Film und Gespräch mit dem filmclub Münster und Johannes M. Schmit
Der Film erzählt von Markus, der hin- und hergerissen ist: Die Liebe zu seinen pflegebedürftigen Omas hält ihn in der brandenburgischen Provinz, in Berlin ruft die queere Wahlfamilie. Im Dazwischen lebt es sich aber gar nicht so schlecht. Im Anschluss: Gespräch über queeres Landleben.

MÜNSTER! Magazin
Links: Die Journalistin Uta Runge eröffnet das Festival und beschäftigt sich mit der Geschichte der Bäuerinnen und Bauern. Foto: Holger Groß 
Rechts: Jessica Lee ist Autorin und postkolonialen Zusammenhängen in ländlichen Räumen auf der Spur. Foto: Ricardo Rivas

DAS PROGRAMM AM FREITAG, 17. JUNI – 
EIN AUSSCHNITT

14 Uhr im Campusgarten Grüne Beete

Gartenstadt – Stadtleben in grün mit Tobias Roth, Severin Halder, Jana Weber

Ab 16 Uhr (durchgängig bis 20 Uhr) im Haus Rüschhaus Vordergebäude

Ausstellung WORD. Magazin 
Stadt und Land. Land und Staat. Staat und Grenzen? WORD., das Magazin des CfL, befasst sich in der neusten Ausgabe mit Land. Land im Sinne von Stadt, Dorfleben und Provinz. Aber es geht auch um das Land als politischen Begriff – als Nationalstaat, mit Grenzen, Land als Heimat. Eine Foto-Ausstellung gibt Einblicke in das neue Heft.

Ab 16 Uhr (durchgängig bis 20 Uhr) im Haus Rüschhaus Gartensaal 

Umsäuselte mich halber Klang – Droste Lectures von Mirijam Streibl
Drostes Umgang mit Worten zeigen einen ausgeprägten Hörsinn. Ihre Lyrik ist voll von Geräuschen und Klingendem. Inspiriert davon spannt die Klangforscherin und Soundkünstlerin Mirijam Streibl ein Hörfeld vom Gartensaal zum Italienischen Zimmer. Es entsteht ein hörbarer Erfahrungsraum zwischen Nähe und Ferne, zwischen Land und Stadt – fließend.

17 Uhr im Haus Rüschhaus Garten

Smart Countrysides – Landleben digital mit Silke Eilers, Ulrich Harteisen, André Kückmann, Heidrun Wuttke
Wer spricht noch über Smart Cities? Die digitale Revolution ist in ländlichen Regionen längst Alltag. Vier Experten und Expertinnen sprechen über digitale Landwirtschaft und Apps, die Dorfgemeinschaften am Leben halten. Eine Reise ins Dorf der Zukunft.

20 Uhr in der Haus Rüschhaus Tenne

Big in Münsterland mit Johannes S. Ismaiel-Wendt, Kathrin Wildner, Maurice Summen
Ein Abend über das Aufwachsen in der sogenannten Provinz und die Sound-Welten von Stadt und Land. Der Musiker und Label-Gründer Maurice Summen, der Musik- und Kulturwissenschaftler Johannes S. Ismaiel-Wendt und die Stadtethnologin Kathrin Wildner haben Kassetten und Klänge mitgebracht und nehmen uns mit in die münsterländische Musik-Szene der späten 1980er und frühen 1990er Jahre.

MÜNSTER! Magazin
Links: Miriam Michel ist Teil der freien Performance­ Kompanie dorisdean. Das Ensemble tritt am Sonntag mit der Kopfhörer­Lesung Ich höre Stimmen zur Krimi­Novelle Die Judenbuche auf. Foto: Nicolas Oswald
Rechts: Kadir Özdemir liest mit seinen Kollegen Yulia Marfutova und Christoph Peters Texte über die heile Welt des Dorflebens und darüber, was sie ins Wanken bringen kann. Foto: Armin Wühle

DAS PROGRAMM AM SAMSTAG, 18. JUNI – 
EIN AUSSCHNITT

Start: 9.15 Uhr Parkplatz Burg Vischering Alternativ: 10.30 Uhr Burg Hülshoff 

Musikalisch-literarische Wanderung von Burg Hülshoff nach Burg Vischering, Droste Landschaft mit Veronika Harcsa & Bálint Gyémánt, Yumi Ito & Szymon Mika, Christoph Wenzel, Kinga Tóth
Ganztägige Wanderung mit Kulturprogramm: Neben den Schönheiten der münsterländischen Parklandschaft gibt es ein vielseitiges kulturelles Programm zu entdecken. An vier Stationen zwischen Burg Hülshoff und Burg Vischering erlebt man Musik und Literatur im Freien.

13.15 Uhr auf der Gartenbühne

Konzert mit Yumi Ito & Szymon Mika
Die Schweizer Sängerin und Songwriterin Yumi Ito ist zu Gast im Rüschhaus-Garten. Mit Szymon Mika (Gitarre) präsentiert sie eine berauschende Kombination aus Jazz, Art-Pop, Electronica und Neoklassik.

14.30 Uhr auf der Haus Rüschhaus Obstbaumwiese

Dear Annette, liebe Jane, Picknickperformance House of Blænk
Was hätten sich Annette von Droste- Hülshoff und Jane Austen zu sagen gehabt, wenn sie sich begegnet wären? Studieren- de der WWU Münster haben einen fiktiven Briefwechsel zwischen den beiden Autorin- nen verfasst, den House of Blænk in passen- den Kostümen performen.

15 Uhr im Haus Rüschhaus Garten

Dorfgeschichten mit Yulia Marfutova, Kadir Özdemir, Christoph Peters
Yulia Marfutova, Kadir Özdemir und Christoph Peters lesen Texte, in denen die heile Welt des Dorflebens aus den Fugen gerät. Ihre Erzählungen führen uns von der Russischen Revolution über Anti-Atomkraft-Proteste in den 1970ern zu den sozialen Filterblasen der Gegenwart.

15, 17 und 19 Uhr am Haus Rüschhaus Infostand

Into the Woods, Audiowalk mit der Gruppe LIGNA

17.30 Uhr große Bühne Haus Rüschhaus

The Dead Ladies Show mit Katy Derbyshire, Florian Duijsens, Simone Scharbert, Susan Stone und Türkân Heinrich
Die Dead Ladies Show ist ein Live-Storytel- ling-Event, das Geschichten von großartigen und vergessenen Frauen der Vergangenheit zwischen Stadt und Land erzählt, die Unglaubliches erreicht haben. Denn Frauengeschichte geht uns alle an.

19 Uhr in der Haus Rüschhaus Tenne

Niemand ist bei den Kälbern – Filmscreening, Lesung und Gespräch mit Alina Herbing, Saskia Rosendahl, filmclub Münster
Sabrina Sarabis Buchverfilmung erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die das Leben auf dem Milchkuhhof ihres Freundes mehr als nur satt hat und einen Ausweg sucht. Im Anschluss Gespräch mit Autorin und Darstellerin über Land-Idylle und Realität sowie Frauen auf dem Land.

20.30 Uhr auf der Haus Rüschhaus Bühne

Memorial 6.0 – Requiem for a lost Animal & Plant Kingdom
Oona Kastner widmet sich in ihrer Komposition der Melancholie von Monokulturen und dem Artensterben. In Soundcollagen für Stimme, E-Gitarre, Schlagwerk und Electronics entrollt sie phantastische Klanglandschaften.

DAS PROGRAMM AM SONNTAG, 19. JUNI – 
EIN AUSSCHNITT

15 und 17 Uhr in der Haus Rüschhaus Tenne

Ich höre Stimmen, Kopfhörer-Lesung zu Die Judenbuche mit dorisdean (Miriam Michel, Rasmus Nordholt-Frieling, Patrizia Kubanek)

15 und 17.30 Uhr in der Haus Rüschhaus Küche

_WALK (NOT) THE LINE_ mit kollektiv flexen, House of Blænk
Ein queerfeministischer Schnadgang, beim Walk trifft Tradition auf Pop und Feminismus.

19 Uhr im Haus Rüschhaus Garten

Am Rand des Orizonts mit Esther Kinsky, Iain Sinclair
Wo beginnt London und wo endet es? Iain Sinclair und Esther Kinsky haben die Stadt- ränder Londons literarisch erkundet – auf den Spuren des romantischen Dichters und Landarbeiters John Clare. Wir hören Texte auf Englisch und Deutsch und sprechen über John Clares erstaunliche Naturlyrik und Verbindungen zu Annette von Droste- Hülshoff.

MÜNSTER! Magazin
House of Blænk machen einen queerfeministischen Schnadgang. Foto: Kirstin Kassen

Das Festival auf einen Blick

Das Droste Festival 2022 „Stadt/Land im Fluss“ läuft von Donnerstag (Fronleichnam), 16. Juni, bis Sonntag, 19. Juni. Nach zwei digitalen Ausgaben gibt es in diesem Jahr wieder Livepublikum und Festivalatmosphäre auf dem Gelände von Haus Rüschhaus. Annette von Droste­-Hülshoff schrieb im Rüschhaus über die Zurückgezogenheit des Landlebens – und vermisste die Geselligkeit der Stadt. Sie identifizierte sich mit dem Landleben – und war gleichzeitig eine wache Beobachterin der gesellschaftlichen Verände­ rungen ihrer Zeit. Wie haben sich Stadt und Land seither verändert? Das Festival beschäf­ tigt sich mit dem Verhältnis von Stadt und Land und der Frage, wo und wie wir heute und in Zukunft leben wollen.

Tagestickets kosten 15 Euro, ermäßigt 8 Euro 

burg-huelshoff.de 
lyrikweg.net