N°136
Die fabelhafte Welt der Bree
Eine junge Frau im Café. Eine, die ihr Handwerk versteht. Die ihre Gäste gern verwöhnt. Sie ist patent! Aber sie ist auch eine, die sich gern in ihrem Alltag eine ganz eigene Welt erträumt. Aufgepasst, das ist eigentlich nicht die Beschreibung unseres Gastronomie-Gesichts Brisilda, genannt „Bree“, sondern die der Filmfigur aus „Die fabelhafte Welt der Amélie“. Ähnlichkeiten sind aber kein Zufall …
Text britta Heithoff
Dass Brisilda Berrer, von allen „Bree“ genannt, gern mit Menschen zusammen ist, das spüren die Kunden der „Flotten Bohne“, obwohl sie meist nur durch ein kleines Fenster in der Fassade oder durch die Scheibe winkend mit ihr kommunizieren. Kaum einen Quadratmeter Bewegungsfreiheit hat die bald 33-Jährige an ihrem Arbeitsplatz als Barista hinter der dampfenden Maschine in der Espressobar am Drubbel. Macht nichts. Bree ist wendig und das in jeder Hinsicht, wie die Lebensgeschichte der in Tirana geborenen Albanerin zeigt.

„Echt groß gefeiert wurde immer bei uns, etwa wenn mein Bruder und ich im Juni (am Freitag, 28., ist es wieder soweit) zum Geburtstag eingeladen haben,“ erzählt Bree. Die Geschwister sind exakt am selben Tag geboren, im Abstand von drei Jahren. Und weil ihre Mutter drei, ihr Vater sieben Geschwister hat, zählte die Gästeliste gut und gern 22 Cousinen und Cousins. Auch in der Nachbarschaft in Tirana trollte sich Bree mit den anderen Kindern jeden Nachmittag spielend in großen Gruppen durchs Quartier. Sie kurvten mit Rädern herum, spielten Ball – oder ahmten „die Verbrecher gegen die Guten“ nach, inspiriert von amerikanischen TV-Serien. Die Eltern hatten Mühe, die Kinder abends wieder ins Haus zu bekommen. „Eine wirklich tolle Kindheit“, so Bree.
Nach der Grundschulzeit und dem Abschluss am Gymnasium mit Schwerpunkt BWL ging es für Bree ins Studium. Die Art der Fächer sollte Sicherheit geben, so der Wunsch der Familie: Wirtschaftsrecht war die Wahl der Stunde, mit einem „Master of Business Administration“ schloss Bree die Unizeit dann später auch ab. Aber sie entdeckte in ihren Zwanzigern auch das Reisen und es wurde zu ihrem „Lieblingsding“.

„Meine Leidenschaft ist ja nicht der Kaffee,
es sind die Menschen!“
Brisilda „Bree“ Berrer
Über das EU-Projekt „Erasmus Youth in Action“ und später über den „EVS“ (European Voluntary Service) bereiste Brisilda in dieser Zeit viele Länder, etwa Nordmazendonien, Serbien, Frankreich, Italien, Spanien, die Türkei und Polen. Sie arbeitete in Camps, half bei DIY- Projekten, Theaterstücken, bei der Integration von Menschen mit Behinderung, sie lebte dafür wochenweise auf Campingplätzen, lernte ganz unterschiedliche Menschen und ihre Kulturen hautnah kennen, war Teacher Assistent für Drei- und Vierjährige und, und, und.
„Das ist mein Ding“, lacht Bree, als sie davon erzählt, „ich mags viel unterwegs zu sein und auszuprobieren!“. Sprachs – und steht auf engstem Raum in der Kaffeebar. In Münster. Am Drubbel. Und das nun auch schon seit weit über zwei Jahren. Wo ist Dein Fernweh geblieben, Bree?


Suche die Liebe, sie wird die Antwort geben: Sieben Jahre lang hatte Bree mit ihrem Freund Moritz in einer Fernbeziehung gelebt, (eine Zeitlang arbeiteten sie immerhin auch gemeinsam auf einem Istanbuler Bauernhof als „Workaways“ zwischen Hühnern und Biokisten), nachdem sie ihn, heute sind sie verheiratet, bei seinem „Freiwilligen Jahr“ in ihrer Heimat Albanien kennengelernt hatte. Und weil der Baden-Württemberger den ersehnten Platz an Münsters „Akademie für Gestaltung“ bekam, landeten sie (erst er, dann auch Bree) in Münster.
Ein Glück, dass sie bei einer Station während der Pandemie, als sie vom Reisen pausierte und in ihrer Heimatstadt Tirana einen Job suchte, bei DEM Spezialitätenkaffeespot schlechthin das Baristahandwerk erlernt hatte. Das „Antigua Specialty Coffee“ ist das erste und einzige Café der „dritten Kaffeewelle“ (in der es um Bohnen aus naturnahem Anbau, faire Entlohnung für die Kaffeebauern, eigene Röstereien und gekonntes Handwerk geht) in Tirana – hier („Viele Gäste dort dachten, das wär mein Café, so sehr habe ich es ‚gelebt‘“) begann ihre Barista-„Reise“, deren erst zweite Station nun die „Flotte Bohne“ am Drubbel ist.

Sie liebt den Job. „Hier kann ich mit kleinen Gesten Andere aufmerksam behandeln. So sind wir Albaner“, sagt Bree und sie weiß, dass das auch ihrem Arbeitgeber Mehmet Saripinar besonders wichtig ist. „Meine Leidenschaft ist ja nicht der Kaffee, es sind die Menschen!“, strahlt Bree, die insgeheim von einem Community-Leben träumt, gerne an der frischen Luft ist – und sich trotz ihres qualifizierten Studienabschlusses niemals vorstellen könnte, einer Schreibtischtätigkeit nachzugehen.
In ihrer Freizeit radelt sie mit Ehemann Moritz auf einem Tandem durchs Münsterland, spaziert durch den „Botanischen Garten“, organisiert in ihrem Zuhause am Rosenplatz riesige Frühstückstafeln für Freunde und Geburtstag feiert sie genau wie früher in Albanien groß – mit einem Picknick im Südpark. Da kommen dann auch schon mal 40 Leute zusammen und sie kann ihrer heimlichen Leidenschaft nachgehen: zu umarmen und umarmt zu werden.

Flotte Bohne
Die „Flotte Bohne“ von Mehmet Saripinar war zunächst ein mobiles Konzept, die kleine italienische Ape (ein dreiräderiges Rollermobil) mit aufmontierter Espressomaschine stand vor der Pandemie auf einem Hiltruper Kirchplatz. Seit Ende 2019 dient eine acht Quadratmeter große (oder besser: kleine) Fläche im Schatten der Überwasserkirche als Schaltzentrale für das Kaffeekonzept, das durch die weitläufige Außenbestuhlung und im nachbarschaftlichen Gegenüber mit Liebigs und der Belegbar den Drubbel in eine mediterran anmutenden Piazza verwandelt hat.
flotte-bohne.de