MÜNSTER! Magazin

Foto: Philip Kallrath/Grenzenloses Gartenradeln

N°136


Radtouren + Gärten = ausgezeichnet!

Der „Deutsche Gartenbuchpreis“ gilt in diesem Jahr dem Münsterland. Das Autorenduo Gaby Allendorf (aus Velen!) und Philip Kallrath haben mit ihrem „Grenzenlosen Gartenradeln“ zwischen dem Münsterland und dem Achterhoek die Kategorie „Bester Gartenreiseführer 2024“ gewonnen. Wir haben mit ihnen gesprochen, über Radtouren und die Gärten anderer. Denn am Samstag und Sonntag, 8. und 9. Juni, ist der „Tag der Gärten und Parks in Westfalen-Lippe“. 

Text cornelia höchstetter


MÜNSTER!: Herzlichen Glückwunsch zum „Deutschen Gartenbuchpreis“! Sie haben in der Kategorie des „Besten Gartenreiseführers“ gewonnen: Frau Allendorf, Herr Kallrath: Was lieben Sie beide denn besonders an Gärten? 

Gaby Allendorf: Früher fand ich Gärtnern ganz ätzend. Meine Eltern hatten einen riesigen Nutzgarten. Damals war ich schon genervt, wenn ich nur zum Mittagessen ein wenig Petersilie aus dem Garten holen sollte. Aber als ich vor 15 Jahren wieder zurück ins Münsterland gezogen bin (Anm. d. Red.: Gaby Allendorf lebte viele Jahre in Berlin, Hamburg und Köln), da dachte ich, es ist das Tollste überhaupt: ein so großes Grundstück, auf dem man sich austoben kann, auf dem die Dinge wachsen, gedeihen und blühen – allerdings: Wenn man im Haus ein Zimmer streicht, dann ist es fertig; im Garten ist es immer nur eine Momentaufnahme. Das heißt: Man arbeitet wie blöd und drei Wochen später ist alles wieder verunkrautet. Das lebendige Wachstum ist trotzdem faszinierend. Gärten steuern gegen die Hektik. Man muss sich in Geduld üben. 
Philip Kallrath: Für uns beide gilt, dass wir Gärten in ihrer Gesamtheit wahrnehmen – wir sind die, die das Bild auf uns wirken lassen, ohne zu sagen, welche Pflanze welche ist. Ich sehe einen Garten vor allem auch als Metapher für das Naturerlebnis. In einem Wald etwa hat man das Gefühl, alles wächst frei. In einem Garten gibt es den freien, aber auch den gestalterischen Aspekt, also das, was der Mensch macht. Das Zusammenspiel ergibt eine eigene Art von Schönheit. Es ist keine digitale Gestaltung, sondern eine Natur, aber doch von Menschenhand geordnet. Und davon gibt es so unterschiedliche Ausprägungen, die wollten wir für unser Buch auffangen und als Naturerlebnis im doppelten Sinne präsentieren: unterwegs auf dem Fahrrad und in den unterschiedlichen Gärten.   

M!: Kann man quasi vom Garten auf die Gärtnerin oder den Gärtner schließen? Geht das Kopfkino los, welcher Mensch hinter dem Garten steht? 

Gaby Allendorf: Auf jeden Fall! Es ist so unterschiedlich, was die Leute anlegen. Da gibt es das wildwachsende Staudenparadies, den streng geordneten Garten oder einen, der sich auf Nutzpflanzen konzentriert. Jeder Gärtner nimmt die Schönheit ganz individuell wahr. Der eine hasst Rasenflächen, weil die Bienen nichts finden. Ein anderer liebt Rasen. Die einen haben kleinteilige Gartenzimmer, die anderen Luft und Licht und Fläche. Und gerade in den Niederlanden, wo regelrecht Designer am Werk sind, entdeckt man wieder eine andere Philosophie. Wie unterschiedlich die Menschen und ihre Gärten sind, ist uns erst richtig im Laufe der Arbeit mit unserem Buch klar geworden. 
Philip Kallrath: Gärtner sind besondere Menschen. Es macht total Sinn, sich mit ihnen auszutauschen, wenn man ihre Gärten besucht. Man stellt so oft fest: Der Garten passt „wie eine Eins“ zum Gärtner oder zur Gärtnerin.   

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Gaby Allendorf, geboren in Billerbeck, hat Jahrzehnte in Köln, Berlin und Hamburg gelebt und betreibt eine Agentur für Künstler und Künstlermanagement sowie Öffentlichkeitsarbeit, die „Allendorf Media GmbH“. Vor 15 Jahren bekam sie wieder Lust aufs Münsterland. In Velen fand sie ein großes Haus mit großem Grundstück. Heute arbeitet sie zudem als Autorin, etwa für den Sänger Peter Maffay und andere. Inzwischen ist ihr Hauptbüro in Borken-Weseke. Foto: Philip Kallrath

„Die Privatgärten bieten ein solches touristisches Potenzial, das wird noch gar nicht richtig gewürdigt. Schlösser sind prima, aber das sind Gebäude. Gärten leben und passen super in unsere Zeit, in der wir uns alle nach  Natur sehnen.“

Gaby Allendorf

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Philip Kallrath, geboren in Schweden, zog als Kind nach Duisburg ins Ruhrgebiet, wo er auch heute noch lebt. „Aber man trägt ja seine Heimat doch mit sich, das zeigt sich in meiner Naturverbundenheit“, sagt er. Er studierte Literatur, hatte viel mit Übersetzungen zu tun, daher seine Liebe zur Sprache. Seit zehn Jahren arbeitet er als Redakteur in der „Allendorf Media Agentur“. Foto: Gaby Allendorf/Allendorf Media

M!: Wie kamen Sie auf die Idee mit dem Garten-Radtour-Buch? 

Gaby Allendorf: Unser Büro ist in Weseke, nahe am einzigartigen und immer zugänglichen Apothekergarten des Heimatvereins. Und der „Garten Picker“ (ein Schaugarten, Anmerkung der Redaktion), der jede Saison tausende Besucher zählt, ist auch nicht weit. Da dachten wir: warum mit dem Auto oder Bus zum Garten fahren – warum nicht gleich mit dem Fahrrad? So fingen wir noch vor der Corona-Zeit an, eine Website mit Radtouren von Garten zu Garten zu gestalten. Im Münsterland ist immer von den Schlössern die Rede, und von der Schlössertour. Dabei sind Gärten aus meiner Sicht genauso attraktive Ziele. Es gibt so viele private Gärten, die für Besucher öffnen. Zwölf bis 15 Routen präsentieren wir auf unserer Seite gartenroute-muensterland.de. Dann hat uns der Buchverlag Klartext angesprochen, der über unsere Website auf uns aufmerksam geworden ist.
Philip Kallrath: Aus meiner Ruhrgebietsperspektive weiß ich, dass Gärtnern auch in den Städten ein Riesenthema ist. Auf unseren Radtouren bekommt man so viel Inspiration. Wichtig war uns, dass wir mit dem Buch fertige Pakete anbieten und damit den Ausflüglern viel Arbeit abnehmen: Es gibt ausgearbeitete Touren für vier bis sechs Stunden mit drei oder vier ganz verschiedenen Gärten, jeder auf seine eigene Art inspirierend. Zudem machen wir auf urige Einkehrmöglichkeiten aufmerksam.     

M!: Was lockt denn so sehr in die Gärten anderer? 

Gaby Allendorf: Die Gärtnerinnen und Gärtner machen sich so viel Arbeit – und wir Besucher können das genießen, ohne selbst Unkraut zuppeln zu müssen. Als Eintritt nehmen die Gärtner zwei oder drei Euro – es ist also ein Erlebnis für jeden Geldbeutel. Freizeit, die nicht teuer ist!  

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Auf den Touren gibt es manches schmucke Durchfahrtstor. Foto: Gaby Allendorf

M!: Und wie kamen Sie auf die Idee, über die Grenze ins Achterhook zu radeln? 

Gaby Allendorf: Das ist ja gleich bei Weseke: Dort gibt es wunderbare Radstrecken, und die Niederländer sind ja mit ihren offenen Gärten viel weiter als wir in Deutschland. Es gibt noch mehr Gärten, und die sind meistens die ganze Saison über geöffnet und nicht nur an einzelnen Aktionstagen. Die Einkehrmöglichkeiten sind in Holland tatsächlich um ein Vielfaches größer! Es gibt viele Bauernhof-Cafés, und manchmal stehen auf den Wiesen oder am Wegesrand Kaffee und Kuchen und eine Blechbüchse als Kasse. 
Philip Kallrath: Nicht zu vergessen: Man ist dann eben in Holland und Holland hat sofort seinen eigenen Reiz! Der Spirit ist sofort zu spüren.    

M!: Wie war denn die Preisverleihung des Buchpreises? 

Gaby Allendorf: Den Preis gibt es seit 19 Jahren im fränkischen Schlosspark Dennenlohe. Die Verlage reichen Bücher ein und als ich dort den Tisch mit den ganzen Büchern sah, musste ich schon staunen. Da gab es alles: Kinderbücher, Fachbücher – und ich dachte, wir hätten keine Chance. Aber am Ende gab die Verbindung von Gärten und Radfahren den Ausschlag – das hätte es noch nicht gegeben. Die Jury fand das innovativ und zeitgemäß. Das hat uns riesig gefreut, denn für uns war die Idee im Münsterland ja so naheliegend.  

M!: Nochmal herzlichen Glückwunsch und vielen Dank für das Gespräch. Wir radeln schon mal los! 

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Caption

Sechs blühende Tagestouren  

Gaby Allendorf, Philip Kallrath,  
Grenzenloses Gartenradeln: Unterwegs im Münsterland und im Achterhoek.  
Aus der Reihe Schönes NRW,  Klartext Verlag 2023, Taschenbuch,  160 Seiten, sechs Tagestouren,  ISBN  978-3837525380, 18,95 Euro.  
klartext-verlag.de 

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Landhausgarten Borggreve-Sommer  Foto: Philip Kallrath

Blühendes Paradies im Landhausgarten Borggreve-Sommer*

Wenn Sie den Garten durch das urige Holztor links vom Haus betreten, läutet eine kleine rostige Glocke und signalisiert den Besitzern Marc Sommer und Christian Borggreve, dass Besucher gekommen sind. Wo früher ein Acker war, haben die beiden Velener ein blühendes Paradies geschaffen: Bäume und Hecken geben dem Ganzen eine Struktur. Der Gemüsegarten mit akkurat eingefassten Beeten verspricht stets reiche Ernte. Wer im Schatten unter hohen Bäumen Platz nimmt, staunt, wie gepflegt und vielseitig der Nutzgarten ist. Durch seine geometrischen Formen und die schnurgeraden, sattgrünen Rasenwege strahlt er wohltuende Ruhe und sympathische Bodenständigkeit aus. Eine Hecke mit einem Guckloch, durch das der Blick auf ein Storchennest gelenkt wird, ist nur eines von vielen liebevollen Details, ein alter Ziehbrunnen ein weiteres. Jenseits der Hecke beginnt der Blumengarten, überwältigend in seiner Vielfalt und doch geordnet. Rosen und vor allen Dingen farblich aufeinander abgestimmte Stauden dominieren. Marc Sommer stellt Farben, Formen und Wuchshöhe so gekonnt zusammen, dass seine Arrangements eine Vorlage für Vincent van Goghs Gartengemälde sein könnten. Marc Sommer hat nicht nur ein Händchen für Pflanzen, sondern beweist auch viel handwerkliches Geschick. Mehrere Lauben, Hütten und Schuppen aus alten Ziegeln, Balken, Dielen, Zaunelementen und Dachpfannen, die schon viele Jahrzehnte auf dem Buckel haben, hat er gebaut – um Gartengeräte unterzubringen, den Bienen ein Zuhause zu geben oder Freunden und Besuchern ein überdachtes Plätzchen anzubieten. Jede Hütte, jede Laube hat ihren eigenen Stil und ein raffiniertes Extra. Im Garten Borggreve-Sommer bekamen die meisten Dinge schon ein zweites Leben, lange bevor Recycling und Upcycling zu Trends wurden. Aus allerlei Second Hand-Baumaterial entstand auch ein gemütliches Gartenhaus, das die beiden Männer dank eines Kaminofens sogar im Winter nutzen. Hier servieren sie an den Tagen des offenen Gartens Kaffee und Kuchen – ein fantastischer Ausblick auf einen Naturteich und die angrenzende Pferdekoppel sowie auf die Schafweide ist inklusive.   

Eine Idylle wie aus einem Bilderbuch – Landhausgarten Borggreve-Sommer 
Kettlerstegge 36, 46342 Velen, Telefon 02863 380071 
landhausgarten-borggreve-sommer.de 

Garten Rave*  

„Alles Gute kommt über den Garten“, sagt Hildegard Rave und meint damit neue Bekanntschaften, gute Gespräche und sogar enge Freundschaften, die im Laufe der Jahre entstanden sind, seitdem sie und ihr Mann ihr Refugium für Besucher öffnen und selbst leidenschaftlich gern andere Gärten besuchen. In einem Wohngebiet in Ortsrandlage von Ramsdorf befindet sich der verwunschene Staudengarten mit mehr als 100 verschiedenen Sorten, darunter auch vielen Raritäten. Funkien oder Hosta, wie die dekorativen Blattschmuckstauden auch genannt werden, gibt es hier in schier unzähligen Varianten. Alle Pflanzen wachsen nach einen harmonischen Farbschema und ihren individuellen Vorlieben für Licht und Schatten. Eine auffällige Dekoration aus rostigem Eisen setzt besondere Akzente. Sie stammt aus der Werkstatt von Berthold Rave, der im Ort eine Schmiede betreibt. Herzstück des Gartens ist eine mächtige, 25 Jahre alte Trauerweide. Sie sorgt für ein Mikroklima, in dem es sich auch an heißen Tagen gut aushalten lässt. Für etwas Abkühlung und Frische sorgen auch ein Bachlauf und ein Naturteich. Wichtig sind der Gartenbesitzerin ihre drei Ginkgos. Die „Bäume des Lebens“ zählen zu den ältesten Baumarten der Welt und sind die Inspiration für das Motto der fröhlichen Hobbygärtnerin: „Wir feiern das Leben“.   

Garten Rave
Bargkamp 3, 46342 Velen, Telefon 02863 6249   
garten-rave.de

Wohngarten Sander*  

Sie betreten eine Oase mitten in einem Gewerbegebiet. Der Garten erstreckt sich rund um das ungewöhnliche Holzhaus, in dem Petra Sander mit ihrer Familie zu Hause ist. Wege aus Flusskieseln und mehrere Rundbögen aus Hainbuchen und Buchsbaum weisen die Richtung zum hinteren Teil des Grundstücks, den die leidenschaftliche Hobbygärtnerin so angelegt hat, „dass es den Augen und den Bienen gefällt“. Dabei hat sie stets großen Wert darauf gelegt, dass der Wohngarten ein Wohlfühlort für die ganze Familie ist. Deshalb standen früher, als die Kinder noch klein waren, Schaukel und Sandkasten dort, wo heute aus beschaulichen Sitzecken der Blick auf Stauden, Gräser, Bäume und blühende Sträucher fällt. Natursteinmauern und Wege geben dem Garten Struktur und Tiefe. „Ich freue mich, wenn unsere Kinder den Garten jetzt nutzen, um mit Freunden zu chillen oder wenn wir am Wochenende gemeinsam draußen essen“, erzählt Petra Sander. Apropos Wochenende: Die Lage inmitten von Gewerbebetrieben hat einen großen Vorteil: Samstags und sonntags herrscht eine geradezu meditative Ruhe. Außer Vogelgezwitscher hört man – nichts.   

Wohngarten Sander
Alter Torfweg 9, 46342 Velen, Telefon 02863 761862   
wohngarten-sander.de

* Textausschnitte mit freundlicher Genehmigung der Autoren und des Klartext Verlages

Tag der Gärten und Parks in Westfalen-Lippe

Am Samstag/Sonntag, 8. und 9. Juni,  öffnen zahlreiche Gartenpforten. Das volle Programm finden Sie hier: gaerten-in-westfalen.lwl.org  

VELEN  


Naturwohnraum Christina Schnelting  
Heidener Landweg 31, 46342 Velen
Geöffnet: Sonntag, 9. Juni, 11-18 Uhr  
Dieser wunderschöne Garten wurde kürzlich als „Garten des Jahres 2024“ vom Callwey Verlag ausgezeichnet.  
naturwohnraum.de 

Staudengarten Marks  
Maria und Heiner Marks,  Bahnhofsallee 10, 46342 Velen 
Geöffnet: Sonntag, 9. Juni, 11-18 Uhr  
MF.Marks@t-online.de 

Garten Rave 
(siehe oben)
Geöffnet: Sonntag, 9. Juni, 11-18 Uhr  

Landhausgarten Borggreve Sommer   
(siehe oben)
Geöffnet: Sonntag, 9. Juni, 11-18 Uhr  

Wohngarten Sander  
(siehe oben)
Geöffnet: Sonntag, 9. Juni, 11-18 Uhr 

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Garten Picker in Borken-Weseke. Foto: Münsterland e.V./Sebastian Lehrke

borken  


Garten Picker 
Berthold Picker,  Eschwiese 2, 46325 Borken-Weseke 
Geöffnet: Samstag, 8. Juni, 14-18 Uhr, Sonntag, 9. Juni, 11-18 Uhr  
garten-picker.de 

billerbeck  


Garten des Klosters Gerleve 
Geöffnet: Samstag, 8. Juni, 5 Uhr Sonntag, 9. Juni, 15 Uhr 
Morgendliche Führung durch den Klosterpark: Samstag, 8. Juni, 5 Uhr.