MÜNSTER! Magazin

Foto: Stefan Leppert

N°133


PROMENADE IN BLAU

In Münster läutet eine kleine Pflanze den Frühling ein. Besonders auf der Promenade tauchen mit hunderttausenden Exemplaren des Blausterns für ein paar Wochen große farbige Inseln aus dem frischen Rasengrün auf. Sie sagen: Jetzt ist der Winter endgültig vorbei. 

Text stefan leppert


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Foto: Stefan Leppert

Ab Mitte März hat die Promenade etwas mit dem Prinzipalmarkt oder der Ludgeristraße gemeinsam. Wie die Schaufensterdekorateure in der Innenstadt den Winter verabschieden, tun dies auf dem grünen Ring, der sie umschließt, die steigenden Temperaturen und Sonnenstunden. Je nach Witterung schlägt auf dem Promenadengrün Ende März bis Anfang April die große Stunde des Blausterns, botanisch Scilla siberica. Der botanische Artname deutet nach Osten, aber etwas zu weit. Diese Art des Blausterns stammt nicht aus Sibirien, sondern aus Mittel- und Südrussland, dem Kaukasus und dem östlichen Kleinasien. Um 1800 herum nahm man das Zwiebelgewächs in Westeuropa erstmals zur Kenntnis, denn dort, wo es ihm gefällt, breitet es sich aus. Das ist definitiv an einigen Stellen der Promenade der Fall. Zwischen Kanalstraße und Kreuztor ist das beispielsweise zu beobachten, aber auch zwischen Ludgerikreisel und Promenade hat der Blaustern Fuß gefasst. Dort findet er humosen Sandboden, der in Münster weit verbreitet ist und auf dem sich die Pflanze willig aussät. 

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Eine der Blaustern-Oasen an Münsters Promenade ist die Wiese am Sketch of a Fountain, der Brunnenskulptur der Künstlerin Nicole Eisenman. Foto: Stefan Leppert

Der Blaustern gehört zu den sogenannten Frühlingsgeophyten, die vor dem Blattaustrieb der Bäume zuerst ihre Blätter aus der Rasennarbe schieben und dann ihre leicht nickenden Blüten. Mit dem entstehenden Baumschatten endet die Blüte dann, das Grün welkt und im Sommer ist vom Blaustern nichts mehr zu sehen. Aber er wird wiederkommen, den Frühling einläuten und pflanzenstill rufen: Kommt raus, geht spazieren, die Promenade ist schön! 

MARKIEREN MIT MAGNOLIEN

Der Frühling ist in vollem Gange, alles scheint zu blühen. Ein Kleinbaum fällt bald besonders auf, auch weil er an markanten Stellen in Münster gepflanzt wurde und seine Blüte auffälliger und verschwenderischer nicht sein könnte: die Tulpen-Magnolie.

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Foto: Stefan Leppert

Der Freund von Bäumen, Parks und Gärten, der gelegentlich auch durch andere Städte reist, wird in Münster eine interessante Entdeckung machen und sich vielleicht eine Frage stellen: Ist es Zufall oder stadtplanerisches Kalkül, dass in dieser Stadt markante Orte durch eine ganz bestimmte Pflanze dekoriert werden? Gemeint ist die Magnolie, die der Volksmund wegen ihrer dekorativen Schalenblüten auch Tulpen-Magnolie nennt. In vielen Städten ist sie die Fürstin alter Vorgärten, doch ist die große Mode vorbei. Auch wenn sie kein Baum, sondern eher ein großer Strauch bleibt, erscheint sie für die immer kleiner werdenden Vorgärten zu groß. Und viele ältere und üppigere Vorgärten sind inzwischen verschwunden. 

Daher finden wir – und das eben gerade in Münster – stattliche Exemplare der Tulpen-Magnolie (Magnolia soulangiana) vor allem im öffentlichen Raum. Was wäre der Mai ohne die Magnolie am Mauritztor, könnte die Pferdegasse schöner enden als am Anblick dieses etwas ungelenk dastehenden, aber pachtvoll blühenden Gehölzes im barock anmutenden Innenhof unterhalb des Doms? Wir kommen aus der Stubengasse, biegen links in die Klemensstraße und dieser Schwenk geht zur Frühlingsblüte nicht vonstatten, ohne an der Magnolie vor dem Stadt Café hängen zu bleiben. 

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Mitten in der Stadt! Die Magnolienblüte tut dem Platz an der Klemens­straße richtig gut … Foto: Stefan Leppert

Vor 1830 gab es in Deutschland schon andere Magnolien, aber erst mit der Prunk-Magnolie, wie man sie auch nennt, wurde die Gattung zum festen Bestandteil des privaten und städtischen Grüns. Im Vergleich zur Stern-, zur Purpur- oder zur Großblütigen Magnolie blüht sie später, und die Blüte wird nur sehr selten von Spätfrösten dahingerafft. Wenn Petrus eher trockene Maiwochen beschert, verblüht sie edel und verstreut ihre Blütenblätter einzeln nacheinander auf den Gehsteig, der dadurch grandios an Eleganz gewinnt, für kurze Zeit freilich nur.

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Sandstein trifft Blütenpracht! Foto: Stefan Leppert

Woran die Stadtväter oder Grünflächenämter im Nachkriegsmünster nicht dachten, was uns alle aber mehr und mehr umtreibt, macht die Magnolie heute wieder interessant. Nach dem hellen Blütenmeer im Mai, das sie dem aufmerksamen Fußgänger schenkt, folgt eine sommerliche Zähigkeit. Man kann kaum glauben, dass die Fürstin so anspruchslos ist und dem Klimawandel die kalte Schulter zeigt. Bedeutend besser als viele andere Arten übersteht sie Hitzeperioden erstaunlich gut. In Münster ist die Tulpen-Magnolie damit ein Baum der Geschichte, der Gegenwart und der Zukunft. Freuen Sie sich schon jetzt darauf! 

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Auch dort, wo der Straßenverkehr brausend zum Bahnhof führt, sorgt das zarte Rosa der Magnolie für Poesie im Urbanen. Foto: Stefan Leppert