MÜNSTER! Magazin

Foto: Peter Leßmann

N°113


Alles unter einem Dach

Historisches Gebäude mit moderner 
Willkommenskultur: Das neue Botanicum ist die 
zentrale Anlaufstelle für Studierende in Münster.

Text mona contzen 


Manch einer wird sich noch erinnern: Das Studium in Münster begann im Keller. Im Untergeschoss des Schlosses schrieb man sich als Studierender bei der Uni Münster ein. Der Kontrast zu heute könnte kaum größer sein, denn das Studierendensekretariat hat zusammen mit allen zentralen Beratungs- und Serviceeinrichtungen der Westfälischen Wilhelms-Universität im Botanicum eine neue Heimat gefunden. Ob Lernloft, International Student Lounge oder Career Service – das „Haus des Studiums“, so der Untertitel, steht für eine moderne Willkommenskultur. Und trotzdem weht durch das Gebäudeensemble im Schlossgarten mehr als nur ein Hauch Geschichte.

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Unter Denkmalschutz: Hölzerne Einbauvitrinen aus den 1950er Jahren zieren den Vorraum des Career Service. Der Gang durchs Botanicum gleicht einer Zeitreise: Im alten Hörsaal wurden Gestühl, Parkett und Sprossenfenster aufgearbeitet. Auch die historische Anrichte und das Rednerpult gibt es noch. Fotos: Peter Leßmann

Eine kleine Radtour durch die Stadt, um von einem Seminar zum nächsten zu kommen, ist für viele Studierende in Münster eine willkommene Abwechslung vom Hörsaalalltag. Doch wenn es um Information und Beratung geht, kann solch eine dezentrale Struktur schnell nerven. Zentrale Studienberatung, International Office, Studierendensekretariat, Career Service, das AStA-Referat für behinderte und chronisch kranke Studierende – jahrelang saß jede Einrichtung der WWU in einem anderen Gebäude. Die Grundidee für das neue Botanicum war daher denkbar einfach: „Wir wollten alles unter einem Dach haben. Und das barrierefrei“, sagt die Dezernentin für Studium und Lehre, Eva Mundanjohl. Das war 2015, und die Studierenden, die ein wesentliches Mitspracherecht bei der Verteilung der Studiengebühren – mittlerweile hießen sie Qualitätsverbesserungsmittel – hatten, waren begeistert. Sechs der insgesamt zwölf Millionen Euro, die die Uni in den Umbau investierte, stammten aus diesem Topf. Ergebnis: Das ehemalige Botanische Institut, dessen Geschichte bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht, ist heute die wichtigste Anlaufstation für Studierende in Münster. 

Auf rund 4.200 Quadratmetern finden sich jetzt fünf große Seminarräume, die zum Beispiel für internationale Begegnungsangebote oder Bewerbungstrainings genutzt werden, aber auch studentische Lernräume für Kleingruppen. Der Career Service berät in einer Sofaecke, die mit ihren deckenhohen historischen Holzeinbauten wie ein nobles Herrenzimmer wirkt, zum Start ins Berufsleben, und die Zentrale Studienberatung, deren Flure mit schalldämmenden Filzpunkten in Grau und Gelb freundlich-modern daherkommen, gibt Orientierungshilfen vor oder auch während des Studiums. Größter Nutzer des Botanicums ist das International Office, das als zentrale Anlaufstelle für alle internationalen Aktivitäten an der WWU auch die International Student Lounge betreibt: Hier finden Studierende aus dem Ausland in einer Art WG-Atmosphäre zwischen Küche, Beamer und Brettspielen immer einen Ansprechpartner. 

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Ein offen gestaltetes Lernloft im ausgebauten Dachboden bietet den Studierenden 45 Arbeitsplätze mit Blick ins Grüne. Foto: Peter Leßmann 

Seit Ende 2020 ist das Haus des Studiums nun fertig. Auf eine große Eröffnungsfeier nach rund zwei Jahren Bauzeit hat die Uni pandemiebedingt verzichtet. Ohnehin ist der schmale, langgestreckte Klinkerbau schon immer rechterseits im Blickfeld gewesen, wenn man das Schloss durch den Hintereingang verlässt. Ursprünglich nach Plänen des Königlichen Regierungsmeisters Böhnert in den Jahren 1896–97 als erster Forschungsbau für Biologie in Münster errichtet, wurde das Gebäude mit seinen Laboratorien und Büros im Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstört. Auf den alten Grundmauern baute man das Ensemble wieder auf, Anfang der 1970er Jahre kam ein neuer Laborflügel dazu. Heute steht das ehemalige Botanische Institut als charakteristisches Beispiel für die Wiederaufbauarchitektur der frühen 1950er Jahre in Münster mitsamt der erhaltenen Ausstattung unter Denkmalschutz. Die Kernsanierung und Erweiterung wurde so gleichermaßen zur Chance wie zur Herausforderung. 

„Es knarzt hier nur nicht mehr so schön wie früher.“
 Eva Mundanjohl

Heute gleicht der Gang durchs Gebäude einer Zeitreise. Der 1911 angebaute Hörsaal, der sogar den Krieg überstanden hat, vermittelt – trotz neuester technischer Ausstattung – ein authentisches 1950er-Jahre-Gefühl: Hörsaalgestühl, Parkett und Sprossenfenster wurden allesamt aufgearbeitet, neben der historischen Anrichte steht noch das alte Rednerpult. „Es knarzt hier nur nicht mehr so schön wie früher“, sagt Eva Mundanjohl und schmunzelt. Dann geht es vorbei an den alten Holzschränken, in denen die Botaniker einst ihre Exponate aufbewahrten, über eine Wendeltreppe in den ausgebauten Dachboden. Das ursprüngliche Mauerwerk ist noch sichtbar, sonst erinnert hier nichts an alte Zeiten: Das riesige Lernloft ist offen gestaltet und vornehmlich in Schwarzweiß gehalten. Rund 45 Arbeitsplätze mit Blick ins Grüne stehen den Studierenden hier werktags bis in den späten Abend hinein zur Verfügung. 

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Foto: Peter Leßmann 
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Modernes Wohlfühlkonzept trifft Nachkriegsdesign: Der Wartebereich des Studierendensekretariats wirkt wie ein Spa, nur ein paar Schritte weiter herrscht 1950er-Jahre-Flair. Foto: Peter Leßmann 

Der Kontrast ist enorm und doch passt alles irgendwie zusammen: Der Wartebereich des Studierendensekretariats, das für alle Fragen rund um Bewerbung, Zulassung, Einschreibung und Exmatrikulation zuständig ist, wirkt beinahe wie ein Spa mit seiner simulierten Tageslicht­decke und der hellen Holzverkleidung an den Wänden. Nur ein paar Schritte weiter zieren hölzerne Einbauvitrinen aus den 1950er Jahren, die unter Denkmalschutz stehen, den gefliesten Vorraum des Career Service. Eine analoge Golduhr hängt an der Wand, der versteinerte Baumstumpf neben der Tür ist ein Relikt aus dem alten Botanischen Institut.  

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Alt und neu gehen fließend ineinander über. Der modern gestaltete Seminartrakt auf der linken Seite wurde regelrecht in den Schlossgarten „hineingegraben“. Foto: Peter Leßmann 

Es ist das Verdienst der P-E-P Architekten, dass im Botanicum alt und neu fließend ineinander übergehen, ohne sich gegenseitig die Show zu stehlen. Minimalistisch-cool wirkende Betontore leiten zum neuen Haupteingang, über dem auf altmodischen grünen Fliesen in goldenen Lettern der Schriftzug „Botanicum“ prangt. Das Foyer wirkt als Schnittstelle zwischen damals und heute: Rechts ist die alte Klinkerfassade – wie auch im Anbau an der Westseite – von außen in den Innenraum gerückt, links wurde ein modern gestalteter Seminartrakt an das Bestandsgebäude angegliedert und regelrecht in den Schlosswall „hineingegraben“. „Wir wollten ein natürliches Erscheinungsbild“, erklärt Karla Schnelle, Architektin und während des Umbaus die verantwortliche Baukoordinatorin der WWU. „Das Botanicum sollte nicht als großes Gebäude erscheinen, sondern in den Botanischen Garten integriert werden.“ 

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Der betont schlichte, zweigeschossige Klinkerbau duckt sich beinahe unauffällig
ins Schlossgartenareal. Auch der Anbau stört nicht das natürliche Erscheinungsbild. Foto: WWU – MünsterView

Und so duckt sich der betont schlichte, zweigeschossige Bau wie eh und je beinahe unauffällig in das Schlossgartenareal. Trotz der zentralen Innenstadtlage ist es noch immer ruhig hier, „aber wir hoffen, dass das Haus ganz viel an Bedeutung gewinnt, wenn wir jetzt im Sommer ins Präsenz­semester gehen“, sagt Dezernentin Eva Mundanjohl. Und wenn alles gut läuft, kann das Botanicum im Rahmen des Uni-Sommerfestes Anfang Juni auch endlich einmal offiziell eröffnet werden.

„Das Botanicum sollte nicht als großes Gebäude erscheinen, sondern in den Botanischen Garten integriert werden.“
 
Karla Schnelle

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Die Umgestaltung des Botanicums übernahmen die P-E-P Architekten. Karla Schnelle war die verantwortliche  Baukoordinatorin der WWU. Foto: Peter Leßmann