MÜNSTER! Magazin

 Radelt man am Kanal und blickt auf die Häuserreihe, ist es fast wie auf einem Nordseedeich. Mancher Gelmeraner geht morgens noch eine Runde schwimmen. Foto: Cornelia Höchstetter  

N°124


Gelmer – am Canal Grande

Münster ist wie ein Puzzle. Viele Teile ergeben das ganze Bild. In unserer MÜNSTER!-Serie stellen wir unsere Stadtteile vor. Diesmal geht es in den hohen Norden, nach Gelmer – mehr Dorf als Stadtteil. 

Text Cornelia Höchstetter


WO IST Gelmer?

Ganz oben: Gelmer liegt weit im Nordosten des Stadtgebiets, etwas abgerückt, direkt an Kanal, Ems und Werse und an der Grenze zum Kreis Steinfurt. Zu Gelmer gehören Overeskenhoek, Fuestrup und die Bauerschaft Gittrup auf der anderen Kanalseite. Zum statistischen Bezirk Gelmer zählen auch Dyckburg, Sudmühle und Mariendorf.   

Historisches 

Dank zahlreicher Funde weiß man, dass hier schon 23.000 Jahre vor unserer Zeitrechung sesshafte Jäger und Sammler gelebt haben (etwa an der Haskenau). Im Emssand entdeckten Wissenschaftler jenen Sachsenhof aus dem sechsten bis achten Jahrhundert, der bei Greven nachgebaut wurde. Im Jahr 1664 soll es rund 34 Hofstellen, 1826 schon über 100 in und um Gelmer gegeben haben. Die Böden wurden kultiviert, Heide war verbreitet. Der prächtige Hof Stadtbäumer heute als landwirtschaftliches Anwesen sichtbar vom Schifffahrter Damm , bekam seinen Namen, weil er der „Schlagbaum zur Stadt Münster“ war. Dort entstand die erste Kapelle von Gelmer. „Die Kinder von Gelmers Höfen wurden dort in Religion unterrichtet“, erzählen die Männer vom Heimatverein Klemens Lindenblatt, Franz-Josef Gähr und Josef Brinkkötter. Gelmer gehörte seit jeher zum Kirchspiel St. Mauritz. Zum Wohngebiet in Stadtnähe wurde Gelmer ab Anfang der 1960er Jahre: Da entstand die Eckernheide  – „Heide“ kommt in vielen Straßennamen vor und erinnert an die alte Landschaft auf den kargen Sandböden. Meist wurden Einfamilienhäuser gebaut, später kamen Reihenhäuser entlang der Hauptstraße dazu. „Gelmer ist langsam gewachsen, anders als andere Stadtteile Münsters“, erzählt Klemens Lindenblatt, Vorsitzender des Heimatvereins. 1975 wurde Gelmer eingemeindet und zum Stadtteil von Münster. Davor steckte man noch Geld in den Bau des Heidestadions und der Turnhalle, zwei Jahre später entstand die Mehrzweckhalle – sämtliche Vereine haben zusammen geholfen und die Halle in Eigenleistung gebaut. Heute wird sie immer noch von den Vereinen betrieben (auch vermietet für Hochzeiten, Bootsführerschein, Jagdprüfungen usw.) und ist das gesellschaftliche Herz Gelmers. 
Im Ort Gelmer leben 2.100 Menschen, mit Dyckburg, Sudmühle und Mariendorf  sind es etwa 3.500 Einwohner – ein ähnlich kleiner Stadtteil wie Sprakel.

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Der Trecker fährt auf der Gittruper Straße zur Kanalbrücke hoch – dort traf man sich gern zum Gruppenfoto. Fotos: Heimatverein Gelmer  

Was ist Typisch Gelmer?

„Wir sind ein kleiner Ort und legen großen Wert auf gute Nachbarschaft – man kennt sich!“, findet Heike Lütke-Laxen vom Spargelhof. Typisch Gelmer sind Kanal, Kanalüberführung (KÜ), viel Natur, viele Bauernhöfe im prächtigen Münsterland-Stil und natürlich Spargel und Wasser rundherum. Oberbürgermeister Markus Lewe soll bei einem Besuch gesagt haben: „Gelmer ist das Venedig von Münster“.

Wie lebt es sich da?

Wie im Urlaub“, findet Klemens Lindenblatt, und darüber ist er froh, denn als 15-jähriger Bub hat er in den 1970ern noch gegen den Bau einer Müllverbrennungsanlage  in den Rieselfeldern demonstriert. Dass dort jetzt ein Europäisches Vogelschutzparadies ist, genießt er auf seinen Spaziergängen. Zur Infrastruktur gehören die St.-Josefs-Kirche, die Kindertagesstätte, die Astrid-Lindgren-Schule (die aus allen Nähten platzt: Deshalb sitzen seit einigen Jahren die Schulkinder in Containern neben dem roten Backsteinbau, der eigentlichen Schule). Es gibt den kleinen Supermarkt Gelmer-Markt vor etwa sechs Jahren reaktiviert von den Einwohnern. Weiterhin gibt es die Heide-Apotheke einen Geldautomaten, die engagierte Freiwillige Feuerwehr zwei Ärzte. Der Stadtbus fährt tagsüber dreimal stündlich nach Münster. Sportler haben ihr Heide-Stadion sowie eine Turnhalle mit Bolzplatz. Vereine und Kirche bewirtschaften und verwalten die Mehrzweckhalle gemeinsam. Die wichtigsten Vereine sind: Schützenbruderschaft, der Heimatverein, DJK Grün-Weiß-Gelmer, Chorgemeinschaft Constantia Gelmer, die Landfrauen, KFD Frauengemeinschaft sowie die TheaoterFrönde Gelmer. 

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Typisch Gelmer: Einfamilienhäuser und große Gärten. Foto: Cornelia Höchstetter

Das schönste Haus?

Es mangelt nicht an schönen Gebäuden! Allen voran der Drostenhof, das Wolbecker Schloss mit Torhaus, Wirtschaftsflügel, Herrenhaus mit Treppenturm mitten im Ort. Es gilt als das bedeutendste Renaissancegebäude Westfalens. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren zeitweise Heimatvertriebene untergebracht. Von 1975 bis 2012 war das Westpreußische Landesmuseum beheimatet. Inzwischen ist es privat genutzt und der Park seit 2021 abgeschlossen – wofür manche Wolbecker wegen des geschehenen Vandalismus’ Verständnis haben – andere nicht, denn der Park wurde über 50 Jahre von den Wolbeckern genutzt.
Wunderschön ist auch das Fürstbischöfliche Jagdhaus im Wald, prächtig das Gut Fronhof Richtung Alverskirchen (dort wurden Grubenpferde gezüchtet) oder an der Hiltruper Straße 85 das Haus Dahl (erwähnt im 12. Jahrhundert, erbaut 1621). Bezaubernd ist die Villa Volt an der Angel: Die Wolbecker Tanja und Gordon Brandenfels haben den Trafoturm restauriert und in ein Gartenhaus verwandelt.

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Es sind jetzt schon mehr Schüler da als Platz in der Schule ist. Deshalb wird in Containern unterrichtet. Theater (rechts) gibt es jetzt und in Zukunft. Foto links: Cornelia Höchstetter, Foto rechts: Teaoter Frönde Gelmer e.V.

Bestes Vorzeigeprojekt?

Gelmer hat ein eigenes Theater: Seit 1990 kommen jedes Jahr im Februar/März Be­sucher bis aus Greven und Telgte, teils in Reisebussen, in die Mehrzweckhalle Gelmer. Dort verwandeln die Teaoter Frönde Gelmer e.V. die Halle zur Theaterbühne mit Bühnenbild und führen ihre Mundartstücke auf Plattdeutsch auf. Früher waren die Schaupieler gleich­zeitig Mitglieder des Gesangsvereins. 
2019 haben sich die Teaoter Frönde Gelmer selbständig gemacht. Auf dem Programm in diesem Jahr stand „De Geister, de ik raip“. Souffleuse und Schriftführerin des Vereins Theresia Greve sagt: „Die Leute sollen mit einem Lachen aus der Aufführung kommen, und das tun sie.“ Im Sommer gehen die Theaterleute auf Fahrradtour und planen, wer was im kommenden Jahr spielen soll. In der Weihnachtszeit wird die Bühne aufgebaut, das Bühnenbild selbst gebaut und zweimal die Woche geprobt. 28 Mitglieder hat der Verein, „und viele Helfer“, sagt Resi Greve.
Ein anderes Vorzeigeprojekt: Gelmer hatte deutschlandweit das erste speziell für Pferdebesitzer ausgeschriebene Baugebiet „Wohnen und Leben mit Pferden“ – Einfamilienhäuser mit Platz auf dem Grundstück für einen eigenen kleinen Stall. 

Essen und Trinken

Spargel und Erdbeeren und manches mehr gibt es auf den Höfen (siehe Infokasten links). Außerdem sind der Heidekrug in den Rieselfeldern und in der Sommersaison die Gastronomie am Yachthafen Fuestrup nicht weit entfernt.

Größtes Problem?

Gelmers Kinder lernen in Containern (siehe „Zukunftsprojekte“) – die Schule ist viel zu klein. „Der Ort ist zu klein, so dass es manchmal bei der nötigen Infrastruktur hakt – etwa bei der schlechten Busanbindung“, findet Heike Lütke Laxen. Manches Mal fühlen sich Gelmers Bürgerinnen und Bürger vergessen von Münster. „Etwa, als die Coermühle durch die Rieselfelder nach Coerde und Kinderhaus für den Autoverkehr gesperrt wurde“, sagt Klemens Lindenblatt. Die Verbindung war für Gelmer der kurze Weg in den Norden Münsters und Kinderhaus, ein Zugang zur städtischen Versorgung. Über den Schifffahrter Damm ist der Weg nach Münster länger und vor allem staugefährdet. Das Problem mit der Haskenau Brücke  steht unter: „Ab ins Grüne“.

Warum sollten sie Wolbeck unbedingt besuchen?

Jetzt im Mai? Spargel, Spargel, Spargel … Und sonst: ein ideales Radtourenziel im Grünen, natürlich mit Badezeug in den Packtaschen.

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Zukunftspläne

Gelmer soll wachsen und eine neue Schule und Kindertagesstätte bekommen. Nur wann und wie? Ein Stadtentwicklungskonzept ist geschrieben, die Umsetzung geht ihren Weg über die Stadtteilkoordinatoren und die Politik. Es ist kompliziert, weil eins vom anderen abhängig ist und sich so blockiert. Aufs Einfachste runtergebrochen (es gibt eine vierseitige Stellungnahme der Bezirksvertretung Münster-Ost): Die Schulkinder lernen wohl vorerst weiter in den Containern. Ein Ausbau der Schule an Ort und Stelle ist nicht gewünscht, weil die Bürger die Grünfläche neben der alten Schule als Ortsmittelpunkt und Treffpunkt erhalten möchten. Ein Neubau der Schule lohnt sich erst, wenn es mehr Schüler gäbe. Mehr Schüler gäbe es, wenn mehr Menschen nach Gelmer ziehen. Dazu braucht es Bauplätze, und für deren Baupläne stehen vorerst unter anderem ausstehende Entwässerungskonzepte sowie deren Finanzierung und Geruchsemmissionsschutzwerte an. Der Flächennutzungsplan steht zwar: Bauplätze gäbe es im Norden an der Wulferding­heide oder südlich der Eckern­heide – dort geht es noch um Entwässerungsgutachten und um Flächen, die die Stadt erst noch kaufen muss. Aber die Eckernheide, so die Aussage aus der Stadt, soll bald entwickelt werden.

muenster-gelmer.de
heimatverein-gelmer.de
web.muenster.de/gelmer.html
tfgelmer.de

Gelmers weißes und grünes Gold

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Foto: Lütke-Laxen

Hofladen Lütke-Laxen

Hofladen Lütke-Laxen zur Spargel- und Erdbeersaison: Bis 25. Juni jeden Freitag, Samstag, Sonntag und an Feiertagen von 11.30 bis 20 Uhr Spargelessen, Gerichte oder Buffet, Eis, Kuchen und mehr im Hof und in der Spargelscheune. Spargelfest am Sonntag, 7. Mai. mit Kinderanimation, Flohmarkt, Kleinkunststände und natürlich Spargelessen. luetke-laxen.de

Bäcker’s Erdbeer- und Spargelhof

Spargelbuffet auf Bäcker’s Erdbeer- und Spargelhof, bis 25. Juni, jeden Freitag, Samstag, Sonntag von 11.30 bis 20 Uhr: 37,90 Euro für das Spargelbuffet von Vor- bis Nachspeise, inklusive Getränken (außer Kaffee). spargel-baecker.de

Hof Renfert Deitermann

Spiekerladen auf dem Hof Renfert Deitermann, westlich des Kanals in Gittrup: Im Hofladen gibt es ganzjährig Köstliches vom Hof und anderen Höfen. Im Mai und Juni auch Spargel, den Sommer über Erdbeeren. Wenn es warm wird, meist ab Mai, kann man sich in den Hof setzen, Kaffee trinken, Eis oder Kuchen oder andere Leckereien aus dem Hofladen genießen. spiekerladen.de

Restaurant und Hofcafé Tennenhof

Spargelspezialitäten gibt es auch im ganzjährig geöffneten Restaurant und Hofcafé Tennenhof nordöstlich von Gelmer. tennenhof.net