N°146
Aus AKH wird FBF
Familienbildung in der Friedensstraße – wie ein bunter Blumenstrauß
In der Friedensstraße 5 befindet sich ein Haus, in dem Menschen seit 1957 ein- und ausgehen, in dem sie voneinander lernen und miteinander wachsen. Seit diesem Jahr heißt es FamilienBildung Friedensstraße, oder kurz: FBF.
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Seit drei Jahren gebe ich, Autorin dieses Beitrags, im ehemaligen Anna-Krückmann-Haus (AKH) Kurse im Handlettering, der Kunst des Buchstabenzeichnens. Im letzten Jahr erreichte mich als Kursleiterin intern die Nachricht, dass das Haus im Begriff sei, seinen Namen zu ändern. Man wollte sich vom politischen Wirken seiner Namensgeberin distanzieren. Fachwissenschaftlich fundierte Recherchen ergaben nämlich, dass sich Anna Krückmann zwischen den 1920er und 1940er Jahren in radikal rechten Kreisen bewegt hat. Seit dem 1. Januar heißt so nun also Münsters älteste, politisch und konfessionell unabhängige Familienbildungseinrichtung FamilienBildung Friedensstraße (FBF).
Familienbildung in der Friedensstraße
„Bei der Namensfindung war es uns wichtig, auszudrücken, wofür das Haus steht: Familienleben fördern, Bildungsmöglichkeiten schaffen und Demokratie stärken“, betont Corinna Sühlsen, Leiterin und Geschäftsführerin der FBF.
Das sollte sich auch im neuen Logo widerspiegeln: „Unser Haus ist ein Ort, an dem alle willkommen sind. Hier kommen Menschen in einer ähnlichen Lebenssituation zusammen und wachsen gemeinsam.“
Es geht dabei um mehr als 10.000 Menschen, die hier jährlich ein- und ausgehen. Die Familienbildungseinrichtung in der Friedensstraße hält den TeilnehmerInnen über 900 verschiedene Kursangebote im Jahr bereit, die wiederum in neun Fachbereiche unterteilt sind: Rund um die Geburt, Mit Kindern leben, Erziehung und Beziehung, Sprachen lernen, Beruflich weiterbilden, Gesundheit und Fitness, Treffpunkt Küche, Kunst und Handwerk und Alles selbst genäht.

„Bei der Namensfindung war es uns wichtig, auszudrücken, wofür das Haus steht: Familienleben fördern, Bildungsmöglichkeiten schaffen und Demokratie stärken.“ Corinna Sühlsen
Auf den ersten Blick scheinen Handlettering und Kurse wie etwa Säuglingspflege oder Eltern-Kind-Spielgruppen nichts miteinander zu tun zu haben. Beim erstgenannten Kurs, Handlettering, lernen die TeilnehmerInnen, wie sie Wörter und ganze Sätze künstlerisch zu Papier bringen. Bei den anderen erfahren Eltern unter anderem, wie sie ihr Neugeborenes halten, baden und in ihrer Entwicklung fördern können. Das, was die Kurse der FBF am Ende des Tages vereint, ist das, was Corinna Sühlsen bereits angedeutet hat: Es geht darum, sich persönlich weiterzuentwickeln und gemeinsam mit Gleichgesinnten eine gute und lehrreiche Zeit zu verbringen.
Freundschaften fürs Leben
Apropos lehrreich: „Auf alles wird man vorbereitet, aufs Elternsein nicht so“, findet Diemut Sträter, die neben ihrer hauptberuflichen Tätigkeit als Sozialarbeiterin verschiedene Kurse rund um die Geburt anbietet. Im Rahmen ihres Diplomstudiums in Sozialpädagogik absolvierte sie in der Familienbildungseinrichtung erst ein Praktikum, danach ihr Anerkennungsjahr. Sie wurde damals gefragt, ob sie als Kinderkrankenschwester und angehende Sozialpädagogin eigene Kurse in der Familienbildungseinrichtung anbieten möchte. Das wollte sie und tut es nun seit 30 Jahren (Herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum!).
„Auf alles wird man vorbereitet, aufs Elternsein nicht so.“ Diemut Sträter

„Hier habe ich meine Wurzeln“, sagt Diemut Sträter – in jeder Hinsicht. Als sie selbst schwanger war, besuchte sie als Teilnehmerin mit ihrem Mann Geburtsvorbereitungs- und Eltern-Baby-Kurse. Als werdende Eltern ging es ihnen vor allem darum, andere Mütter und Väter kennenzulernen und ihrem Kind den Kontakt mit anderen Babys zu ermöglichen. Aus den zahlreichen Kursen, die
Diemut Sträter in der Vergangenheit begleitet hat, hätten sich außerdem Freundschaften ergeben, die noch bis heute halten.
Das kann auch Nicole Seibel bestätigen. Sie hat während ihrer Schwangerschaft und nach der Geburt mit ihrem Mann an einigen Kursen teilgenommen und sich mit den anderen Eltern ausgetauscht: Gibst du schon Brei? Wie ist es mit dem Schlafen? Hat das Kind jetzt Zahnschmerzen, Bauchschmerzen oder Hunger? „Durch den
Kurs sind schöne Freundschaften entstanden.“ Seit März arbeitet sie als stellvertretende Büroleitung in der FBF, ist „Dreh- und Angelpunkt“ für die KursleiterInnen und TeilnehmerInnen. Gleich in ihrer ersten Arbeitswoche ist Nicole Seibel der Frau begegnet, die früher die Kurse leitete, an denen sie selbst teilgenommen hatte. „So schließt sich der Kreis“, freut sie sich.
Die Familienbildungseinrichtung hat auch Kurse nur für Väter in petto. Matthias Busch, Lehrer und selbst Vater, begleitet Spielgruppen für Väter von ein- bis dreijährigen Kindern. Gelegenheit für die jungen Väter, sich nach dem Job bewusst Zeit für ihre Kinder zu nehmen und mit ihnen zu spielen. Zwischendurch und mittendrin unterhalten sich die Männer über die (Un-)Vereinbarkeit von Beruf und Familie, übers Flasche geben oder den Kita-Navigator. „Die verlängerte Frist für die Kita-Anmeldung war im Februar ein sehr präsentes Thema“, blickt Matthias Busch auf den Jahresanfang zurück. „Es tut gut, zu hören, dass andere genauso unterwegs sind.“ Und dass sich andere Väter mit denselben Fragen beschäftigen und ähnliche Sorgen haben, wie er hinzufügt.



Ein bunter Blumenstrauß
„Mindestens 75 Prozent unserer Angebote sind dafür da, das Familienleben zu bereichern und Möglichkeiten aufzuzeigen, wie das auch zuhause gelingt“, sagt die Leiterin der FamilienBildung Friedensstraße. Das sei der gesetzliche Auftrag, den die anerkannte Familienbildungseinrichtung nach dem Weiterbildungsgesetz NRW habe und erfülle. Neben den klassischen Eltern-Kind-Kursen gibt es Kochkurse, gesundheitsfördernde Angebote, Sprach- und Handwerkskurse.
Das Angebot der Familienbildungseinrichtung sei wie ein bunter Blumenstrauß, findet Ulla Jasper, Lehrerin für Englisch und Deutsch im Ruhestand. In der FBF gibt sie seit drei Jahren Englischkonversationskurse für Fortgeschrittene. Mit den KursteilnehmerInnen spricht sie zum Beispiel über die neue Marc-Chagall-Ausstellung im Picasso-Museum, die übrigens noch bis zum 9. Juni zu sehen ist. Auch Filme und Bücher seien beliebte „Topics“ (zu deutsch: „Themen“).
Ihrer Leidenschaft für Bücher geht Ulla Jasper seit diesem Jahr in einem neuem Kursangebot nach: dem Lesesalon. „Erinnerst Du Dich an das erste Buch, das Du in deiner Kindheit gelesen hast? Hast Du früher einen Autor gelesen, den Du jetzt nicht mehr liest? Was bedeutet Lesen für Dich?“ sind Fragen, über die sich die TeilnehmerInnen nach Lust und Laune austauschen können. Gerade diese Eigeninitiative und diesen Ideenreichtum schätzt Corinna Sühlsen sehr: „Unsere Honorarkräfte leisten alle sehr engagierte und wunderbare Arbeit. Das finde ich wirklich phänomenal.“ Gemeinsam entwickeln sie ihre Angebote stetig weiter.

"Es ist bunt. Es ist vielfältig. Hier verfolgen wir unsere Leidenschaft.“ Marita Foullois
Quilten und quatschen
Einmal im Monat, mit Ausnahme der Sommerferien, findet in der FBF ein Patchwork-Treff statt. Kursleiterin Marita Foullois ist dem Haus an der Friedensstraße schon seit über 30 Jahren treu. „Die meisten, die in meinen Kurs kommen, kenne ich schon sehr lange“, erzählt sie. In dem dreistündigen Treff verfolgt jede Teilnehmerin eine eigene Projektidee. Marita Foullois selbst quiltet einen Wandbehang, indem sie mehrere Lagen inklusive Füllmaterial übereinander legt und durchsteppt. Zwischendurch zeigt sie, wie man einen Winkel näht oder Stoffe im klassischen Blockhaus-Muster zusammenlegt. Ansonsten gilt: Alles kann, nichts muss.
„Es ist bunt. Es ist vielfältig“, fasst die Kursleiterin zusammen. „Hier verfolgen wir unsere Leidenschaft.“ Dabei stehe die gegenseitige Inspiration und der Austausch an erster Stelle. Und das Quatschen kommt auch nicht zu kurz, wie ich während meiner Recherche selbst erlebt habe. Auch Marita Foullois hat wie die anderen KursleiterInnen beobachten können, wie Freundschaften entstehen. Alle sind sich einig: „Es ist super bereichernd, auf allen Ebenen.“

Familienbildungseinrichtungen im Münsterland
In Münster und Umgebung gibt es neben der FamilienBildung Friedensstraße weitere Einrichtungen in unterschiedlicher Trägerschaft. Ihr gemeinsames Ziel: Familien in ihrer Selbstwirksamkeit fördern, etwa
• Arbeitskreis soziale bildung und beratung in Münster
• Evangelische Familienbildungsstätte (FaBi) in Münster
• Haus der Familie in Münster
• Jugend- und Familiendienst in Rheine
• Katholische Familienbildungsstätten im Münsterland
• Katholisches Kreisbildungswerk in Coesfeld
Lust, selbst Kurse anzubieten?
„Unsere KursleiterInnen haben viel Freude daran, das, was sie selbst lieben und gut können, anderen zu vermitteln. Sie schaffen einen Ort, an dem sich die TeilnehmerInnen wohlfühlen, an dem es Zeit für ihre Fragen, Anliegen und Hobbies gibt. Sie bringen Menschen zusammen und tragen dazu bei, dass TeilnehmerInnen neue Seiten an sich entdecken“, sagt Corinna Sühlsen. Die FamilienBildung Friedensstraße freut sich immer über neue Gesichter, die das Haus mit noch mehr Leben füllen. Aktuell sucht das Team KursleiterInnen für:
• Geburtsvorbereitung
• Rückbildungsgymnastik
• Eltern-Baby- und Eltern-Kind-Angebote
• Bauchtanz
• Yoga und Pilates
• Deutsch als Zweitsprache (in Hiltrup)