MÜNSTER! Magazin

Ohne sie wären Kneipen, Clubs und Restaurants, Hotels, Bars und Küchen: nichts. Viele tausend „Gastronomie-Gesichter“ halten unsere Theken- und Tischgenüsse – jeweilsauf ihre ganz individuelle Weise – am Laufen. Wir freuen uns, diese Persönlichkeiten Ausgabe für Ausgabe zu porträtieren. Foto: Peter Leßmann

N°140


FABRIZIO GIANGRANDE – 
IN DER RUHE LIEGT DIE KRAFT!

Er hat schon Angela Merkel und Thomas Gottschalk bewirtet,  sein Herz hängt auch sehr an Italien und der Schweiz. Aber zuhause ist er  jetzt hier: in Münster. Mit seiner Familie. Und im Großen Kiepenkerl:  Dürfen wir vorstellen? Fabrizio Giangrande!

Text britta heithoff 


Geburt 1970 in Lachen im Schweizer Kanton Schwyz. Heimat: Münster. Zweite Heimat: Pescara in den Abruzzen Italiens. Die Geschichte von Fabrizio Giangrande mutet zunächst wie eine kleine Reise an, also erzählen wir sie doch einfach ganz von vorn: Denn bereits in den 1960er Jahren siedelten Fabrizios Eltern, beide Italiener aus den Abruzzen, in die Schweiz über. Papa Domenico arbeitete dort als Schreiner, Mama Anna kümmerte sich um Fabrizio und seine Schwester Mirella, startete dann in Teilzeit in einer Telefon-Zubehör-Fabrik. Als der Vater 1986 erkrankte und nicht mehr arbeiten konnte, wendete sich das Leben der Fa­milie Giangrande. Fabrizio, zu diesem Zeitpunkt 
16 Jahre alt, war gerade im ersten Jahr seiner Handelsschulausbildung. Aber nun folgte er seiner 
Familie aufgrund der Erkrankung seines Vaters zurück nach Italien, an den Ort, den er bislang nur in den Ferien kennengelernt hatte: ein Dorf in der Nähe von Pescara.

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Arbeitsort mit großer Wirkung: Fabrizio Giangrande schätzt es sehr, dass zu den Gästen im Großen Kiepenkerl sowohl Touristen als auch Münsteraner gehören. Foto: Peter Leßmann 

Neuanfang. Und dank eines Modellversuchs auch mit neuer beruflicher Ausrichtung: Er schlug nun den Weg zum Primarstufenlehrer ein an einer staatlichen Höheren Schule mit den Fächern Pädagogik und Linguistik. In dieser Zeit lernte er auch seine (erste) Frau kennen, halb Italienerin, halb Kroatin. Ihre Eltern waren Gastronomen in Köln, so kam das junge Paar nach Deutschland. Und Fabrizios Weg in der Gastronomie begann.

Unter anderem arbeitete er auch bei einem „Promi-Italiener“, wo regelmäßig aus Film, Funk und Fernsehen bekannte Größen wie etwa Gerhard Schröder und Angela Merkel, die Klitschkos, Sportler des 1. FC Köln und Thomas Gottschalk mit seinen Freunden zu Gast waren. „In Köln habe ich im Laufe der Zeit immer mal wieder neue Anstellungen gesucht und gewechselt, so habe ich eine Menge kennengelernt“, erzählt Fabrizio. „Sehr anstrengend waren immer die Teildienste, die gingen dann von 11.30 Uhr bis 14 Uhr, dann wieder von 17.30 Uhr bis ‚Ende‘, das Ganze an sechs Tagen in der Woche“, erinnert er sich. Als dann Sohn Christopher geboren wurde, wollte Fabrizio, Familienmensch durch und durch, etwas kürzer treten. Beruflich war er jetzt (Köln halt!) im Brauhaus Früh am Dom als Oberköbes im Einsatz (als Köbes werden in Bonn, Düsseldorf und Krefeld sowie natürlich in Köln die Kellner bezeichnet, Anmerkung der Redaktion), später dann sogar als Restaurantleiter in einem der kleineren Früh-Betriebe in der Südstadt. 

Leider „zerbröselte“ (wie es Fabrizio nennt) in dieser Zeit seine Ehe und seine Frau wanderte nach Kroation aus. Den zwölfjährigen Sohn Christopher behielt Fabrizio bei sich, er kämpfte dafür und war froh, dass dies gelang. 

Später lernte er im Früh-Betrieb seine heutige Frau Annika kennen. Sohn Louis wurde geboren. Und mit den zwei Söhnen und dem Wunsch nach etwas mehr Ruhe für die Familie abseits der Großstadt wanderten im Mutterschutz erst die Gedanken gen Reckenfeld, wo Annika aufgewachsen war und wo auch ihre Familie lebte. Schließlich gelang auch das Übersiedeln. Seit 2017 wohnt die junge Familie nun im Münsterland – in Horstmar, wo Ehefrau Annika nun nicht mehr in der Gastronomie, sondern als pädagogische Fachkraft arbeitet. Vor sechs Jahre wurde Tochter Mia geboren – die Familie ist komplett und fühlt sich hier pudelwohl. Der Älteste, Christopher, studiert übrigens in Münster Soziale Arbeit – die Altersspanne der Geschwister ist groß, das Familienleben umso vielfältiger.

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Die Zusammenarbeit mit den jungen Kolleginnen und Kollegen, hier Harry, empfindet Fabrizio als großes Geschenk. Foto: Peter Leßmann

Im Münsterland angekommen arbeitete Fabrizio zunächst als Restaurantleiter bei Caputo’s an der Königsstraße, als die Zeiten dort wegen der Geburt von Mia nicht mehr passten, wechselte er zum Beverland Ressort als Betriebsleiter. Dann kam die Pandemie. „Da war natürlich dann nichts mehr los“, erinnert sich Fabrizio. Schließlich schaute er sich online nach einer neuen Aufgabe um und landete im Großen Kiepenkerl, wo eine Stelle als stellvertretender Restaurantleiter ausgeschrieben war. Beim Vorstellungsgespräch war diese dann zwar schon besetzt, aber Fabrizio fühlte sich hier gleich wohl und spürte: „Eigentlich brauche ich gar keine Führungsposition.“ Er begann hier ganz einfach als Kellner. „Egal welche Postion Du hast: Hier wird gemeinschaftlich auf Deine individuellen Wünsche als Mitarbeiter eingegangen, es wird geschaut, wie der Dienstplan so passt, dass alle zufrieden sind“, freut sich Fabrizio, der inzwischen Oberkellner ist. 

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Gemütliche Gastlichkeit und westfälische Tradition treffen im Großen Kiepenkerl auf frische Ideen auf der Karte! Foto: Peter Leßmann

„Geboren in der Schweiz habe ich in Deutschland eine  ähnliche Ordnung und Struktur wiedergefunden. 
Ja, die  Bürokratie … aber: Hier ist dafür auch alles gut geregelt!  In Italien ist das anders …“ 
Fabrizio Giangrande  

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Gemütliche Gastlichkeit und westfälische Tradition treffen im Großen Kiepenkerl auf frische Ideen auf der Karte! Foto: Peter Leßmann
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Zusammenhalt: Dank guter Planung und einer großen Crew ist die Arbeit für Fabrizio und seine KollegInnen trotz der vielen Gäste ohne Stress machbar. Foto: Peter Leßmann

„Die Studenten, die hier zu unserer Unterstützung arbeiten, sind uns eine große Hilfe! Unsere Chefinnen (Regina und Wilma von Westphalen, Anmerkung der Redaktion) besetzen die Schichten großzügig, so dass es gut zu schaffen ist, auch wenn mal Kollegen wegen Krankheit ausfallen“, resümmiert Fabrizio.  Der gebürtige Schweizer ist glücklich mit seiner jetzigen Lebenssituation. „Jede freie Minute verbringen wir mit unseren Kindern, gehen Schwimmen, machen Ausflüge – die Familie steht absolut im Mittelpunkt meiner Freizeit“, erzählt er. Dazu gehören auch Besuche im Stadion, Sohn Luis ist schon BVB-Kids-Mitglied. „Bei Preußen Münster waren wir noch nie, das würden wir schon gerne auch einmal machen“, erzählt der Familienvater, der übrigens auch mal selbst den Kochlöffel schwingt. „Pizza- und Pasta­rezepte habe ich von meiner Mama gelernt, Gnocchi kann ich auch gut! Meine Frau kocht aber auch sehr gut deutsche Küche.“  „Ich bin mit meinem Leben sehr zufrieden, möchte ruhig weiterarbeiten, brauche keine hohen Karrieresprünge. Ich bin hier beim Großen Kiepenkerl gut eingegliedert, kann die Arbeit gut mit meinem Familienleben vereinbaren kann. Das macht mich glücklich“, sagt Fabrizio. Wie wohltuend, das zu hören. Wir wünschen weiter alles Gute!

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Leider trägt er keinen Schrittzähler. Hätte uns schon interessiert, was bei einer Schicht so zusammenkommt – wir zollen. ALLEN Mitarbeitenden in der Gastronomie unseren Respekt, was diese Arbeit auch an körperlichen Belastungen mit sich bringt! Foto: Peter Leßmann

Das Gasthaus Großer Kiepenkerl – ein Münster-Klassiker mit Twist! 
Friedrich Dieninghoff gründete 1891 genau hier die Germania-Brauerei, die später an der Grevener Straße angesiedelt war. Am Kiepenkerl folgten Bierausschank und Krieg, Wieder­aufbau und Pächterwechsel. Heute setzen Wilma und Regina von Westphalen hier eine neue Idee der Heimatküche um: konsequent regional mit saisonalen Produkten aus der Nachbarschaft. Typisch westfälisch. Mit zeitgemäßer Frische, unter dem besonderen Aspekt von Tierwohl, Slow Food und Genuss. Das Gasthaus ist 2023 und 2024 als  „Arbeitgeber des Jahres“ im Bereich Gastronomie ausgezeichnet worden.

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Foto: Peter Leßmann