N°128
N U D E S
Aktmalerei, unter anderem aus London: Auf Hochtouren laufen die Vorbereitungen im LWL-Museum für Kunst und Kultur für die Ausstellung NUDES in Kooperation mit der Tate, London. Auguste Rodins Der Kuss, aber auch Werke von Zanele Muholi, Alice Neel oder Rineke Dijkstra gehören zu den Highlights. Wir haben das Kuratorinnenteam getroffen und konnten schon weit vor der Eröffnung Mitte November einen Blick
hinter die Kulissen werfen.
Text nina lenze
Langjährige Zusammenarbeit mit der Tate
Präsentiert werden Akte aus drei Jahrhunderten aus dem Bestand der Tate Gallery of Modern Art aus London – das Museum gehört zu den weltweit wichtigsten Kunstmuseen, ergänzt durch Bilder aus der Sammlung des LWL-Museums für Kunst und Kultur. „Die beiden Sammlungen in Dialog zu bringen, ist ein spannendes Unterfangen“, erzählt Dr. Tanja Pirsig-Marshall, leitende Kuratorin des LWL-Museums, bei unserem Gespräch. Mit dabei ist Ann-Catherine Weise, beide kuratieren zusammen die Ausstellung. Die Idee zu einer gemeinsamen Ausstellung mit der Tate London gab es schon 2017. Emma Chambers, die Kuratorin der Moderne der Tate, hatte zu diesem Thema bereits Ausstellungen in Australien, Neuseeland und Japan kuratiert, jeweils mit unterschiedlichen Leihgaben und Werken vor Ort. In Münster ist dies nach Das nackte Leben (2014), Henry Moore. Impuls für Europa (2016) und Turner. Horror and Delight (2019) bereits die vierte Zusammenarbeit. „Die Kontakte haben sich über die Jahre etabliert“, so Pirsig-Marshall. „Zu NUDES gab es von Anfang an eine enge kuratorische Zusammenarbeit, die erst in London, später dann in Münster stattfand.“ In der Regel beträgt die Vorlaufzeit für so eine Ausstellung etwa zwei bis drei Jahre. Dass die Vorbereitungen hier fast sechs Jahre liefen, hat verschiedene Gründe. Ursprünglich war 2020 angedacht. Dann kam die Pandemie. Im November wird nun endlich eröffnet und wir freuen uns, schon jetzt einen Einblick zu geben.

Eines der ältesten Motive der Kunst
Akte haben in der Kunst eine lange Tradition. Die Darstellung von nackten Körpern ohne mythologischen Bezug ist jedoch erst seit etwa 1890 erlaubt. Als Thema bietet sie eine große Projektionsfläche, da hier soziale, politische und ästhetische Belange transportiert werden. Immer schwingt die Sicht des Menschen auf sich selbst mit, der in seinem Nacktsein einen Teil seines Innersten, seiner Ideale, Ängste und Träume zu offenbaren scheint. Ob privat, historisch, intim oder politisch: Die Ausstellung beleuchtet mit klassischen weiblichen Akten, männlichen Akten aus männlicher Sicht sowie Frauenbildern von Frauen und Männerbildern von Frauen verschiedene Interpretationsweisen, die die Entwicklung des Akts vom 19. bis 21. Jahrhundert darstellen.


Foto: Tate © VG Bild-Kunst, Bonn 2023
Der Akt wurde schon immer kontrovers diskutiert
Auch gegenwärtig ist die Darstellung des nackten Körpers ein brisantes Thema. Die Ausstellung streift aktuelle gesellschaftliche Themen wie die Genderdebatte, die Auseinandersetzung mit dem Körper, Körper als Projektionsfläche oder die MeToo-Diskussionen. Der Akt kann quasi als Spiegel der Gesellschaft gesehen werden. „Dabei verhandeln die KünstlerInnen verschiedene Aspekte, die mitunter polarisieren“, erklärt Pirsig-Marshall. Zanele Muholi etwa ist eine non-binäre Person, die Kunst auch als ein Mittel des Aktivismus einsetzt. Zu sehen sind außerdem ungeschönte Darstellungen des Alterungsprozesses sowie kritische Auseinandersetzungen mit dem klassischen Schönheitsideal und unkonventionelle Inszenierungen gleichgeschlechtlichen Begehrens.

Committee 2017 Foto/© Zanele Muholi, The Yancey Richardson Gallery, New York
RECHTS Jackson Pollock, Naked Man with Knife,1938-40, Tate: Presented by Frank Lloyd 1981
© Pollock-Krasner Foundation / VG Bild-Kunst, Bonn 2023 Foto: Tate
Highlights der Ausstellung
„Ein absolutes Highlight ist Rodins Der Kuss (1886), für das wir wirklich kämpfen mussten, da die Skulptur sehr schwer und das Material sehr empfindlich ist“, so Ann-Catherine Weise. Viele KünstlerInnen der Tate kennt man, etwa Zanele Muholi, Marlene Dumas, Pablo Picasso oder Alice Neel. Weniger bekannt sind Sir John Everett Millais, William Mulready oder Sir Hamo Thornycraft. Auch afroamerikanische und indische KünstlerInnen wie zum Beispiel Rotimi Fani-Kayode, Barkley L. Hendricks oder Bhupen Khakhar sind mit dabei. „Zu den echten Entdeckungen gehören auch Gwen John, eine der ersten weiblichen Studierenden an der Londoner Slade School of Art, und Sylvia Sleigh, die in der feministischen Kunstszene New Yorks in den 1970er Jahren eine Schlüsselfigur war.“
Sechs Räume mit insgesamt acht Themen
Werke der Sammlung des LWL-Museums sind hauptsächlich in den ersten Räumen vertreten, da der Schwerpunkt ganz klar auf früheren Arbeiten liegt. Die Ausstellung beginnt mit den historischen Akten. Neben Badeszenen hängen hier auch die sogenannten Viertelstundenakte der Brücke-KünstlerInnen (bei denen alle Viertelstunde die Position gewechselt werden musste, Anmerkung der Redaktion). Anschließend folgen einige intime Akte, und später dann der moderne Akt, beispielsweise aus dem Surrealismus, mit Man Ray, Giorgio de Chirico und Max Ernst, sowie abstrakte Darstellungen, außerdem Werke von Henry Matisse. Mit Alice Neel und William Coldstream, alle in den letzten Jahren neu entdeckt, ist der realistische Akt vertreten. „Diese KünstlerInnen jetzt in Münster zu sehen sind, ist wirklich etwas Besonderes“, meint Weise. Bei Francis Bacon, Jackson Pollock, Marlene Dumas und Tracey Emin geht es unter anderem um die Verletzlichkeit und Fragilität des Körpers. „Gerade die Mischung aus männlichen und weiblichen Akten macht es so spannend.“

Rodins Der Kuss ist sicherlich der Beginn einer neuen Sichtweise auf Aktdarstellungen.
Aufgebaut wird ganz zum Schluss
Seit der Neueröffnung 2014 ist das LWL-Museum in einer komfortablen Lage, da Rahmenbedingungen wie Licht, Klima, Sicherheit, Transportwege und Depot auf dem neuesten Stand sind. Dank des Aufzugs können nun sogar sehr schwere Arbeiten bewegt werden. Den Sommer über wurden die Werke für die Ausleihe vorbereitet und der Transport koordiniert. Bei Fragen der Sicherheit ist der National Security Adviser mit an Bord. Gemeinsam werden die Räumlichkeiten inspiziert und auf klimatische Bedingungen, Sicherheit und Platz hin überprüft. „Ansonsten schreiben wir jede Menge Texte: Für die einzelnen Räume, das Begleitheft und natürlich für den Katalog. Der wird erfahrungsgemäß immer erst vor Ausstellungsbeginn fertig“, lacht Pirsig-Marshall. Nebenbei werden KunstvermittlerInnen und Aufsichten eingeführt. Der eigentliche Aufbau erfolgt vermutlich erst zwei Wochen vor Eröffnung, wenn wirklich alle Leihgaben da sind.

RECHTS Alphonse Legros Cupid and Psyche, exhibited 1867. Tate: Bequeathed by Sir Charles Holroyd 1918. Foto: Tate
Neue Impulse für die Sammlung
Es ist schön, dass mit NUDES viele neue KünstlerInnen in die Stadt kommen. Vielleicht ergeben sich dadurch neue Impulse für die eigene Gegenwartssammlung und den Umgang mit der Ankaufspolitik. Auch digital soll einiges geboten werden: Geplant sind ein ausstellungsbegleitender Film und ein Podcast mit weiterführenden Informationen. Parallel zur Ausstellung veranstaltet Dr. Tanja Pirsig-Marshall ein Seminar mit der Kunstakademie Münster. Pünktlich zur Eröffnung erscheint dann im Wienand Verlag der Katalog zur Ausstellung. Wir dürfen gespannt sein!
N U D E S
Freitag, 10. November bis Sonntag, 14.April
• LWL-Museum für Kunst und Kultur
• Domplatz 10
• Tickets für Eintritt und Touren können Sie schon jetzt buchen!
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