MÜNSTER! Magazin

Pia Schnell

September 2020 N°94


Pick-Dip-Glück!

Picknick? Kennt jeder. Aber was ist ein Pick-Dip? Frische Äpfel, knackige Birnen und saftige Brombeeren – die Natur hat für uns gedeckt und es gibt reichlich Orte, an denen wir uns bedienen dürfen. Büsche und Hecken sitzen voll mit prächtigen Früchten und an den Ästen drängen sich rotwangige Äpfel den Sonnenstrahlen entgegen. Das Motto im Spätsommer heißt „Pick-Dippen“ (to pick: pflücken). Denn frischgepflückt lässt sich die Beute besonders gut naschen und na klar, auch dippen. 

Text Pia Schrell


Das Münsterland ist ein Obstkiosk – wenn man genau hinsieht, gibt es in der „Auslage“ einiges zu entdecken. Von Münster bis in den Kreis Coesfeld können sich Feinschmecker durchprobieren (natürlich auf eigene Gefahr und unter Berücksichtigung der Eigentumsverhältnisse). Kennt man die richtigen Fleckchen, wo dies geduldet oder gewünscht wird, lässt sich mit Freude pflücken und naschen. Kostenlos. Frisch. Und lecker. Unsere Leserin Vanessa (links) ist mit ihren Kindern auf den Wegen und Pfaden des Coesfelder Bergs unterwegs. Carlotta (oben) kann von den Äpfeln nicht genug bekommen, gleich daneben lockt schon ein Baum mit saftigen Birnen. Ein knackiges Stück wandert vom Zweig direkt in den Mund. Lecker! Das Naschen von Bäumen und Sträuchern, die an den Straßen, Feldern und Wiesen des Kreises Coesfeld stehen, ist kein Problem, sondern gewünscht. „Das wäre doch wirklich schade, wenn alles herunterfiele“, sagt Christoph Steinhoff von der unteren Naturschutzbehörde. Plumpst doch mal ein Apfel auf den Boden, hätten zwar Igel und Vögel etwas davon, aber bei den Mengen könne sich gerne jeder schon vorher etwas nehmen.

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Foto: Pia Schrell
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Unterwegs in der münster­ländischen Landschaft gibt es Viele Pick-Dip-Plätze zu entdecken. Foto: Pia Schrell

Im Juli konnte das Pick-Dippen hier in der Region bereits losgehen, da trugen die Kirschbäume tief dunkelrote Früchte. Jetzt im Spätsommer haben weit mehr als 50 Apfel-, Birnen- und Pflaumenbäume im Bereich des Coesfelder Bergs (Bergallee, Coesfelder Berg und Gerlever Weg) gedeckt und zeigen sich von ihrer prächtigsten Seite. „Ich habe hier letztens schon jemanden mit der Leiter gesehen, da konnte ich aber nicht lange hinschauen, ich hatte wirklich Sorge, dass er umfällt“, sagt Steinhoff. Gepflückt und genascht wird auf eigene Gefahr, aber zum Glück sei alles gutgegangen. Auch die Stadt Coesfeld freut sich, wenn sich im Herbst jemand nach einem Apfel bückt. Dülmener Rose, Elstar oder grüne Birnen – für jeden Geschmack ist etwas dabei. Vanessa, Carlotta und Fritz (links) haben heute keine Leiter im Gepäck, sie sammeln, was sie mit der bloßen Hand erreichen können. Zu Not auch mit der „Räuberleiter“, die sitzt seit Vanessas eigenen Kindertagen. „Ich kenne das Sammeln aus der Natur schon seitdem ich klein bin“, sagt sie. Ob Obst oder Pilze, ihre Familie freut sich über die Leckerbissen, die die Region bereithält. 

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„Mein Vater sucht mit meiner Schwester beispielsweise in jedem Jahr Bovist-Pilze.“ Kein einfaches Unterfangen, aber habe man mal einen der seltenen Pilze entdeckt, „dann sind da meist auch noch mehr.“ Heute finden sie vielversprechende fruchtige Häppchen. Auch Brombeeren sind dabei. Aber Achtung, hier ist besondere Aufmerksamkeit gefragt: „Die Brombeeren sollte man lieber nur ab einer Höhe von circa einem Meter pflücken“, sagt Steinhoff. Andernfalls bestehe das Risiko einer Infektion mit dem Fuchsbandwurm. Dies bestätigen auch Informationen des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft: Um das Risiko zu minimieren, sollten die Beeren und auch Fallobst am besten gründlich abgewaschen oder gekocht werden.

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Foto: Pia Schrell
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Foto: Pia Schrell

Pick-Dippen ist an vielen Stellen im Münsterland möglich. In Münster kann beispielsweise an Wirtschaftswegen und Pättken in Nienberge, Handorf, Wolbeck oder Gievenbeck gekostet werden, was die Natur bereithält. Dabei gilt die so genannte Handstraussregel, die in Paragraph 39 III des Bundesnaturschutzgesetzes angeführt wird. Dort heißt es: „Jeder darf (…) wild lebende Blumen, Gräser, Farne, Moose, Flechten, Früchte, Pilze, Tee- und Heilkräuter sowie Zweige wild lebender Pflanzen aus der Natur an Stellen, die keinem Betretungsverbot unterliegen, in geringen Mengen für den persönlichen Bedarf pfleglich entnehmen und sich aneignen.“ (Im Zweifel gilt: vorher fragen!).

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Pflücken, rasten, dippen: Unsere Leserin Vanessa macht es mit ihren Kindern Carlotta und Fritz vor: Erst wird sich am Buffet der Natur bedient, dann ein schönes Plätzchen gesucht und schließlich gepickdippt.

Bei der Gemeinde Nottuln ist das Pflücken auch geduldet: „Für den normalen Hausgebrauch ist das gar kein Problem“, sagt Daniel Krüger, Betriebsleiter der Gemeindewerke Nottuln. Auch hier gibt es lauschige Plätze für ein Pick-Dip im Grünen. Idyllisch schlängelt sich dort beispielsweise ab dem Stevertal der Harfelderweg an Bauernhöfen, romantischen Steinhäusern und blumengesäumten Kornfeldern vorbei. An den Rändern lädt ein wundervoll gedecktes Apfelbuffet zum Probieren ein. Im Straßenbegleitgrün verstecken sich außerdem Haselnüsse, Brombeeren und Holunder.

Vanessa, Carlotta und Fritz haben es sich mit ihrer Pick-Dip-Beute an der Ludgerirast auf dem Coesfelder Berg gemütlich gemacht. Von hier oben belohnt auch ein Blick auf die Spitzen des Billerbecker Doms. Die Natur des Münsterlandes hat es in diesem Spätsommer gut gemeint: Brombeeren, Birnen und Äpfel sind die leckeren Errungenschaften der Tour. Später geht es noch weiter zum Kloster Gerleve. Nun fehlt nur noch eins: der passende Dip. Die Münster! Magazin Redaktion empfiehlt eine herrlich fluffige Joghurtcreme. Auf die Plätze – fertig: Dip!     

Ein Routenvorschlag: Coesfelder Berg und Umgebung

Los geht´s am Kloster Annenthal in Coesfeld, dort gibt es in den Seitenstraßen Parkmöglichkeiten – oder Sie kommen am besten gleich mit dem Rad! Wir folgen der Straße stadtauswärts via Gerlever Weg in Richtung Coesfelder Berg. Gleich nach dem Ortsschild sehen wir die ersten prallgefüllten Apfelbaumk­ronen. Den Weg entlang werden wir von reifen Äpfeln und Birnen begleitet. Nach einem Kilometer biegen wir an einem Strom­kasten links in einen Seitenweg ein. 350 Meter weiter sehen wir auf der linken Seite eine versteckt gelegene Bank. Inmitten von Brombeeren hat man von hier einen schönen Blick über weite Teile des Münsterlandes. Zurück auf dem Weg geht es nun weiter in Richtung Bergallee. Am Ende des Weges biegen wir rechts in die Bergallee ein. Nach ein paar Bäumen mit Mehlbeeren kommen hier nach ungefähr 400 Metern schnell die ersten Apfelbäume. Es geht vorbei an Feldern und Obstbäumen. Die Allee führt uns nach insgesamt 4,5 Kilometern zur so genannten Ludgerirast zwischen Coesfeld und Billerbeck. Von hier hat man Aussicht bis zum Billerbecker Dom. Gestärkt geht es nun die Straße weiter entlang. An der nächsten Möglichkeit biegen wir rechts ab (Gerleve) und folgen der Strecke vorbei an Bauernhöfen und Feldern. Wir gehen rechts, queren eine kleine Brücke und folgen dem malerischen Weg. Haben Sie schon die Blühstreifen und die Pferde entdeckt, die ruhig grasen? Am Ende der Straße gehen wir erneut rechts herum. Nach einer Kurve erwartet uns das Kloster Gerleve. Zeit für ein Pick-Dip mit der gepflückten Beute. Gestärkt wird es Zeit für den Rückweg: Wir folgen dem Pfad, der uns bis zur Hauptausfahrt des Klosters führt. Wir drehen uns nach links und überqueren die Straße. Dann folgen wir dem gegenüberliegenden Weg (Coesfelder Berg), der uns zurück an unseren Ausgangspunkt bringt. Was für eine schöne Tour!