MÜNSTER! Magazin

Ein Teil der Füchtelner Mühle ist privat, der andere Teil inklusive Wasserkraftwerk gehört der Stadt Olfen und dem Kreis Coesfeld. Foto: Cornelia Höchstetter

N°116


Von der Steveraue zum Stausee 

Mehr Wasser geht fast nicht: Diesmal stellen wir eine Radtour vor, die auf einer einzigen Runde einen Fluss, Seen und einen Kanal bietet! Wir starten in Haltern, wo die Stever zum See gestaut wurde und heute das halbe Ruhrgebiet mit Trinkwasser versorgt.

Text cornelia höchstetter


Im Gegenlicht glitzert das weite Wasser des Halterner Stausees wie ein Meer. Segler lehnen sich in den Wind, die Segel aufgebläht wie Bäuche. Viel langsamer dazwischen gleiten Ruderboote, Tretboote und Kanuten dahin. Ab Herbst soll wieder ein neues Fahrgastschiff über den See schippern. 

Die finale Etappe

Haltern am See ist Anfang und Ende unseres Tourenvorschlags im September. Streng genommen ist der Stausee auch Teil des furiosen Finales der  Steverlandroute, eine der neuesten Radrouten im Münsterland. Über 72 Kilometer ziehen sich die Radwege von der Steverquelle bei Nottuln bis nach Haltern. Die Radtour folgt zwar nicht direkt ihrem Lauf, kreuzt sie aber immer wieder, führt durch die Orte und durch die Münsterländische Parklandschaft. Vier Etappen hat die Steverlandroute, mit über zehn Stationen inklusive Infotafeln für Groß und Klein. In unserer Jubiläumsaus­gabe MÜNSTER! #100 (Übrigens gibt’s die älteren Hefte im WN Shop am Picassoplatz!) haben wir bereits das zweite Teilstück zwischen Appelhülsen und Lüdinghausen mit vier Wasserburgen vorgestellt. Diesmal nehmen wir uns die vierte und letzte Etappe vor, von Olfen nach Haltern, und wandeln sie zu einer Rundroute (siehe Seite 62) ab. Im Mittelpunkt steht auch hier das Wasser der Stever. 

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Es glitzert im Gegenlicht der Halterner See. Foto: Cornelia Höchstetter

Wilde Landschaft

In Olfen ist die Stever längst ein breiter Strom. Im Rahmen der Renaturierungsvorhaben startete 2002 das Beweidungsprojekt Steveraue mit Heckrindern und Konikpferden. Heute kann man von der Aussichtsplattform an der Schützenstraße mit viel Glück die Tiere beobachten – oder man trifft sie an warmen Tagen am Nordufer der Stever: Vom Radweg aus erhascht man ab und an einen Blick, wie sie im Wasser oder im Schutz des Schilfes stehen. Oder zwischen mannshohen Disteln. Die Schweife der Pferde schlagen nach den Fliegen. Fast wie pure Wildnis – wären im Hintergrund nicht die neugebauten Einfamilienhäuser mit Pool im Garten zu sehen. 

Ähnlich wie in den Beweidungspro­jekten an der Ems (MÜNSTER! Nov/21, M! #107) sollen die halbwild lebenden Tiere durch ihre Wanderrouten und das Fressverhalten die Landschaft neu formen. Reformieren quasi. So wandelt sich die einst begradigte und gebän­digte Stever auf 120 Hektar wieder in Richtung Auenlandschaft. Bei Olfen teilen sich Ober- und Unterlauf. Eine Nebenrinne verläuft durch das Weidegebiet und verbindet die alten Fluss­arme. So haben die Fische wieder die Möglichkeit zu wandern. Die abgestorbenen Bäume und die Weiden im Wasser sind eine Reminiszenz an die alten Auenwälder. Diese wilde Steveraue beobachten Radfahrer und Fußgänger von den Wegen und von der Brücke der Steverstraße aus: etwa Wildgänse, Eisvögel, Uferschwalben, Fischreiher, Störche und Enten auf dem Wasser.

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Das E-Floß stört die Wildgänsefamilie auf der Stever nicht – und die Passagiere freuen sich, so nah an die Tiere heranzukommen. Foto: Cornelia Höchstetter

Auf dem Floß über den Fluss

Ein ganz besonderes Erlebnis bietet die Stadt Olfen an: Ehrenamtliche Floß­fahrer nehmen bis zu 15 Personen mit auf das Elektro-Floß Antonia und erzählen über das Naturprojekt, über die Geschichte der Stever und die Entstehung der Auen – insgesamt kostet das 70 Euro. Start ist jeweils der Floßanleger an der Kökelsumer Brücke. Bis Sonntag, 9. Oktober, legt Antonia noch ab.

In der Nähe des Floßanlegers empfiehlt sich ein Abstecher und eine Einkehr bei Kaffee und (Flamm-)Kuchen im Kökelsumer Hofcafé mit Bauernladen. Wer lieber picknickt, findet ein idyllisches Plätzchen hinter der Füchtelner Mühle. Im stillen Steverwasser spiegeln sich die Backsteine und das rote Ziegeldach. Seit 700 Jahren wird das Wasser für die Mühle genutzt. Heute liefert die Wasserkraft der Stever Strom für etwa 100 Menschen.

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Auf der Zielgeraden am Halterner See lohnt sich ein Halt, um das Treiben auf dem Wasser zu beobachten. Foto: Cornelia Höchstetter

SEE IN SICHT

Richtung Hullern und Haltern am See erleben die Fahrradfahrer eine große Verwandlung der Stever und der Landschaft: Erst taucht man ein in Waldgebiete. Kiefern verströmen ihre ätherischen Düfte, die Räder rollen über feste Sandwege. Dann wird der Fluss auch noch zum See. In Hullern staut die Talsperre das Wasser auf. Weil Haltern auf mächtigen Sandböden liegt, kann das aufgestaute Seewasser ins Grund­wasser sickern, und so wird es mengenmäßig angereichert. Seit den 1930er Jahren ist die Stever ein Speicher für eins der größten Wasserwerke Europas. So steht auf einer Infotafel am Stever­ufer, dass etwa eine Million Menschen von hier mit Trinkwasser versorgt werden. Deshalb ist das Areal seit 1988 Wasserschutzgebiet. 

Nach dem Hullerner Stausee folgt der Halterner Stausee. Wenn es im September noch warm genug ist, lockt das Seebad Haltern mit über 800 Meter langen Sandstrand. Wie am Meer. Was übrigens das Ziel der Stever ist: Sie mündet in Haltern in die Lippe, die Lippe in den Rhein, der in die Nordsee mündet und sich dort verliert.