N°127
Ein Hamburger in Münster
Wasser ist schon immer sein Thema und mobil ist er (nicht nur) als Bahn-Pendler: Der „neue“ Leiter des Amtes für Mobilität und Tiefbau kommt aus Hamburg: Jeff Marengwa ist seit Januar in Münster. Höchste Zeit für ein Interview mit dem MÜNSTER! Magazin …
Text Cornelia Höchstetter
MÜNSTER!: Herr Marengwa, wie haben Sie sich in Münster eingelebt?
Jeff Marengwa: Danke, ich habe mich sehr gut eingelebt und von den Menschen hier sehr viel Freundlichkeit und Entgegenkommen erlebt. Was die Arbeit angeht, hilft die angenehme Größe der Stadt: Verglichen mit Hamburg ist Münster nicht zu groß. So habe ich schneller die Arbeitszusammenhänge verstanden, wer in welchem Kontext arbeitet und bin inzwischen wunderbar in einem Netzwerk angekommen. Ich habe auch schon ein bisschen was gesehen – auch wenn ich mir noch etwas mehr Ortskenntnis wünsche. Denn die ist wichtig für die große Aufgabenfülle im Amt für Tiefbau und Mobilität.
M!: Sie kommen aus Hamburg – in welchen Dingen punktet Hamburg, in welchen Münster?
Was Münster angeht, ist es auch hier die Stadtgröße: Man fühlt sich im Stadtkern schnell zuhause. Sehr gerne gehe ich auf Münsters Wochenmarkt am Dom – auch wenn ich als Pendler nicht zu oft dazu komme. Fast immer, wenn meine Frau in Münster ist, besuchen wir den Markt. An Hamburg mag ich das Gefühl der Weltoffenheit, das Großstadtflair und natürlich den Hafen.
M!: Wie funktioniert das Pendeln zwischen den beiden Städten Münster und Hamburg?
Ich komme meist montags früh in Münster an. Je nachdem, was die Woche so fordert, fahre ich dann am Freitag oder schon am Donnerstag Abend. Dann ist freitags Homeoffice angesagt. Unsere Familie wohnt in Norderstedt, nördlich von Hamburg: Meine Frau und unsere Zwillinge. Die beiden Mädchen sind 21 Jahre alt, machen derzeit eine Ausbildung zur Notfallsanitäterin und wollen gerne danach Medizin studieren. Wenn ich am Wochenende zuhause bin, haben wir eine intensive Zeit miteinander.
M!: In Hamburg waren Sie unter anderem beim Hochwasserschutz für die Hamburger Hafenbehörde tätig – inwiefern profitieren Sie von dieser Erfahrung für den Hochwasserschutz, was Münster und einen möglichen Starkregen wie 2014 angeht?Tatsächlich empfinde ich es als sehr gut, dass in Münster das Augenmerk auf den Themen Hochwasser und Starkregen liegt. Tückisch wäre, wenn das Unwetter von 2014 in Vergessenheit geriete. Die Kolleginnen und Kollegen sind für dieses Thema gut aufgestellt. Wir haben aktuell eine Starkregengefahrenkarte herausgegeben. Die Information für die Öffentlichkeit finde ich sehr wichtig. Den Bereich der Öffentlichkeitsarbeit unserer Arbeit möchte ich überhaupt künftig noch mehr in den Fokus stellen. Die Stadtgesellschaft soll informiert werden. Über die Gewässerstruktur – also inwiefern und wo es welche Überschwemmungsbereiche gibt – oder was mit unserem Kanalnetz passiert. Nur wenn alle Bescheid wissen, gibt es ein Verständnis für Straßensperrungen bei Bauarbeiten, wenn die Infrastruktur verbessert werden muss. Wir müssen die Öffentlichkeit künftig noch besser mitnehmen. In Hamburg habe ich an den Hochwasserrisikomanagment-Richtlinien mitgearbeitet, auf Bundes- und Landesebene.
M!: Wie sieht Ihr Alltag als Leiter des Amtes für Mobilität und Tiefbau aus?
Der Alltag fängt relativ früh an – tatsächlich starten im Amt für Tiefbau und Mobilität viele bereits um sieben Uhr oder noch früher. Ich bin meist ab 8 Uhr im Büro und gefühlt geht es dann von einer Besprechung in die nächste, teils auch online. Unser Amt hat sechs Abteilungen, da gibt es jeweils die Abteilungsleiterrunden und dann bin ich involviert in alle Themen, in denen Entscheidungen getroffen werden müssen. Dann sind da noch die Personalthemen, auch wir leiden unter dem Fachkräftemangel: Zu unserem Amt gehören rund 370 MItarbeiterinnen und Mitarbeiter. 30 bis 40 Stellen sind nicht besetzt. Es gibt viele Wünsche, aber nur endliche Ressourcen. Deshalb müssen wir manchmal Prioritäten setzen.
M!: Im Botanischen Garten wurde kürzlich über wasserdurchlässiges Pflaster in Städten gesprochen – gibt es in Münster ähnliche Vorzeige-Projekte oder neueste wissenschaftliche Ergebnisse, die in die praktische Stadtplanung umgesetzt wurden?Wir arbeiten daran, innovativ zu sein. Zum Beispiel gibt es die Möglichkeit, im Kanalnetz die Abwärme des Abwassers zu nutzen. Wir prüfen, ob und wo wir das in Münster anwenden könnten und machen gerade eine Potentialanalyse. Das funktioniert ähnlich wie Fernwärme, die direkt ins Haus des Verbrauchers kommt. Die Zusammenarbeit mit der Uni Münster und der Fachhochschule ist für uns ein wichtiger Part. Was das Thema Gewässer angeht, sind wir auch in Kontakt mit der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen (RWTH). Nebenbei lehre ich auch noch an der Berliner Hochschule für Technik.
M!: Aus Bürgersicht dauern viele Dinge, die für eine klimaschonendere Zukunft sorgen würden, einfach viel zu lange. Warum ist das so? Allein, wenn wir an die Reaktivierung der Bahnstrecke von Sendenhorst über Albersloh und Gremmendorf denken?
Weil wir das als Stadt nicht alleine in der Hand haben: gerade bei der Reaktivierung der WLE (Anmerkung der Redaktion: Westfälischen Landeseisenbahn)-Strecke sitzen viele andere mit im Boot. Die Bauvorbereitungen brauchen Zeit, Pläne müssen erstellt und genehmigt sowie Grundstücksfragen geklärt werden. Es ist ein komplexes Geschäft. Fast alle wollen die Bahnverbindung. Nur bei einigen Anliegern ist die innere Haltung: „Not in my Backyard“ – nicht in meiner Nachbarschaft.
M!: Ähnlich ist es mit weiteren Bahnkreuzen, die Münster bekommen soll: Knotenbahnhöfe, die den Hauptbahnhof entzerren und ergänzen sollen – aber erst 2040: Wie passt das zur dringend erforderlichen Verkehrswende und zum Klimaschutz?
Der Ausschuss für Mobilität hat jetzt das Go für die Vertiefungsstudie gegeben. Geprüft wird, welche Potentiale ein Nord- und ein Südkreuz haben und wie sich diese beiden Kreuzungsbahnhöfe städtebaulich gestalten und integrieren lassen. Das Ziel ist, die beiden Bahnkreuze spätestens 2040 in Betrieb zu nehmen.
M!: Auch die Velorouten sind seit Jahren im Gespräch, in der Planung und auch im Bau. Etwa Telgte-Münster – gibt es eigentlich Untersuchungen, wie erfolgreich die Route ist?
Das ist auch so eine Frage der Ressourcen im Amt, alle auf einmal können nicht realisiert werden. Jede Strecke braucht viel Abstimmungen. Verkehrszählungen zeigen, dass der Anteil von Radfahrenden dort zu- und der Kfz-Anteil deutlich abgenommen hat. Zudem soll jede Veloroute eines Tages eine eigene Radverkehrszählstelle bekommen, um den Erfolg messen zu können. Natürlich sollen die Maßnahmen für die Verkehrswende möglichst schnell greifen. Was für uns ein großer Erfolg ist, dass Münster für den Ausbau der Kanalpromenade den Deutschen Fahrradpreis gewonnen hat. Mobilität der Zukunft muss viele Angebote machen – dazu gehört auch Loop, das per App bestellbar ist und sich als gute Ergänzung zum ÖPNV herausgestellt hat. Digitale Lösungen gehören dazu, auch Sharing Dienste oder Stadträder – für den Autoverzicht müssen wir vernetzt denken.
M!: Klimawandel, Mobilitätswandel – wir springen mitten in das Thema E-Mobilität: Wie soll das zum Beispiel für all die Mieter funktionieren, für all die Straßenrandparker, die kein eigenes Grundstück und keinen Zugang zu einer Steckdose für ihr künftiges E-Auto haben?
Aktuell macht die Stadt Angebote für Unternehmen, die Standorte zum Aufladen anbieten wollen. Das wollen wir aber lenken, auch damit das Angebot in der Innenstadt bewusst nicht zu groß wird. Anwohner innerhalb der Promenade könnten in Parkhäuser Ladestationen nutzen.
M!: Wie autofrei kann Münsters Innenstadt werden, ohne ältere, wenig mobile Anwohner und pendelnde Münsterländer zu vernachlässigen?
Das Auto wird nicht verboten werden, aber die Lebensqualität in der Innenstadt soll auf jeden Fall besser werden, indem weniger Autos in die Innenstadt gelangen. Zur Beantwortung dieser Frage arbeiten wir aktuell an einem Parkraumkonzept, an Park-and-Ride-Plätzen und Mobilitätsstationen. Die sollen den Umstieg zwischen den Verkehrsangeboten ermöglichen, damit eben auch die letzte Meile in die Stadt hinein nicht mit dem Auto gefahren werden muss. Das braucht alles noch Zeit, noch ist die Situation ausbaufähig, was auch viel mit unseren Gewohnheiten zu tun hat.
M! Zu den schönen Dingen: Welches Projekt der letzten Monate aus Ihrem Amtsbereich hat richtig gut geklappt?
Auch wenn ich erst seit Januar dabei bin, so ist für mich der Erfolg mit dem Radweg an der Kanalpromenade so schön, weil Münster dafür den Deutschen Fahrradpreis gewonnen hat – und weil bei diesem Vorhaben tatsächlich Bund, Wasserschifffahrtsverwaltung und die Kommune Münster so vorbildlich zusammengearbeitet haben. Vernetztes Arbeiten, das ist einfach wichtig. Sehr gut läuft auch derzeit die Bürgerbeteiligung für die Schillerstraße, die eine ‚Fahrradstraße 2.0‘ werden soll.
M!: Und welches Projekt macht die größten Bauchschmerzen?
Bauchschmerzen machen mir eher die Gesamtheit der Maßnahmen, weil wir tatsächlich begrenzte Ressourcen haben: Es ist einfach schwierig. Die Politik will alles und das schnell. Und uns fehlen teils einfach die Leute.
M!: Welche Verhaltensänderung Richtung Klimaschutz wünschen Sie sich von den Münsteranerinnen und Münsteranern am dringendsten?
Münster ist eine wachsende Stadt, die Infrastruktur muss mitwachsen und solche Herausforderungen, die alle gleichzeitig und dringend sind, hatten wir noch nie: die Erweiterung der Kläranlage, die vielen Baustellen für Fernwärme oder Glasfaseranschluss, und vieles mehr, alles muss an die wachsende Stadt angepasst werden. Da wünsche ich mir ein bisschen mehr Geduld und Verständnis. Jedem Hausbesitzer ist klar, wenn er renoviert, hat er eine Zeitlang eine Baustelle im Haus. In einer Stadt ist das genauso, da hat man vielleicht mal vor der Haustür für eine Zeit eine Baustelle. Ich wünsche mir von den Münsteranerinnen und Münsteranern mehr Zutrauen in die Arbeit meiner Kolleginnen und Kollegen!
Vielen Dank für das Gespräch!