N°138
Nah an der Natur
STADTPARK WIENBURG
Es ist einer der größten Stadtparks in Münster und sein Konzept lehnt sich an die Münsterländer Parklandschaft – mit ökologischem Augenmerk. Die Brücken sind Zuschauertribüne für die Wasserlandungen des Graureihers.
Text CORNELIA HÖCHSTETTER
DER PARK IN EINEM SATZ
Der Stadtpark Wienburg (auch Nordpark oder Wienburgpark) im Norden von Münster ist anders als ein klassischer Stadtpark: Er ist für die Menschen ein Erholungsraum UND er ist Lebensraum sowie Artenschutz für Flora und Fauna, im Wasser und an Land.
Wo liegt der Park?
Bäume in allerlei Gestalten, sonnige Liege- und Naturwiesen, Spielplätze, Kunst und Wasserlandschaft: Der Stadtpark Wienburg zieht sich als abwechslungsreiche Grünzone über fast einen Kilometer Länge westlich der Kanalstraße hin – und ist mindestens ebenso breit. Er liegt zwischen dem Stadtteil Uppenberg, Münsters Zentrum Nord und nördlich des Kreuzviertels, Kinderhaus und Coerde sind nicht weit weg. Parallel benachbart ist der Lauf der renaturierten Münsterschen Aa.

Zutritt zum Park
Ins Grüne geht es von Norden aus ab dem Hotel-Restaurant Wienburg, eine Bus-Spur (die grünste Busspur der Stadt – Achtung: Auf diesem Weg hat wirklich nur die Linie 17 Platz!) trennt die Wienburg mit dem ehemaligen Barockgarten (siehe Infokasten). Von Osten her kommt man von der Kanalstraße aus in den Park – zum Beispiel an der Kleingartenanlage Im Wiesengrund, hinter der Hausnummer Kanalstraße 161 und auf Höhe Nevinghoff gibt es einen Parkplatz mit Parkzugang. Im Süden führt zwischen den Anlagen des Kleingärtnervereins Frohe Stunde die Langemarckstraße hinein. Auch auf dem Clemens-Theodor-Perthes-Weg erreicht man den Park. Im Westen verrät die namensgebende Wienburgstraße die Nähe ins grüne Herz von Münsters Norden.
So erleben die Besucher den Park
Der Wienburgpark ist Ziel ganz verschiedener Interessensgruppen: Ausgeschilderte Radwege führen durch den Park. Den Fitness- beziehungsweise Trimm-Dich-Pfad mit unterschiedlichen Geräten für Krafttraining und Balanceübungen besuchen Senioren, Sportgruppen und Bewegungsliebhaber, ebenso treffen sich Bootcamp-Fans im Park oder Läufer zum 5-Kilometer-Lauf jeden Samstag um 9 Uhr (zur Anmeldung). Apropos Sport: Benachbart sind die Sportanlagen des Sportvereins DJK GrünWeiß Marathon e.V. (Fußball, Leichtathletik, Ultimate Frisbee, Discgolf).

Für Schulen (nicht weit weg: Pascal-Gymnasium) und benachbarte Kindergärten ist der Park ein grünes Spiel- und Klassenzimmer und für Studierende ein Naturforschungsgebiet. Im Nordwesten des Parks liegt die Freifläche Atlantis, im Sommer findet dort ein Feriencamp mit Hüpfburgen und Ballspielfeldern statt. Sonnenanbeter liegen auf der Wiese am großen Spielplatz, wo Kinder sich austurnen und -toben. Brombeersammler kommen im Juli und August zum Zug, Schachspieler haben ein steinernes Spielbrett. Freunde von Grillwurst und -Gemüse finden sich an den offiziellen Feuerstellen ein (nicht bei Trockenheit!). Vormittags unter der Woche kommen Großeltern mit Enkelkindern, Hunde mit Frauchen und Herrchen, Patienten der benachbarten LWL-Klinik, Ruhesuchende, Naturfreunde, Tierbeobachter und viele, viele Menschen mehr. Zu den bestehenden Infotafeln im Park gibt es einen neuen Lehrpfad zur heimischen Artenvielfalt per QR-Code – siehe Infospalte Seite 31. Seit August 2023 führen drei neugebaute Brücken (die längste misst 40 Meter) über das Wasser der nachgestalteten Auenlandschaft. Die Brücken sind zugleich Zuschauertribüne für Beobachter des Graureihers. Der Star aus der Wienburger Wasservogelwelt watet durch das flache Wasser, verharrt für die gezückten Kameras und schwingt sich dann mit elegantem Flügelschwingen in die Luft. Schließlich nimmt er auf einem Ast der alten Uferbäume seinen Hochsitz ein. Wie er wohl den 28,5 Hektar großen Park aus seiner Vogelperspektive erlebt? Knapp 40 Fußballfelder hätten hier Platz. Ein weites Feld für Stadtbewohner aus der Drei-Zimmer-Wohnung ohne Balkon – für den Graureiher doch nur ein kleiner grüner Klecks? Oder ist es sein Privatreich, in dem er der König der Vogelwelt ist? Eine ornithologische Erfassung soll im Jahr 2020 insgesamt 38 brütende Vogelarten und weitere 17 „durchreisende“ Arten registriert haben. Naturführer Udo Wellerdieck lädt im Frühjahr regelmäßig zur Vogelführung im Park ein. Der NABU Münster zählte im Park sechs verschiedene Arten von Fledermäusen.

ALLE WEGE DURCH DEN PARK
Asphaltierte Radwege sind ausgeschildert, unterschiedlich befestigte Fußwege verzweigen sich, für Jogger sind einige Strecken mit Rindenmulch gefedert – angenehm bei Sonne, zuweilen matschig im Regen. Zwei Kilometer befestigte Wege und Rindenmulchwege auf knapp drei Kilometern durchziehen den Wienburgpark. Ein Tipp: Die anliegenden Schrebergärten (80 und 100 Jahre alt) sind halböffentlich. Ein Spaziergang auf den Hauptwegen ist genau wie der Blick in die Gärten gerne erlaubt.
NATURDENKMÄLER
Naturdenkmäler gibt es keine, dazu ist der Park zu jung. Aber ein Naturdenkmal anderer Art ist De Civitate, ein Werk der Künstlerin Maria Nordmann aus Los Angeles für Münsters Skulptur Projekte 1997. Sie ließ dafür schon 1991 Gingko-, Mammut- und Thuja-Bäume in geometrischen Formen pflanzen. Die Künstlerin interpretierte damit „Wasser, Luft, Erde und Gestirne“. Die Lebensbäume (Thuja) sind heute noch deutlich vom Weg aus zu erkennen: Ein Kunstwerk, das der Dimension Zeit ausgesetzt ist und sich durch das Wachstum ganz schön veränderte.

BESONDERE BÄUME
Von den alten Pappeln existieren noch einige (siehe Geschichte des Parks). Manche als stehendes Totholz, ein Geschenk der Natur an Spechte und Krabbeltiere. Kopfweiden präsentieren sich in Gruppen, sie umschließen zum Beispiel einen kleinen Teich. Einzelstehende Eichen gestalten sich mit ihren verzweigten Ästen geradezu künstlerisch. Von Anfang an da waren die Schlehenhecken entlang der Terrassenkante zur alten Aa-Aue. Noch bevor die Bäume ihre Blätter schieben, blüht die Hecke – die Tafel ist gedeckt für Wildbienen, Hummeln und Schmetterlinge. Apropos lecker Häppchen: Eher wild und explosiv breiten sich die Brombeerhecken aus.
Parkkennerin und MÜNSTER!-Recherchepartnerin Christiane Boll ist zugleich wissenschaftliche Referentin für Gartenkultur beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL). Sie schwärmt für die Birken-Alleen, die schon fast schwarz-weiße Wäldchen darstellen und eine beliebte Kulisse für Hochzeitsfotos sind.
Dirk Dreier, ehemaliger Mitarbeiter im städtischen Amt für Grünflächen, Umwelt und Nachhaltigkeit, zeigt uns auf einer Wiese im Osten des Parks: „Die drei Sommerlinden hat eine treue Besucherin spendiert, sie nennt sie die ‚Bäume der Toleranz‘, als Ansporn, dass die Parkbesucher mit den unterschiedlichen Zielen Rücksicht aufeinander nehmen: also etwa Hundebesitzer, Jogger, Radfahrer und Spaziergänger.“

BESONDERE PLÄTZE
Zum Zeitpunkt unseres Parkbesuchs lag das gemähte Gras in der Sonne und duftete betörend nach Sommer und Heu. Außer den Mähflächen gibt es noch einige ungemähte Wiesenstücke mit blühenden Blumen und Inseln mit hohem Gras als Lebensraum für allerlei Getier. Ein besonderer Platz ist der gesamte Park für angehende Biologen: Dr. Harald Kullmann und Diplom-Ökologe Robert Boczki kommen regelmäßig mit ihren Studierenden in den Park, um „Gliederfüßler“ zu zählen und zu bestimmen. Im Juni haben sie in einer Dreiviertelstunde 100 verschiedene Arten in kleinen Röhren zum Bestimmen gesammelt – „eine relativ hohe Vielfalt“, finden die beiden Wissenschaftler. Der Lieblingsplatz von Dirk Dreier und von vielen Parkbesuchern allerdings ist der große Findling an der mittleren Brücke direkt am Wasser. „Da sitzt immer jemand, entweder zum Sonnen oder zum Lesen“, weiß Dirk Dreier. Was er noch liebt: „Im Frühling blühen auf den Lichtungen im Park Sumpfdotterblumen“. Einen außergewöhnlichen Platz nennt Christiane Boll: Am Ende der Langemarckstraße rechts am Parkrand liegt der Aktivgarten WIEGA: Den Wienburg Garten hat der verstorbene münstersche Künstler und Schrebergartenvorstand Wilm Weppelmann mitbegründet. Es ist ein Umweltbildungsprojekt und das einzige Projekt von Wilm Weppelmann, das weitergeführt wird. Hier finden regelmäßig Aktionstage statt, im Frühjahr pflanzen die Kinder Kartoffeln und sind im Herbst bei der Erntedabei.“ gartenaktiv.de
„Der Wienburg-Park steht auch für einen Paradigmenwechsel in der Landschaftsarchitektur: Er ist ein junger Stadtpark, bei dessen Planung viel durch die ökologische Brille gesehen wurde.“
Christiane Boll
WASSER
Buntes Leben an den drei zusammenhängenden Wasserflächen: Der Graureiher (oder auch Fischreiher) wurde bereits gewürdigt als Krone der Wienburg-Wasservogelwelt. Enten, Gänse, Fische, sogar (wahrscheinlich ausgesetzte) Schmuckschildkröten leben im Parkgewässer. Eisvögel, Wildgänse, früher kamen auch Kormorane, Zwergtaucher, Krickenten; Blesshühner tauchen oder schwimmen umher. Libellen fliegen übers Wasser. Am Ufer sind die Frösche unüberhörbar. Das Wasser ist nicht tief, die Ufer flach. Das Problem der „Verlanderung“ hat die große Entschlammungs-Baustelle 2022/23 vorerst gelöst. Dirk Dreier präsentiert das Ergebnis: „Jetzt ist wieder ein weiter Blick über die Wasserflächen möglich.“ Freigeschnittene Blickachsen bieten Fernsicht, besser als Fernsehen!

DIE GESCHICHTE DES PARKS
Es war einmal … ein Hof des Paul Joseph von Wientgens, man ahnt die
Namensherkunft der Wienburg. So hieß der Herrensitz, der dann Ende des
17. Jahrhunderts an der Stelle errichtet wurde, wo der erste Hof seit dem Mittelalter verlassen lag. Damals, mehr als zweieinhalb Jahrhunderte vor heute, nutzte die Aa die heutige Parkfläche noch ausschweifend mit ihrer Auenlandschaft. Die Aa wurde später in ihr heutiges Bett verlegt. Die Wassermulden gehörten eine Zeitlang zur Baustelle des Max-Clemens-Kanals – bis sie für den Park als Andenken an die Auenwildnis umgenutzt wurden. Der Plan für den Wienburgpark auf den ehemaligen Flächen der Aa-Aue und des Gutes Nevinghoff sowie im Anschluss des ehemaligen Barockgarten von Haus Wienburg brauchte mehrere Anläufe:
In den 1960er Jahren lieferte der Gartenarchitekt und Landschaftsplaner Professor Heinrich Friedrich Wiepking-Jürgensmann das erste Grünkonzept – im Zeitgeist des Wachstumsdenkens noch als Erholungslandschaft mit Wiesen, Sportanlagen und Freibad. Ein bitterer Beigeschmack: Die Stadt beauftragte mit Wiepking-Jürgensmann einen Landschaftsplaner, der für das NS-Regime arbeitete und Sonderbeauftragter von SS-Reichsführer Heinrich Himmler war (laut des Buchs Parks + Gärten. links und rechts der Ems). Es blieb zunächst nur ein Plan und es wurde weiter geplant: in den 1970er Jahren und in den 1980er Jahren. Letztere waren die Zeit, als man sich mehr und mehr auf Natur- und Umweltbewusstsein besann. So sollte auch in Münster ein neuer Stadtpark den Arten- und Naturschutz genauso berücksichtigen wie die Funktion von Parks als Erholungs- und Freizeitfläche der Stadtbevölkerung. So jubilierte die Broschüre zum Wienburgpark aus den 1980er Jahren: Brennnesseln seien kein Schandfleck mehr, sondern gehörten zur Natur.

Im Jahr 1989 begann Dirk Dreier bei der Stadt in der Unteren Naturschutzbehörde, als studierter Landespfleger, sich mit um den Wienburgpark zu kümmern. Inzwischen ist er seit einigen Monaten in Rente und erzählt uns, wie er die Entwicklung des Parks miterlebte und wie die Ausgangssituation war: „Nach dem Zweiten Weltkrieg pflanzte man Pappeln an, weil die schnell wachsen und auch schnell Holz liefern können.“ Doch für den neuen Stadtpark wollte Münster Raum für Arten- und Naturschutz mit einem vielfältigen Lebensraum für Pflanzen und Tiere schaffen. Dirk Dreier erklärt: „Vier Bereiche unterschied man, die sich bis heute gut erhalten haben: Das Feuchtbiotop mit Auenwaldanmutung im Osten, die offene „Münsterländer“ Parklandschaft, die anschließenden Freizeit- und Sportanlagen sowie der Kinderspielplatz.“ Vorbild für den größten Teil des Parkes ist das Ideal der Münsterländer Parklandschaft mit einzelnen Bäumen, Baumgruppen, Hecken, Schutzhütten und Pavillons, Wäldchen und Grünland. Heute in Zeiten von Starkregen spielen die Wasser- und manche Parkflächen als eine Art Auffangbecken mit Rückhaltefunktion eine wichtige Rolle für die Zukunftsfähigkeit der Stadt. „Deshalb sind einige Wege durch den Park etwas höhergelegt, damit sie bei Hochwasser nicht überflutet sind“, erklärt Dirk Dreier. Übrigens: Die Deutsche Umwelthilfe ernannte den Wienburgpark im Juni 2008 als Projekt des Monats und begründete: „Münster schafft neuen Lebensraum für Tiere und Pflanzen mitten in der Stadt und bietet im Stadtpark Wienburg seltenen Arten einen Schutzraum“. Die Deutsche Umwelthilfe lobte die konsequente ökologische Planung, Anlage und Pflege des Parks und das überzeugende Konzept von Freizeitnutzung und Umweltbildung.

EINKEHREN/PICKNICKPLÄTZE/SPIELPLÄTZE
Einkehren können Parkbesucher im Hotel-Restaurant Wienburg mit Biergarten oder im Sülz Speisehaus mit vegetarischen Speisen. Außerdem gibt es im Park viele Picknickplätze. Die Spielplätze und der Fitnesspark wurden bereits genannt. Die Toiletten-Situation im Park hat derzeit noch „Dixieland-Charme“: Bis Ende September stehen nahe des Spielplatzes zwei mobile Toiletten, eingehaust in einer Holzummantelung. Eine Pressemitteilung der Stadt Münster informierte im April: „Die Toiletten sind einfach gehalten und sollen ab dem kommenden Jahr Zug um Zug durch dauerhafte Anlagen ersetzt werden.“
ANBINDUNG AN DEN ÖPNV
Im Westen des Parks an der Wienburgstraße liegt die Bushaltestelle „Wienburg“, im Osten des Parks die Bushaltestelle „Nevinghoff“. Hier fährt die Linie 17 (Kinderhaus-Hauptbahnhof-Krögerweg/Gremmendorf), auch über die „grünste“ Busspur am Hotel Wienburg vorbei. Zugverbindungen sind über den Bahnhalt in Münster Zentrum Nord erreichbar. Zu Fuß sind es bis zur Innenstadt zweieinhalb Kilometer.
ANSCHLUSS AN WEITERES STADTGRÜN
Der Wienburgpark gehört zu einem der sieben grünen Korridore der Stadt (siehe MÜNSTER!-Ausgabe Juli/August 2024) und ist über den Verlauf der Aa mit der Innenstadt und stadtauswärts über die Aa-Auen bis ins Grüne der Coerheide und der Rieselfelder verbunden.