N°126
Geliebte Saure-Gurken Zeit
Regionales Gemüse? Lieben wir! Und jetzt im Juli und August ist im Münsterland Gurkensaison! Wir zeigen, wie die gesunden, grünen Früchtchen im Warendorfer Traditionsbetrieb Austermann erst aufs und dann vom Feld kommen. Und was man Leckeres mit ihnen anstellen kann!
Text Lotta Krüger
Sind Sie schon mal über ein Gurkenfeld geflogen? Wenn nicht, dann waren Sie wohl noch nie bei einer professionellen Gurkenernte dabei. Auf einigen Höfen im Münsterland heißt es in diesen Wochen: Endlich wieder Gurkensaison! So auch auf dem Hof der Familie Austermann in Warendorf, dessen landwirtschaftlicher Betrieb sich bis ins Jahr 1365 zurückverfolgen lässt. Auf Gurken spezialisierten sich die Austermanns jedoch erst vor gut 20 Jahren. „Unsere Familie hat immer schon gerne Gurken eingelegt – anfangs aber nur für unsere eigene Familie, weil wir sie zum Essen geliebt haben“, berichtet Johanna Austermann, heutige Geschäftsführerin des Betriebs.
Wenn ein paar Gläser aus der heimischen Produktion übrig blieben, verkauften die Austermanns diese im eigenen Hofladen, der damals aber nur während der dreimonatigen Spargelsaison geöffnet hatte. Die eingelegten Gurken kamen so gut an, dass sie jedes Jahr bereits nach weniger als zwei Wochen ausverkauft waren – und schließlich der erste Edeka in Warendorf einige Gläser anfragte. Als das Interesse an den Austermann-Gurken immer größer wurde, baute die Familie eine erste kleine Produktionsküche, damals nicht größer als eine normale Haushaltsküche. So entstand der neue Fokus des Landwirtschaftsbetriebs, der inzwischen 40 feste Mitarbeiter zählt und in der Erntezeit von 70 Saisonarbeitern unterstützt wird – und für seine Gurkenspezialitäten sogar über das Münsterland hinaus bekannt ist.
Gurken, die übrigens zu den Kürbisgewächsen zählen, bestehen bis zu 99 Prozent aus Wasser. Damit sie gelingen und schön knackig werden, ist daher beim Anbau die Bewässerung das A und O. Wenn die Gurkenkörner also gegen Ende April, Anfang Mai ausgesät werden, kommen unter die Mulchfolie – im Betrieb Austermann besteht diese aus Maisstärke und kann sich nach der Saison von alleine zersetzen – sogenannte Tropfschläuche. Denn: Gurken lieben Wasser, aber nur von unten. Kommt es von oben, werden die Pflanzen schnell krank – und bekommen etwa den unliebsamen „Falschen Mehltau“. Auch ansonsten sind Gurken im Anbau anspruchsvoll. Um gut zu gedeihen, brauchen sie optimales Wetter, das heißt: warme Temperaturen, viel Sonne und eine kleine Restfeuchte vom Winter im Boden. Falls witterungsbedingt einmal nicht das komplette Saatgut aufgeht, ziehen die Austermanns bei Saisonbeginn zur Sicherheit ein paar Pflanzen im Gewächshaus vor, die sie im Notfall nachpflanzen können.
Auf Matratzen übers Feld schweben
Nach wochenlanger, sorgsamer Pflege ist es dann ab Ende Juni, Anfang Juli soweit: Die Gurken sind bereit zur Ernte. Um sie vom Feld zu holen, können die Austermanns aber nicht einfach über die empfindlichen Ranken stapfen. Stattdessen fahren sie alle zwei Tage mit dem sogenannten Gurkenflieger – einem mit zwei großen Tragflächen ausgestatteten Traktor – über den Weg zwischen den Beeten. Auf den Tragflächen liegen, weich auf Matratzen gebettet, jeweils zwölf Mitarbeitende, schweben über die Gurkenfelder und pflücken die Früchte mit den Händen. „Der Gurkenflieger fährt so langsam, dass man mit bloßem Auge aus 50 Meter Entfernung gar nicht sieht, dass er sich bewegt“, berichtet Johanna Austermann. Schneller dürfe er aber auch nicht sein – denn die Gurken im Feld zu suchen, sei extrem anstrengend für die Augen. Nach vier Stunden auf der Matratze heißt es deswegen: Schichtwechsel.
Wenn der gefüllte Anhänger am Ende eines jeden Erntetages vom Feld kommt, werden die Gurken sortiert und gewaschen. Familie Austermann hat sich den Anspruch gesetzt, die Ernte stets innerhalb von 24 Stunden zu verarbeiten – und so dauert es nicht lange, bis die Einlegegurken samt Essig, Zucker, Gewürzen und Co. in den vorbereiteten Weckgläsern landen. Die Rezepte für den Sud, um dessen Herstellung sich Johannas Mann Swen Austermann kümmert, hat Mutter Ursula Austermann mit langjähriger Erfahrung entwickelt und verfeinert. Doch nicht die komplette Ernte verarbeiten die Austermanns selbst: Gurken kann man bei ihnen mit Vorbestellung auch als Rohware kaufen – 500 Kilo pro Tag gehen im Hofladen an Einzelhaushalte raus. „Der Trend geht dahin, dass die Menschen wieder selbst einlegen“, berichtet Johanna Austermann. Neben den Gurken kann man im Hofladen auch gleich die Zutaten für den Sud kaufen, außerdem haben die Austermanns Rezepte vor Ort und beraten ihre Kunden gerne zu den verschiedenen Zubereitungsmöglichkeiten.
Geduld und Präzision beim Eigenanbau
Wer Gurken nicht nur selbst einlegen, sondern sogar im eigenen Garten oder auf dem Balkon anbauen möchte, braucht dafür einen ziemlich grünen Daumen, wenn man Johanna Austermann glauben darf. „Gurkenpflanzen sind wirklich empfindlich! Haben sie auch nur einmal ein gelbes oder weißes Blatt, kriegt man sie nicht mehr gesund.“ Die notwendige präzise Wasserversorgung und mögliche Fremdbestäubungen durch andere Pflanzen in der Nähe sind nur zwei der Herausforderungen, die es beim eigenen Anbau zu beachten gilt. „Da muss man schon ein Liebhaber mit sehr viel Zeit und Geduld sein!“, lacht Johanna Austermann. Auf dem Hof Austermann jedoch gelingen die Gurken dank der jahrzehntelangen Erfahrung in jeder Saison. Über die Zeit haben Johanna und ihre Familie 35 verschiedene Einlegegurkenkreationen entwickelt: süß, sauer, pikant oder salzig, mit Knoblauch, Paprika, Senf oder – ganz neu in diesem Jahr – mit Erdbeersaft. „Die Kombinationsmöglichkeiten sind endlos! Weil die Gurke an sich nur einen leichten Eigengeschmack hat, kann man sich bei den restlichen Zutaten kreativ austoben“, schwärmt Johanna Austermann. Das Wichtigste dabei immer: der Sud. „Wenn der Sud schmeckt, schmeckt nachher auch das Endergebnis.“
Gurkenfans sind die Austermanns übrigens nicht nur wegen der vielfältigen Verarbeitungsoptionen, sondern auch, weil eingelegte Gurken für sie ein Stück Kindheitserinnerung bedeuten. „Und da sind wir nicht die einzigen! Bei vielen weckt der Geschmack schöne Assoziationen mit alten Zeiten, als die eigenen Großeltern noch Gurken eingelegt und aufgetischt haben.“ Noch bis Ende August dauert die Gurkenerntezeit im Münsterland an, manchmal zieht sie sich sogar bis in den September hinein. Das hängt immer davon ab, wie gesund die Gurkenpflanzen dann noch sind – je nachdem, wie viel Sonne und Regen es in den zwei Sommermonaten gab. Wir drücken die Daumen, dass das Wetter mitspielt und die Früchte auch in diesem Jahr prächtig gedeihen!
hofladen-austermann.de
Gurkenglück auf Vorrat
Rezept: Britta Heithoff
Haltbarmachen von Lebensmitteln der jeweiligen Saison hat eine lange Tradition – und wird heute auch von jungen Genießern neu entdeckt. Gurken als regionales Gemüse mit nur kurzer Erntezeit eignen sich perfekt dafür und verlängern den Genuss. Hier ist unser Einsteiger-Rezept – vervielfachen Sie die Mengen gerne und experimentieren Sie mit Lieblingszutaten, Sie werden es nicht bereuen!
Zutaten:
1 kg Einmachgurken / 1 Bund Dill / 2 rote Zwiebeln / 500 ml Apfelessig / 1 l Wasser (und weiteres zum Einlegen vorab) / 150 g Zucker / 2 × 2 El Salz / 2 El Senfkörner / 2 El Pfefferkörner
Wichtig
Gläser und Deckel stets vor dem Einlegen der Gurken sterilisieren. Dafür Wasser in einem großen Topf zum Kochen bringen. Wenn es sprudelt, den Herd ausstellen und die Gläser samt Deckeln ins heiße Wasser legen, dort etwa 10 Minuten ziehen lassen – eventuell einen Schuss Essig hinzugeben! Dann die Gläser und Deckel auf einem sauberen Küchentuch trocknen lassen.
Zubereitung
1. Gurken entsanden und sauberbürsten, Zwiebeln schälen und in Ringe schneiden. Dill waschen und auseinanderzupfen.
2. Gurken und Zwiebelringe in ein großes Gefäß mit Wasser legen, 2 EL Salz darüber geben und sechs Stunden ziehen lassen. Danach Gemüse abspülen und stramm (gut quetschen, verlieren Volumen!) mit dem Dill und den Gewürzen auf die Gläser verteilen.
3. Für den Sud Wasser mit Essig, Zucker und Salz kurz aufkochen – dann randvoll in die Gläser füllen, bis die Gurken, Zwiebeln und Gewürze mit Flüssigkeit bedeckt sind.
4. Gläser verschließen und auf dem Kopf stehend auskühlen lassen.
5. Eingelegte Gurken ca. zwei bis vier Wochen ziehen lassen. Je länger sie ziehen, desto aromatischer werden sie. Im geschlossenen Glas sind sie locker sechs Monate haltbar, wenn sie kühl und dunkel gelagert werden.
Extra Tipp
Je nach Geschmack können die Gurken individuell mit verschiedenen Aromen nuanciert werden: durch Kräuter und Gewürze wie Dill, Senf- und Pfefferkörner (siehe oben), durch Knoblauchzehen, Wacholderbeeren, Lorbeerblätter, Koriandersamen, Chilischoten oder andere Zutaten. Übrigens: Die Gurken können auch vor dem Einlegen geviertelt oder in Sticks oder Scheiben geschnitten werden! Angebrochene Gurkengläser im Kühlschrank lagern und die Gurken innerhalb einer Woche verzehren (Wetten, dass Sie sie schon vorher auffuttern?). Uns schmecken saure Gurken besonders gut zu einer zünftigen Brotzeit mit Spiegelei und fein geschnitten als Topping auf selbst gemachtem Burger! Und so ein selbst gefülltes Gurkenglas ist ein tolles Mitbringsel für genießerische Freunde …
Die Gurke
… wurde erstmals 1600 v. Chr. in Indien systematisch angebaut
… kommt seit 250 v. Chr. auch in Europa auf den Tisch
… zählt zu den Kürbisgewächsen
… besteht bis zu 99 Prozent aus Wasser
… enthält eine Vielzahl an Vitaminen (darunter Vitamin B1, B2, B3 und C)
… strotzt vor Spurenelementen (darunter Calcium, Eisen und Magnesium)
… ist würzig eingelegt einfach superlecker!