MÜNSTER! Magazin

Die Kirche St. Pantaleon mit dem markanten Westturm markiert den Ortsmittelpunkt von Roxel. Foto: Cornelia Höchstetter

N°126


Roxel – Annettes wahre Heimat

Münster ist wie ein Puzzle. Viele Teile ergeben das ganze Bild. In unserer MÜNSTER!-Serie stellen wir unsere Stadtteile vor. Im Sommer zieht es uns jenseits der Autobahn nach Roxel – das für die Einheimischen gefühlt bis zur Burg Hülshoff reicht.

Text Cornelia Höchstetter


WO IST Roxel

Tief im Westen. Hier geht die Sonne hinter den grünen Baumbergen unter. Der größte Teil von Roxel liegt von Münster aus gesehen westlich der Autobahn A1. Damit ist Roxel einer der äußeren Stadtteile Münsters. Östlich der Autobahn befindet sich die Siedlung Altenroxel : Die entstand entgegen ihrer Bezeichnung etwas später als Roxel und ungefähr gleichzeitig mit dem Nachbarn Mecklenbeck.

Historisches 

Der Name „Roxel“ ist wahrscheinlich eine Ableitung eines Familiennamens Rokeslare oder Rukeslare. Deren Hof wurde im Jahr 1177 urkundlich erwähnt. Die Keimzelle Roxels bestand aus einigen weiteren Höfen. Zu den Ur-Familien gehören auch die von Schonebecks und die Herren von Koten. Letztere sind als Kirchgründer bekannt: Ende des 12. Jahrhunderts entstand die Kirche St. Pantaleon  mit ihrem ersten Bau. Davon ist bis heute der quadratische, romanische Westturm in seiner Form erhalten. Das Kirchenschiff wurde Mitte des 14. Jahrhunderts umgebaut. Um 1900 wurde das alte Kirchenschiff nochmals durch ein größeres neugotisches ersetzt. Weitere Höfe und Bauerschaften gründeten sich in dem Kirchspiel. 
Ende des 15. Jahrhunderts zählte man etwa 58 Höfe und 20 Kotten. Ab 1600 bis ins 18. Jahrhundert wurde Roxel durch verschiedene Kriege in Mitleidenschaft gezogen und war besonders geplagt von Überfällen und Plünderungen. Gewachsen und zum Wohnstandort entwickelt hat sich Roxel wie viele andere äußere Stadtteile im Zuge der Wohnungsnot nach dem Zweiten Weltkrieg. Eine Geschichte aus dem Roxel Magazin des Heimat- und Kulturkreises: In den 1950er Jahren wurde das verfallene und leer stehende Haus Hohenfeld als „Not“ (im wahrsten Sinne des Wortes)-Wohnraum 27 geflüchteten Familien mit 87 Personen zugewiesen. Der Roxeler Bürgermeister Wulfert habe an den Regierungspräsidenten eine Beschreibung der Situation geschickt, mit der Bitte um Errichtung von Ersatzwohnungen. Daraufhin wären die ersten Reihenhäuser Roxels im Haberfeld errichtet worden (Quelle: Roxel Magazin 2022). Haus Hohenfeld wurde zum Teil abgerissen und wiederaufgebaut als das heutige Parkhotel Hohenfeld. Weitere Wohngebiete kamen in den 1960/70er Jahre dazu, der Ort wuchs vor allem nach Süden und Westen und entlang der Roxeler Straße . 1970 lebten in Roxel 5174 Menschen. Ab Mitte der 1970er Jahre entstanden die Gewerbegebiete mit einigen Global Players (siehe: Wer arbeitet da?). Die Kommunalreform 1975 stoppte manche Pläne, etwa die eines Gymnasiums. Die Umgestaltung des Pantaleonplatzes  bis Ende der 1980er Jahre schuf eine lebendige Ortsmitte. Roxel wuchs weiter, die Nähe zur Universität und zum Uniklinikum Münster lockte Uniangehörige an, die im Ort Einfamilienhäuser bauten und – unter anderem – die Kaufkraft in Roxel stärkten. Heute leben dort knapp 10.000 Einwohner.

MÜNSTER! Magazin
Freitag nachmittags auf dem Pantaleonplatz: Zeit für den Wochenmarkt. Foto: Cornelia Höchstetter

Was ist typisch roxel? 

Typisch  ist die große Identifikation der Roxeler mit ihrem Ort und gleichzeitig eine gewisse Rivalität zu Havixbeck – das rührt aus der Zeit der Gebietsreform 1975: Laut der MÜNSTER!-Recherchepartner Beatrix Temlitz, Jürgen Schneider und Professor Günther Mersmann vom Heimat- und Kulturkreis wollten einige Bauern lieber in den Kreis Coesfeld als zur Stadt Münster. Tatsächlich kam ein beträchtliches Stück des Kirchspiel Roxels nach Havixbeck, Teile der Bauerschaften Brock  und Schonebeck, und vor allem Burg Hülshoff.

MÜNSTER! Magazin
Der Speicher steht bei Haus Hohenfeld  – ab 1850 ließ Franz von Olfers auf dem Grund 
des Hofes Gehring zu Altenroxel das Haus Hohenfeld erbauen.
Foto: Cornelia Höchstetter

Wie lebt es sich da? 

Laut Aussage unserer Ansprechpartner sei die Versorgungslage durch Lebensmittelgeschäfte und Einzelhandel gut. Besonders lobende Worte gelten dem Pantaleonplatz  als lebendigem Ortsmittel- und Treffpunkt. Dort ist freitags nachmittags Wochenmarkt. Positiv finden die MÜNSTER!-Befragten die Verbindung in die Innenstadt Münsters. Seit 2013 gibt es einen Haltepunkt der Bahn, die RB 63 pendelt stündlich zwischen Coesfeld und Münster. Außerdem fahren Busse und auch per Fahrrad ist man schnell in Münster. Weitere Roxel Pluspunkte sind: Die Bezirksvertretung West ist vor Ort, Roxel hat ein Schwimmbad und ein Sportzentrum. Zum Ortsleben gehören die Musikschule, der Jugendchor Roxel, die Chorgemeinschaft St. Pantaleon, die Freiwillige Feuerwehr, der Bücherbus und die Lesepatenschaften, der Heimat- und Kulturkreis Roxel, das Musikkorps der Freiwilligen Feuerwehr Münster, neben der katholischen St. Pantaleon Kirche gibt es die evangelische Kirchengemeinschaft Roxel mit Albachten und Bösensell, sechs Kindertagesstätten, ein Sozialbüro, die Grundschule Marienschule (platzt aus allen Nähten) und bis Sommer 2025 noch die Sekundarschule Friedensreich-Hundertwasser. Es gibt ein vielfältiges Vereinsleben: Zu den größten gehören der Sportverein BSV. Der bietet seinen fast 3000 Mitgliedern über zwölf Sparten, von Fußball bis zur Hockergymnastik. In Altenroxel dagegen befindet sich der einzige Hockeyplatz in Münster. Zu den kuriosen und staunenswerten Dingen in Roxel gehören das Schwarzlicht Minigolf oder das Auto aus Zurück in die Zukunft – von Dr. Josef Hesse, Geschäftsführer von Schäper Sportgerätebau, der sich einen DeLorean-Sportwagen umbaute (siehe MÜNSTER! 9/2020).

MÜNSTER! Magazin
Beatrix Temlitz und Jürgen Schneider vom Heimat- und Kulturkreis inmitten des Breilmannschen Droste-Denkmals Fiedler Knauf - Heidemann - Spinnlenore von 1975. Foto: Cornelia Höchstetter

Wer arbeitet dort? 

Der Heimat- und Kulturkreis hat vor einiger Zeit ein Buch in Auftrag gegeben: Roxel Betriebe stellen sich vor. Die Gewerbegebiete verteilen sich auf den Derdel , den Nottulner Landweg/Fraunhoferstraße , Otto-Hahn-Straße , Raiffeisenstraße  oder auf die Lise-Meitner-Straße , dort findet sich ein Betriebsmix vom Start-up über Mittelstand, Landwirte und Handwerker zu einigen Global Players. Etwa Sportgerätebau Schäper – sie bauen unter anderem Fußballtore für die Bundesligisten. Jentschura ist führender Hersteller von basischen Körperpflege- und Nahrungsergänzungsmitteln in Europa, seit Kurzem ergänzt um die Jentschura Akademie (Kurse für Unternehmen und Privatpersonen). Das Münsteraner Jankord Backhaus kommt aus Roxel, Cervotech fertigt die transparenten Fahrradgaragen, die in Münster immer mal zu sehen sind, ein Ehepaar aus Syrien gründete Barhoum Food für Oliven und Olivenöl, im Derdel ist das Institut für Forensische Genetik: Rechtsmediziner Professor Dr. Bernd Brinkmann löste bereits spektakuläre Mordfälle weltweit. Zu den Traditionsunternehmen gehört seit 1820 die Tischlerei Hagemann – auch wenn sie in Münsters Altstadt gegründet wurde, so zogen sie 1971 nach Roxel um.

Was wird gefeiert? 

Wie überall in und um Münster, so auch in Roxel: Schützenfeste (im Juni) – und das Reitturnier (Wochenende 6.–9. Juli). Eine außergewöhnliche Angelegenheit ist das Turnier der „Menschenkicker“ der Katholischen Landjugend Albachten-Roxel (KLJB) am Sonntag, 6. August, von 11 bis 19 Uhr (kljb-roxel.de). Alle zwei Jahre findet die große Fronleichnamsprozession statt, und dann der übliche Münsteraner Jahresfestlauf mit Lambertus und St.-Martins-Umzug aller Schulen in Roxel. 

MÜNSTER! Magazin
Am Pantaleonplatz: Die Villa Höping und ihr Säulenportal. Foto: Cornelia Höchstetter

Who is Who? 

Ein Name zieht sich durch Roxels Jahrhunderte: Droste zu Hülshoff: Die Burg Hülshoff gehörte lange zu Roxel und wurde erst nach der Gebietsreform zu Havixbeck eingegliedert – was die Roxeler gerne immer wieder betonen. Begonnen hat die Familiengeschichte mit Johann IV. Droste zu Hülshoff (1381–1446), der Bürgermeister von Münster war und die Burg Hülshoff für seine Familie erworben hatte. Bernhard II von Droste zu Hülshoff (1542–1624) war der erste, der sogar in Roxel bestattet wurde. Die Dichterin und Komponistin Annette von Droste-Hülshoff ist 1797 im damaligen Kirchspiel Roxel (auf der Burg) geboren und in Roxels St.-Pantaleon-Kirche getauft. Johann Heinrich von Olfers (1791–1855) war Münsters Oberbürgermeister und sorgte für Münsters Eisenbahnanschluss Münster-Hamm. Rudolf Breilmann (1929–2018) lebte in Roxel. Der Bildhauer und Maler schuf unter anderem auf dem Pantaleonplatz die Droste-Figuren „Fiedler Knauf – Heidemann – Spinnenlenore“. Zu den bekannten Roxelern gehörte der Karikaturist der Westfälischen Nachrichten, Rudolf Schöpper. Eine große Rolle in Roxel spielt der schreibende Ortschronist Franz Weitzel und der fotografierende Chronist Dieter Pferdekamp (roxelbilder.de).

Ab ins Grüne:

Im Westen die Baumberge, rundherum Wiesen und Felder, überall sind Radwege. Dr. Meinolf Rohleder engagiert sich für die Bürgerinitiative Landschaftsschutz Roxel e.V., die den Ausbau der Autobahnraststätte kritisch sieht. Er wohnt in der ehemaligen Rentei am Rohrbusch, direkt in Nachbarschaft zum Rohrbuschwäldchen , einem beliebtes Spaziergängerziel, und kann viel über Roxels Kulturlandschaft erzählen. „Bei genauem Hinsehen erkennt man dort leichte Wellen im Waldboden. Die weisen auf uralte Wölb-Äcker hin, aus der Zeit, als es noch keinen Wendepflug gab. Da blieb eine Mulde dazwischen, in der sich das Wasser sammelte.“ Feuchte Böden, Büsche, Torf, Moor, Sumpf – „Ich sage gerne Drostelandschaft, weil Annette von Droste-Hülshoff die Landschaft so treffend beschrieben hat“, sagt Meinolf Rohleder und empfiehlt den Lyrikweg als Ausflugsziel: von Burg Hülshoff zum Haus Rüschhaus.

MÜNSTER! Magazin
Foto: Cornelia Höchstetter 

Das schönste Haus? 

Wer zu schnell durch oder um Roxel herumfährt, der verpasst einige schöne Gebäude: Die Eilings Mühle  an der Tilbecker Straße etwa. Oder am Pantaleonplatz  die Villa Höping (1920), ein besonderes Bauernhaus mit Säulenportal und einem benachbarten Spieker von 1857, der gerade restauriert wird und bald eine Ferienwohnung beheimatet. Um Roxel herum lohnt sich eine Radtour (siehe Faltkarte des HKKroxel.de), weil sich dort noch weitere denkmalgeschützte Fachwerkhöfe und -speicher befinden – etwa die ehemalige Wasserburg Haus Brock (Brock 27)  oder der Speicher bei Hof Schedding (Hohenholter Straße). Ein Hingucker ist der Ziegel-Speicher mit Viertelkreisfenstern im Giebel und blau-weißen Klappläden beim Parkhotel Hohenfeld. 1989/1990 wurde das Haus restauriert, nun steht es leer – aber dekorativ unter einer Stieleiche (Naturdenkmal). Das schönste Haus ist wohl die Burg Hülshoff – auch wenn sie offiziell zu Havixbeck gehört, so ist sie doch Roxels Herzensangelegenheit.

Bestes Vorzeigeprojekt? 

Beatrix Temlitz, Jürgen Schneider und Professor Günther Mersmann finden auch, dass die Integration von Migranten in Roxel ein Vorzeigeprojekt ist, auch weil zum Beispiel zwei Wohnhäuser im Wohngebiet und ins alltägliche Leben integriert seien. Wir finden: Der Heimat- und Kulturkreis selbst ist ein Vorzeigeprojekt. Er feiert in diesem Jahr seinen 45. Geburtstag. Die Mitglieder bringen alle zwei Jahre ein Roxel Magazin. Gestern/Heute/Morgen heraus, organisieren Veranstaltungen von Open-Air-Kino über Rad- oder Bustouren, besuchen Unternehmen, bieten Vorträge an (von der Fotoreportage über das Naturparadies Costa Rica bis zum Infoabend für Einbrecherschutz), laden zu Diskussionsrunden oder zu „Kneipenvorlesungen“ in der Gaststätte Kortmann  ein und vieles mehr. Vorbildlich ist auch die Musikschule Roxel e.V. mit Angeboten von zweijährig bis ins Urgroßelternalter mit Einzelunterricht, in Gruppen, im Orchester oder Bands. Der Musikschulraum ist am Pantaleonplatz, Veranstaltungen und Unterricht finden in den Kitas und Schulen statt. Mehr als nur Klavierunterricht: Chöre, Schlagzeug, Grunderziehung, E-Bass, Ukulele, Streich-, Zupf- und Blasinstrumente und mehr. Die Schulleitung hat Christian Voß, unterstützt von 27 MusikpädagogInnen. Etwas Besonderes sind die Veeh-Harfenkurse (musikschule-roxel.de).

MÜNSTER! Magazin
Blick durch den Torbogen – ein Kunstwerk der Künstlerin Britta Leßmann – auf Roxels Ursprung, die Kirche. Davor ist die Gaststätte Kortmann. Foto: Cornelia Höchstetter

Essen und Trinken: 

Roxel hat eine lebendige Kneipen- und Gaststättenszene. Zwei Hotels geben den auswärtigen Gästen eine Herberge: Hotel Restaurant Brintrup (zum 150jährigen Jubiläum gibt es den Tag der Offenen Tür am Sonntag, 2. Juli, mit Musik und Hüpfburg) sowie das Parkhotel Hohenfeld . Gehobene Küche bietet das Restaurant Ackermann. Weiter empfehlen Roxeler gern die Gaststätte Kortmann  oder auch manche gute Imbissbude.

Größtes Problem? 

Die Autobahnraststätte soll um ein Vielfaches vergrößert werden und rückt an den Ort heran, der Durchgangsverkehr belastet Roxels Mitte. Ein anderes Problem ist das Schulzentrum: Die Sekundarschule Friedensreich-Hundertwasser-Schule läuft aus, ein komplettes Schulzentrum mit Mensa und mehr stünde bereit und bietet Platz für eine dritte Gesamtschule in Münster (siehe Zukunftsprojekte). Theoretisch könnte das Schuljahr 2024/25 starten. In Roxel fehlt eine Poststelle – die nächsten Poststellen sind in Gievenbeck, Mecklenbeck oder an der Sentruper Höhe.

MÜNSTER! Magazin
Das Schulzentrum mit kompletter Infrastruktur inklusive Mensa. Die Zukunft ist noch ungewiss. Foto: Cornelia Höchstetter

Warum Sollten Sie Roxel un­bedingt besuchen? 

Ein erhaltener Ortskern am Pantaleonplatz und rundherum auf dem Land wunderschöne alte Höfe sind gute Gründe. Roxel ist Radfahrerziel und Durchgangsstation (was man am vollbesetzten Eiscafé Pinocchio  erkennt): Die 100-Schlösser-Route führt durch den Ort, ebenso der Jakobspilgerweg. Ausflügler, die Burg Hülshoff oder die Baumberge besuchen wollen, fahren oder wandern durch Roxel.

Zukunftspläne: 

Was die in Roxel gewünschte Gesamtschule angeht, spricht Bezirksbürgermeister Stephan Brinktrine den Bedarf an: „Realschulen sind kaum mehr gefragt, der Trend geht auch weg vom Gymnasium, weil die Entscheidung für viele zehnjährige Kinder zu früh kommt. Deshalb steigt die Nachfrage nach Gesamtschulen. In Münster werden jährlich 300 Kinder abgewiesen, weil wir zu wenig Gesamtschulen haben“. Aktuell läuft die Klage der Stadt Münster gegen die Entscheidung der Bezirksregierung, die einer Gesamtschule in Roxel zugunsten der in Havixbeck nicht zugestimmt hat. Weiterhin Zukunftsmusik dürfte die seit den 1960ern geplante Nordumgehung als Alternative zur Ortsdurchfahrt bleiben. „Die Landesregierung verfolgt da keine Pläne mehr“, sagt Bezirksbürgermeister Stephan Brinktrine. 

roxel.de
web.muenster.de/roxel.html
hkkroxel.de
roxelbilder.de