MÜNSTER! Magazin

Der Speicher 3 steht in Hohenholte an der Ecke Roxeler Straße und Zur Aabrücke. Foto: Cornelius Pfannkuch 

N°111


Kaffee, Kultur und Konferenz

Drei Frauen gestalten das Dorfleben in Hohenholte neu:  Rosalin Wevering, Ulla Bleeck und Irene Hummel. Sie beleben den Speicher 3: An den Wochenenden öffnet das Café mit Sonnenterrasse, unter der Woche finden Geschäftsleute einen inspirierenden Working Space. Und dann stehen noch Kunst und Kultur auf dem Programm.

Text cornelia höchstetter


Drei Frauen sitzen am Bauholztisch und erzählen. Sie schmieden Pläne, wie das Leben im Frühjahr 2022 aufblühen wird. Träumen vom Treffen gleichgesinnter Menschen. Können es kaum erwarten, dass auf der Terrasse viele Zuhörer einem Konzert lauschen. Auch wenn vorerst noch keine Tische draußen stehen. Immerhin drängelt sich die Sonne kurz durch das westfälische Wintergrau und wirft ein paar Strahlen durch die weißen Holzfenstersprossen. Das gibt Hoffnung: Es soll endlich losgehen, mit dem Leben im Speicher 3, mitten in der Mitte des Stiftsdorfes Hohenholte.

Ein Speicher, drei Funktionen und drei Macherinnen 

In Hohenholte, dem Ortsteil von Havixbeck,  leben etwa 700 Menschen. Die Dorfbewohner dürfen sich freuen, genau wie all die Fahrrad­fahrer, die auf dem Fernweg R1 durch Hohenholte radeln: Im Speicher 3 – tatsächlich ein Zufall, noch ein „Speicher 3“, wie der von Coppenrath in Münster – wird im April das Café jeweils an den Wochenenden eröffnen. Ein solches Café-Projekt während der Pandemie anzuschieben, ist eine ehrgeizige Geschichte. Aber es ist ein Sehnsuchtsprojekt für die drei Frauen: Ulla Bleeck, Rosalin Wevering und Irene Hummel. Jede bringt sich mit ihrer persönlichen Leidenschaft ein. Sie stellen aktuell fast den halben Kultur- und Kunstverein. Acht Mitglieder sind es insgesamt, mehr sind herzlich willkommen, sagen die Frauen. Der Verein ist der Betreiber des Cafés. Das Café ist Sitz des Vereins. Unter der Woche bietet es in seinen Räumen ein Working Space für Unternehmen oder Geschäftsleute an. Und natürlich präsentiert der Verein Kunst und Kultur. 
 

MÜNSTER! Magazin
Foto: Cornelius Pfannkuch
MÜNSTER! Magazin
Foto: Cornelius Pfannkuch
MÜNSTER! Magazin
Foto: Cornelius Pfannkuch

Ulla Bleeck, 74, ist die Vorsitzende des Vereins. Sie steht für die Kultur: Die Juristin ist in Düsseldorf geboren und aufgewachsen, hat den Künstler Joseph Beuys persönlich erlebt. Dann war sie lange in Sachsen und hat mit ihrem Steuerbüro Künstler vertreten. In Hohenholte lebt sie seit 2014 – der Kinder und dem Familienleben zuliebe. Mit ihren Kontakten lockt sie manchen Künstler nach Hohenholte. Auch Ausstellungen stehen auf ihrer Sehnsuchtsliste für den Speicher 3. Rosalin Wevering, 34, ist im Verein die Kultur- und Dorfmanagerin – sie bietet mit Ulla Bleeck ab dem 6. April eine Dorfsprechstunde an, jeweils am ersten Mittwoch im Monat um 17 Uhr. Eigentlich kommt Rosalin Wevering aus Münster, zog dann 2017 mit Mann und Kindern in ein eigenes Haus in Havixbeck. Während des Einlebens in die neue Heimat entdeckte sie die Stellenanzeige zur „Dorfmanagerin“ – es passte perfekt: „Wir wollen gemeinsam Ideen für das Dorfleben entwickeln!“, freut sie sich. Irene Hummel, 80 Jahre, ist die Geschäftsführerin des Cafés. Für sie ist das Café tatsächlich ein Lebenstraum: „Meine Eltern hatten in Ulm eine Ausflugsgaststätte, mit einem Renaissancebrunnen im Hof …“. Das war ihre Kindheit und sie hat sich eingebrannt. Wer mit Irene Hummel spricht, hört noch die weiche süddeutsche Sprechweise und kann sich genau vorstellen, mit welcher Herzlichkeit und Energie sie bald die Gäste empfängt – und ihnen zum geselligen Miteinander verhilft. Sie war Lehrerin und ist nicht wegen, sondern „vor 50 Jahren mit der Liebe nach Westfalen gekommen.“ Ihre Kinder leben hier und sind vertraut mit der Tradition der Gaststätte Annegarn, die bis vor wenigen Jahren am Platz des jetzigen Speichers 3 stand. „Tante Else, so hieß die Wirtin, war der Mittelpunkt. Hier kamen die Hohenholter zusammen, zur Taufe oder Beerdigung. Am Wochenende noch die Ausflügler, es war rappelvoll“, erklärt Irene Hummel. 

MÜNSTER! Magazin
Foto: Cornelius Pfannkuch
MÜNSTER! Magazin
Foto: Cornelius Pfannkuch

Münsterlands Bauweise für Hohenholtes Mitte 

Irene Hummels „Kinder“ (ü50) haben den alten Gasthof Annegarn gekauft und mussten ihn wegen der Bausubstanz abreißen lassen. An dessen Stelle steht nun der Speicher. Das Erdgeschoss aus Sandstein, in der Höhe fortgesetzt mit rotem Backstein, unter dem Giebel das Dreieck mit Holz verkleidet. Seit 2020 stehen vier weitere Gebäude mit 14 Wohneinheiten. Alle Häuser tragen Partnerlook: mit sogenanntem „Kreuzverband“ in der Schichtung des Mauerwerks, wie es bei den alten Münsterländischen Bauernhäusern üblich war. „Es sollte alt aussehen“, erklärt Irene Hummel die Absicht der Bauherren, also ihrer Kinder, die lieber im Hintergrund bleiben möchten. Als kultureller Treffpunkt hat der Kulturverein Fördergelder aus dem LEADER-Topf generieren können: 41.000 Euro von insgesamt (inkl. Personalstelle) investierten 64.000 Euro trägt das Förderprogramm der EU zur Förderung des ländlichen Raums.  

MÜNSTER! Magazin
Foto: Cornelius Pfannkuch
MÜNSTER! Magazin
Foto: Cornelius Pfannkuch

Shoppingroom, Lese-Ecke oder Platz zum Brainstorming  

Schritt für Schritt öffnet sich der neue Speicher dem prallen Leben. Im Winter gab es manche Volkshochschulveranstaltung in den Caféräumen. Im vergangenen Sommer war die Tür einige Tage lang für eine Pop-up-Boutique geöffnet: Die Hohenholter Grafikdesignerin Maren Kruth verkaufte ihre Kunstkarten, Kalender und Notizbücher – „sie musste mehrmals nach Hause gehen und Nachschub holen“, begeistert sich Irene Hummel. Solche Aktionen können sich die drei Frauen gut vorstellen: Frisch, stilvoll, hochwertige Dinge, am liebsten aus der Region oder mit der Region verbunden. Am Samstag, 19. März, steigt die Einweihungsfeier, dann erfahren die Gäste, welche „Veranstaltungen vor der Haustür der Hohenholter“ auf dem Plan stehen (siehe auch Infokasten Seite 50). Der Wilsberg-Erfinder Jürgen Kehrer kommt zum Beispiel und wird mit seiner Frau Sandra Lüpkes Krimi-Lesungen abhalten. „Vielleicht werden wir auch Spiele-Abende veranstalten, oder ein Gin-Tasting, zu dem dann sogar die Münsteraner nach Hohenholte kommen. Oder wir organisieren Fahrgemeinschaften und machen zusammen einen Ausflug in ein Museum … “, überlegt Rosalin Wevering. 

Als wir vom MÜNSTER! Magazin im Speicher 3 waren, wurde noch eifrig geplant. Der digitale Bildschirm an der Wand des Cafés zeigte einen Strand von oben – aber genauso gut könnten dort Bilanzen auftauchen oder To-do-Listen, Ideensammlungen, Brainstorming-Ergebnisse. Coaching- oder Personalgespräche können unterstützt werden. Das Ambiente lässt die Ideen fliegen, das kann man sich gut vorstellen.  

Der Speicher steht auch für die Idee, die Gemeinschaft des Dorfes zu stärken. Die drei Frauen freuen sich so, weil alle drei selbst die Lebenssituation kennen, dass man als „Neue“ in einer gewachsenen Gemeinschaft ankommt. „Unser Café ist auch ein perfekter Anlaufpunkt für Zugezogene“, da sind sich alle drei Frauen einig. Denn dass man in Hohenholte auf der Straße schnell miteinander ins Gespräch kommt, sei keine Schwierigkeit. Aber um einfach mal länger und gemütlich zu klönen, ohne gleich eine Einladung nach Zuhause auszusprechen – dazu ist das Café im Speicher 3 einfach eine perfekte Integrationshilfe. Bei einem Stück Kuchen, „dem besten“, finden die drei Frauen. Der Kuchen kommt von den Kollegen aus dem Havixbecker Café Klute. Auf der Speisekarte stehen auch eine Schinkenplatte oder Salate vom Biohof Herzkamp aus Havixbeck.  

Dass genug Cafégäste kommen, daran zweifelt keiner: „Wenn wir uns besprechen, hat bisher immer einer den Kopf ins Café gesteckt und gefragt, ob wir schon geöffnet haben!“, sagt Irene Hummel. Erst ab dem 2. April. Kein Scherz! 

MÜNSTER! Magazin
Drei Frauen im Speicher 3 (v.l.): Irene Hummel, Rosalin Wevering und Ulla Bleeck. Foto: Cornelia Höchstetter

Dorfsprechstunde, Lesungen und Konzerte  

Die drei Frauen vom Speicher 3 haben viel vor. Nach der pandemiebedingten Kontaktarmut soll Hohenholte ab dem Frühling ein Treffpunkt werden: mit einer monatlichen Dorfsprechstunde, mit Workshops, Kursen, Lesungen, Konzerten, Vorträgen, Tanzkursen, Events und regelmäßigen Treffen für Freunde, Bekannte und Menschen, 
die sich gerne unterhalten. Geplant sind auch Fahrten zu Ausstellungen und Vernissagen.    

samstag, 19. März:  

Fotoworkshop: Wie entsteht ein gutes Foto? 
Kursleiter Dietmar Rabich über die Gestaltung eines guten Fotos. Anmeldung: VHS Dülmen  

Samstag, 19. März: 

Eröffnungsfeier für alle, die Interesse haben, ab 18 Uhr  

mittwoch, 23. März: 

Workshop: Osterdeko aus alten Buchseiten, 
18.30 – 20 Uhr. Die Teilnahme ist kostenlos, um eine Spende wird gebeten. Anmeldung: post@speicher3.com   

samstag, 2. April:  

Offizielle Eröffnung des Cafés 
Nun bis Montag, 3. Oktober, jeweils freitags 14 – 21.30 Uhr, samstags 12 – 21.30 Uhr, sonn- und feiertags 12 – 18 Uhr geöffnet
 

sonntag, 22. Mai:  

Krimi-Lesung mit Sandra Lüpkes und Jürgen Kehrer: 
Egal ob einsam oder zweisam, höchst kriminell geht es auf jeden Fall immer dann zur Sache, wenn das Ehepaar Lüpkes & Kehrer mit spitzer Feder Herzblut vergießt.