MÜNSTER! Magazin

Foto: LWL/Stephan Kube, Greven

N°118


Happy Birthday, Kaiser Barbarossa

Der römisch-deutsche Kaiser Friedrich I. Barbarossa feiert in diesem Jahr seinen 900. Geburtstag. Weil der Schwabe westfälische Verwandtschaft sowie Berührungspunkte nach Münster hat, lädt das LWL-Museum für Kunst und Kultur ein in die große Ausstellung: „Barbarossa. Die Kunst der Herrschaft.“ 

Text Cornelia Höchstetter


Das Geheimnis um den Cappenberger Kopf ist gelüftet. Die Museumsleute des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) waren beteiligt: „Museen kümmern sich nämlich nicht nur um Ausstellungen, sondern sie forschen auch“, sagt die Mittelalter-Kuratorin am LWL-Museum für Kunst und Kultur, Dr. Petra Marx. Cappenberger Kopf? Bar­barossa? Neugierig geworden? 

Entführung ins Mittelalter 

Es ist eine verzwickte Geschichte, die in der neuen Ausstellung im LWL-Museum für Kunst und Kultur erzählt wird: „Barbarossa. Die Kunst der Herrschaft“. 900 Jahre ist die Geburt des rotbärtigen Kaisers in diesem Jahr her. Dessen vermeintlicher goldene Kopf und weitere fast tausend Jahre alte Exponate stehen dabei im Fokus. Seit dem 28. Oktober gehen Besucher am Domplatz auf 1.000 Quadratmetern in sechs Räumen auf Zeitreise ins Hochmittelalter. Sie erfahren, was den mittelalterlichen Herrscher – erst Stauferkönig, dann Kaiser Friedrich I. – mit Westfalen verbindet: Zum einen wurde während seiner Regentschaft im Jahr 1180 das Herzogtum Westfalen gegründet. Zum anderen ist der Cappenberger Kopf nicht nur Zeugnis der romanischen Goldschmiedekunst, sondern eine Erinnerung an Verwandtschaft: Otto von Cappenberg (1100–1171) war der Taufpate von Barbarossa.

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Foto: LWL/Stephan Kube, Greven

Dass die Ausstellung am Domplatz stattfindet, ist irgendwie Ironie der Geschichte: Denn den hatte jener Otto von Cappenberg auf dem Gewissen. Ausgerechnet er war es, der mit seinem Bruder Gottfried (der steht übrigens als Statue eines Ritters im Paradies des Doms, rechte Seite, ganz links) im Jahr 1121 das Städtchen Münster stürmte und abfackelte, inklusive des damaligen Doms. Nach der Tat sorgte sich Otto von Cappenberg wohl um sein Seelenheil, tat Buße, übergab seinen Reichtum an den Prämonstratenser-Orden und gründete das Stift Cappenberg. Im Schloss Cappenberg in Selm findet deshalb der andere Teil der Barbarossa-Ausstellung statt, die ein Doppelevent zum Geburtstag ist. 

Es ist Johannes 

In seinem Testament schenkte Otto von Cappenberg dem Stift „einen silbernen Kopf, nach dem Bild des Kaisers, und eine zugehörige Schale mit der Darstellung der Taufe Barbarossas“, so erzählt Petra Marx. Diese „Taufschale“ war eine Handwaschschale; der erwähnte Kopf wurde seit dem 19. Jahrhundert für ein Porträt Barbarossa gehalten – auch wenn er vergoldet und nicht versilbert ist. Noch zur LWL-Ausstellung „Goldene Pracht. Mittelalterliche Schatzkunst in Westfalen“ von 2012 hielt man ihn für das einzigartige Bildnis des Kaisers. „Tatsächlich ist es eine Büste des Evangelisten Johannes“, sagt die Kuratorin. Im vergangenen Jahr untersuchte man die Oberfläche des Kopfes und fand keine Silberspuren. „Der silberne Kopf muss verschwunden sein“, erklärt Petra Marx. Mit dieser wissenschaftlichen Unter­suchung beschäftigt sich ein eigener Raum der Ausstellung: „Zudem zeigen wir das erste Mal, dass der Kopf ein Reliquiar ist – wir haben ihn 2019 öffnen dürfen und die Reliquien untersucht: 

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Der Kopf war nicht nur als Kunstwerk geschaffen, sondern als Aufbewahrungsort für religiöse Reliquien. Foto: LWL/Sabine Ahlbrand-Dornseif

Schnelle Zeitreise: Das Hochmittelalter
1122 ist das Jahr, in dem der spätere Stauferkaiser Friedrich I. geboren wurde – bekannt als Barbarossa. 1155 wurde er in Rom durch Papst Hadrian IV. zum Kaiser gekrönt. Italien sollte ihn bald wiedersehen – 1158 unterwarf er auf dem zweiten Italienzug Mailand und zählte Italien zu seinem Reich. Obwohl die Geschichtsbücher einen Kreuz- und Italienzug nach den anderen aufzählen, in denen Barbarossa beteiligt war, gilt der Kaiser heute als einer, der sein Land einte und seine Gegner auch mit Kompromissen gut im Griff behielt. Kreuzzüge waren eigentlich nichts anderes als grausame Kriege, zu denen die Kirche aufgerufen hatte und die sich gegen die muslimischen Völker im heutigen Nahen Osten richteten. So zog Barbarossa noch als Herzog im Zweiten Kreuzzug 1147 mit 70.000 Mann Richtung Klein­asien los, im Dritten Kreuzzug dann als Kaiser gleich mit 100.000 Mann. Dabei ertrank er 1190 tragisch Fluss Saleph (heute Südtürkei). Auch das war das Hochmittelalter: Orden (wie die Johanniter oder der Deutsche Orden) entstanden, ebenso Klöster und die ersten Universitäten. Die Baukunst der Romanik prägte die Zeit, typisch die Rundbögen, Kirchengrundrisse wie ein Kreuz, alles monumental und wuchtig. Es herrschte strenge Hierarchie: im Adel vom Kaiser stufenweise abwärts genau wie in den Städten, wo reiche Kaufleute über den Handwerkern standen, oder in der Kirche – vom Papst bis hinunter zum Ordensbruder.

„Mittelalterausstellungen gehören zu den aufwendigsten und teuersten.“ 

Dr. Petra Marx

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Foto: LWL/Hanna Neander

Es sind Zähne und Knochenfragmente, textile Reste und auch Überreste wie zum Beispiel Haare von Johannes dem Evangelisten“. Viele andere Kostbarkeiten sind neben Kopf und Schale in der Ausstellung zu sehen, Barbarossa-Darstellungen in der Buchmalerei, Kunstwerke zu den Netzwerken des Herrschers, zur Geschichte seiner Kreuzzüge und der damaligen überraschenden Mobilität – „man muss sich vorstellen, wie viel und wie lange der Kaiser damals unterwegs war“, versetzt die Kuratorin sich in eine Zeit, in der Reisen hauptsächlich zu Fuß oder auf dem Pferderücken stattfand. Reisen bedeutet Begegnung und Gedankenaustausch – auch des Orients mit dem Okzident. Als Zeichen dafür widmet sich ein eigener Raum dem Schachspiel, das aus In­dien über den Orient mit den Kreuzfahrern nach Europa kam. „Die jungen Männer wurden mit dem Schachspiel auch für strategische Kriegs­führung geschult“, erklärt Petra Marx. 

Besonderer Schutz in Vitrinen 

Neu gestaltete Wände in starken Farben setzen die Schätze in Szene, mit grafischen Elementen und einem digitalen Angebot: Es ist das Hoffest in Mainz 1183 – fiktiv erzählt; so, dass man sich gut vorstellen kann, wie die Menschen damals gelebt und gefeiert haben. „Mittelalterausstellungen gehören zu den aufwendigsten und teuersten, die Kunstwerke sind extrem fragil und müssen in vielen Vitrinen besonders geschützt werden“, sagt die Kuratorin. So sehen die Besucher Kunstgegenstände aus dem Pariser Louvre, vom British Museum und dem Victoria and Albert Museum aus London, aus dem Nationalmuseum in Kopen­hagen und mehr.

„Das Mittelalter war eben nicht nur finster: Es war auch sehr bunt – die romanischen Kirchen waren damals ausgemalt und die Glasmalereien leuchteten in starken Farben!“ 

Dr. Petra Marx

Das Lieblingsstück der Kuratorin Petra Marx ist ein purpurfarbener bestickter Seidenbehang, der unter anderem die berühmteste geistliche Frau des Mittelalters, Hildegard von Bingen, darstellt. Sie stand mit Barbarossa in Briefkontakt und ermahnte ihn eindringlich, ein guter Herrscher zu sein.  

Roter Bart und goldener Kopf 

Eine Ausstellung an zwei Orten: LWL-Museum für Kunst und Kultur: „Barbarossa. Die Kunst der Herrschaft“ sowie „Das Vermächtnis von Cappenberg“ in Schloss Cappenberg, beide Ausstellungen laufen noch bis zum 5. Februar 2023.   Eintritt: Münster 13 Euro, Cappenberg 6 Euro. Öffnungszeiten Münster: Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr. Veranstaltungen und Infos: